Arm dran als Frau

Wanderausstellung über die soziale Benachteiligung des weiblichen Geschlechts

Kleider machen Löhne: die Wanderausstellung im Sozialministerium.
Kleider machen Löhne: die Wanderausstellung im Sozialministerium.

Auf eine Kleiderstange aufgereiht hängt die Berufsbekleidung für verschiedene Tätigkeiten. Eine Art Preisschild am Bügel vermerkt, was derjenige verdient, der sich diese Kittel und Westen überstreift. Der Installateur Werner Wasserbauer geht mit 3210 Euro brutto im Monat nach Hause, der Gärtner Dennis Daumengrün immerhin noch mit 2902 Euro. Dagegen muss sich Putzfrau Wilma Wischgut mit 1717 Euro begnügen und Altenpflegerin Beate Bindenwechsler soll mit 1613 Euro auskommen.

Zwar müssen Frauen nicht unbedingt die schlechter bezahlten Berufe ausüben. Sie können unter Umständen auch mehr Lohn erhalten als Werner Wasserbauer und Dennis Daumengrün. Aber dann müssen sie schon zur Büroleiterin in der Wirtschaft aufsteigen, wie es Klaudia Krämer gelungen ist, die für ihre verantwortliche Position dann aber auch gerade einmal schlappe 25 Euro monatlich mehr erhält als der einfache Installateur Wasserbauer.

Diese Fälle sind ausgedacht, allerdings nur halb. Denn sie geben die Zustände in der Gesellschaft ziemlich treffend wieder. »Für Frauen besteht auch in Brandenburg noch immer ein höheres Armutsrisiko als für Männer«, sagt Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). »2020 galten 14 Prozent der Brandenburgerinnen als armutsgefährdet, jede dritte in Vollzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frau bekommt lediglich einen Monatslohn im Niedriglohnbereich.«

Die Folgen beleuchtet eine Wanderausstellung, die schon im Potsdamer Bürgerhaus »Sternzeichen«, in den Mehrgenerationenhäusern »Inge« in Großräschen und »Krümelkiste« in Neuruppin, beim Arbeitslosenverband in Herzberg und im Mädchentreff in der Fouqué-Bibliothek in Brandenburg/Havel Station machte. Aktuell ist sie noch bis 30. September, montags bis freitags von 7 bis 17 Uhr, im Foyer des Potsdamer Sozialministeriums an der Hennig-von-Treskow-Straße 2-13 zu besichtigen. Vom Eingang aus gleich links im Flur sind die kreativen Exponate aufgereiht.

Da findet der Besucher beispielsweise einen Koffer mit einer Kunstblume und Lichtern, wie sie auf Friedhöfen zu finden sind. Ein schwarzer Flor informiert, was hier »in stiller Trauer« zu Grabe getragen wird: Gesundheit, Sicherheit, Wohlstand, Einkommen und Obdach.

Über einer Puppenstube hängen Fragen: Wer erzieht bei Dir zu Hause, wer wäscht, wer putzt, wer kocht? Und was ist später viel zu oft der Dank? Eine Rente, die zum Leben nicht ausreicht. Die Besucherinnen dürfen zur weiteren Ausgestaltung der Wanderausstellung beitragen. Ganz hinten ist eine Sitzecke arrangiert. Da kann man sich hinsetzen und ein Wohlstands-Mobile mit seinen Wünschen beschriften. »Gleichheit und gleiche Entwicklungschancen« steht auf einer der runden Holzscheiben, die sich kaum bewegen, weil hier drin kein Lüftchen weht.

Auf einem Sofa liegt das Buch »Glanz ohne Gold« zum Lesen bereit, herausgegeben vom Demokratischen Frauenbund, vom Landfrauenverband und vom Arbeitslosenverband. Es enthält Geschichten von Frauen aus dem Land Brandenburg und bildet die Grundlage für die Ausstellung. Das Vorwort schrieb Monika von der Lippe (Linke), als sie noch Brandenburgs Gleichstellungsbeauftragte war. Sie kündigt an, über Wege aus der Armut zu diskutieren, über Gerechtigkeit und über gesellschaftliche Notwendigkeiten. »Wir werden uns mit den Geschichten starker Frauen Mut machen, Dinge zu bewegen, die dem guten Leben aller dienlich sind.«

Das Sozialministerium stellte für beide Projekte – Ausstellung und Buch – insgesamt 53 800 Euro zur Verfügung. Die Wanderausstellung trage auf berührende Weise dazu bei, das Thema Frauenarmut stärker als bisher in den öffentlichen Fokus zu rücken, meint Ministerin Nonnemacher.

Verursacht wurde die soziale Not auch durch die Wende. Nach einer Zeit in der DDR, in der Frauen ein gutes Stück weit selbstbewusst und selbstbestimmt leben konnten, kamen die Massenentlassungen, bei denen es die Frauen oft zuerst traf, begleitet von der deprimierenden Parole: »Hauptsache, die Männer haben Arbeit.«

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