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Weg vom Gießkannenprinzip
Studie plädiert bei Entlastungen für Heizkostenzuschuss, 29-Euro-Ticket und Mobilitätsgeld
Auf ein drittes Paket, um Haushalten in der Energiekrise zu helfen, konnte sich die Bundesregierung immer noch nicht einigen. Aus den Erfahrungen mit den beiden bisherigen Paketen schälen sich aber inzwischen Erkenntnisse heraus, welche Maßnahmen wirklich den bedürftigen Haushalten zugutekommen und welche zugleich klima- und umweltpolitisch keinen Schaden anrichten.
Zwei bisherige Maßnahmen fallen für eine Neuauflage weg: die einfache Erhöhung der Pendlerpauschale und der Tankrabatt. Beides habe die Dekarbonisierung in Deutschland zurückgeworfen, bilanzierte Maximilian Priem von DIW Econ, der Beratungsfirma des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, am Donnerstag in Berlin. »Der Tankrabatt und die Anhebung der Pendlerpauschale haben massive ökologische Fehlanreize gesetzt und kamen überwiegend Menschen mit höherem Einkommen zugute«, kritisierte Viviane Raddatz, Energiepolitikexpertin des WWF und Sprecherin der Klima-Allianz, des größten Klimabündnisses des Landes.
Im Auftrag der Klima-Allianz hat DIW Econ eine Studie ausgearbeitet, in der vor allem fünf Maßnahmen gegen die Energiepreisexplosion näher angeschaut wurden. Dazu gehören ein Gaspreisdeckel bei 7,5 Cent pro Kilowattstunde für einen Grundbedarf von 8000 Kilowattstunden, eine soziale Energiepauschale als bedarfsorientierter Heizkostenzuschuss für Wohngeldberechtigte, ein dauerhaftes 29-Euro-Ticket für den ÖPNV in ganz Deutschland, das Ersetzen der Pendlerpauschale durch ein Mobilitätsgeld von zehn Cent pro Kilometer sowie eine Mehrwertsteuersenkung für pflanzliche Grundnahrungsmittel wie Obst, Gemüse und Getreideerzeugnisse.
Im Ergebnis präferiert die Studie drei Maßnahmen: den Heizkostenzuschuss, das 29-Euro-Ticket und das Mobilitätsgeld. Diese Ideen erfüllen laut DIW Econ mehrere Vorgaben. Sie sind kurzfristig umsetzbar, setzen die richtigen ökologischen Anreize und sind vor allem sozial zielgerichtet. Man komme weg vom Gießkannenprinzip, betonte Priem. »Wir können nicht mehr alle entlasten – man sollte deswegen diejenigen entlasten, die es ohnehin nicht einfach haben.« Von einem Gaspreisdeckel würden indes alle Haushalte profitieren, erläuterte Priem, auch solche in den oberen Einkommensbereichen. Diese hätten aber jetzt schon meist gut isolierte Häuser und verbrauchten daher nicht so viel Gas. Haushalte im mittleren und unteren Einkommensbereich hätten meist keine Chance, über die Dämmung ihrer Wohnungen selbst zu entscheiden. Zudem würde der Preisdeckel nichts an der Gasknappheit ändern.
Auch einer Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel steht DIW Econ skeptisch gegenüber. Es frage sich, ob diese weitergegeben werde. Zum anderen werde die Steuersenkung von den Menschen nicht mehr als solche wahrgenommen, wenn die Lebensmittelpreise weiter steigen.
Erfüllt werden die Anforderungen für Priem von einem bundesweiten 29-Euro-Ticket, von dem gerade finanzschwächere Haushalte profitieren würden. Der Wissenschaftler hält ein durchgängiges 29-Euro-Angebot auch für ein gutes Argument, vom Auto dauerhaft auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Umsetzbar sei das Ticket ebenfalls. Bund und Länder müssten sich dazu an einen Tisch setzen.
Für Raddatz vom WWF ist das 29-Euro-Ticket ein Ergebnis des »verkehrspolitischen Labors« mit dem 9-Euro-Ticket. »Wir wissen jetzt, dass es geht. Die Leute sind bereit, mehr die öffentlichen Verkehre und die Bahn zu nutzen«, sagte sie. Hier gebe es auch ein großes Klimaschutzpotenzial, das nicht brachliegen dürfe. Die Bundesregierung sei jetzt aufgefordert, den Ländern schnell ein Angebot zu machen.
Bei dem gleichfalls von der Studie befürworteten Heizkostenzuschuss würde für wohngeldberechtigte Haushalte, die sich laut DIW Econ gegenwärtig im Schnitt mit einer 82-prozentigen Steigerung des Gaspreises konfrontiert sehen, dieser Preisaufschlag ausgeglichen. Im Schnitt würde der Zuschuss dann pro berechtigtem Haushalt rund 550 Euro im Jahr betragen. Weil mit steigendem Preis auch die Zahl der berechtigten Haushalte zunehme, ergäben sich für den Heizkostenzuschuss jährliche Mehrkosten von einer Milliarde Euro, rechnete Priem vor. Das wäre deutlich billiger als der aufgeführte Gaspreisdeckel, der jährlich rund zehn Milliarden Euro kosten würde, betonte der DIW-Experte.
Ein sozialer Heizkostenzuschuss setzt für Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, dort an, wo die Not am größten ist. »In diesem Winter bedarf es außerdem eines Moratoriums für Strom- und Gassperren als Akutmaßnahme, damit überschuldete Haushalte nicht im Dunkeln und Kalten sitzen müssen«, forderte sie.
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