Innovation an Bord

Auf der Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft zeigt sich die Industrie optimistisch

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Kein Kapitän mehr an Bord – das erste autonom fahrende Frachtschiff der Welt stach kürzlich in See. In drei bis fünf Jahren, meinte der Chef des Technologieunternehmens Yara, Svein Tore Holsether, werde das provisorisch errichtete Steuerhaus auf der »Yara Birkeland« ganz verschwunden sein, wenn der Frachter mithilfe von Radar, Kameras und Sensoren seine Touren autonom absolvieren könne. Das Schiff soll dann von einer speziellen Überwachungszentrale in der norwegischen Küstenstadt Horten kontrolliert und notfalls gesteuert werden.

Die Firma Yara und ihr Geschäftspartner, der global ausgerichtete Schiffsausrüster Kongsberg, dürften zu den Höhepunkten auf der Weltleitmesse Shipbuilding, Machinery & Marine Technology International Trade Fair (SMM) gehören. Zum 30. Mal trifft sich alles, was Rang und Namen in der maritimen Wirtschaft hat, auf dem Messegelände Hamburg. Die Koordinatorin der Bundesregierung für maritime Wirtschaft, Claudia Müller, hält das diesjährige Motto für »gut gewählt«: »Driving the maritime Transition – Antrieb für den maritimen Wandel«.

Passend zum Messemotto prangt, wie schon in der Vergangenheit, ein riesiger Propeller vor dem Messeeingang, den Mecklenburger Metallguss (MMG) gefertigt hat. Seit 1948 gießt MMG »Schiffsschrauben«, wie Landratten sagen. Jahr für Jahr verlassen Hunderte unterschiedlichster Größe das Werk in Waren an der Müritz und treiben Schiffe rund um den Globus an, darunter laut Firmenangaben »die größten und schnellsten ihrer Klassen«.

Tatsächlich scheint sich auf der Messe bei den 2000 Ausstellern aus 100 Ländern alles um Hochtechnologie zu drehen. Uwe Lauber, Chef von MAN Energy Solutions, dem Weltmarktführer für große Schiffsmotoren, strotzt förmlich vor Kraft. »Technisch ist alles machbar«, sagte er auf der Auftaktpressekonferenz am Dienstag, neue Motoren, die »grüne« synthetische Kraftstoffe schluckten, oder Brennstoffzellen etwa. Das Problem seien nicht Technik und Ingenieurskunst, sondern hohe Preise im Vergleich zu konventionellen Techniken, fehlende Kraftstoffe und mangelnde Kapazitäten in der Industrie, kurzum: der Markt.

Das zwischen »machbar« und »möglich« in der maritimen Wirtschaft ein riesiger Abgrund klafft – und nicht allein dort –, zeigen Praxisbeispiele, wie sie der deutsche Maschinenbauverband VDMA und die Fraunhofer-Institute während der Messe präsentieren. Ein Scanner kann Unterwasserhindernisse mithilfe laserbasierter Messtechnik untersuchen. Mit dem »Uli« können erstmals auch in trübem Wasser 3D-Messungen über Distanzen von mehreren Metern durchgeführt werden, etwa um Schiffswracks zu lokalisieren, die Fahrrinnen gefährden. Autonom ist bereits das Forschungsboot »Sea Lion« unterwegs. Kamerasysteme und verschiedene Sensoren können in Verbindung mit einem Unterwasserroboter Aufnahmen von Meeresböden, Schiffsrümpfen oder Kaiwänden erstellen.

Innovationen in der maritimen Wirtschaft und Forschung tragen mehr noch als in vielen anderen Wirtschaftszweigen die Möglichkeit des »Dual Use« in sich, sie können also sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden. Im Rahmen einer sogenannten Sicherheitskonferenz wird auf der SMM auch über politische Herausforderungen, technologische Entwicklungen und Cybersecurity (Computersicherheit) gesprochen. Neben Wissenschaftlern und Experten aus der Industrie kommen auf der Konferenz auch zahlreiche hochrangige Marineoffiziere zu Wort, so Nato-Admirale und der Oberbefehlshaber der ägyptischen Marine.

Grünen-Politikerin Claudia Müller hatte nach ihrem Antritt im Januar als Maritime Koordinatorin bald klar gemacht, dass der Marineschiffbau eine »Schlüsseltechnologie« bleibe, die entsprechend von der Bundesregierung gefördert werde. Dabei schwingt wie bei den Themen Klimaneutralität im Schiffsverkehr und Offshore-Windenergie die Hoffnung mit, einen modernen Schiffsbau in Deutschland und der EU zu erhalten.

Um Hightech geht es auch bei Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Das auf Marineschiffsbau spezialisierte Unternehmen befasst sich aktuell mit dem »explosiven Erbe« des Zweiten Weltkriegs. Noch immer liegen auf dem Meeresgrund zahlreiche Munitionsreste. Allein in deutschen Hoheitsgewässern sind es schätzungsweise 1,6 Millionen Tonnen. »Wir haben nur noch wenige Jahre, bis ein Großteil der Munition durchgerostet ist«, warnt TKMS-Manager Knut Baumann und wirbt für ein teilweise autonom agierendes Bergungssystem, mit dem Thyssenkrupp die tickenden Zeitbomben entsorgen will.

Unbemannte Systeme spielen auch militärisch eine zunehmende Rolle: Ares Shipyard etwa hat ein autonomes bewaffnetes Überwasserfahrzeug entwickelt. Auf der SMM wird die türkische Werft die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten des 70 Stundenkilometer schnellen »Ulaq« vorstellen. Welche Rolle grüne Treibstoffe für Marineschiffe spielen könnten, erläutert schließlich Andreas Junginger von MAN – und schlägt damit den Bogen zum Schlüsselthema der zivilen SMM: die »Maritime Transition« in eine emissionsfreie Schifffahrt. Die Messe geht am Freitag zuende.

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