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  • Kriminalitätsbelastete Orte

Die Zahlen als Zeugen

Die Daten zu Polizeieinsätzen rund um den Görlitzer Park sprechen Bände

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

Viermal am Tag – so oft nimmt die Berliner Polizei im Schnitt Menschen wegen Drogendelikten fest. Und das allein in dem sogenannten kriminalitätsbelastetem Ort (kbO) rund um Görlitzer Park und Wrangelkiez. 784 Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz zählt die polizeiliche Statstik dort für das erste Halbjahr 2022. In 629 Fällen, also rund 80 Prozent, handelte es sich dabei ausschließlich um den Besitz von Cannabis oder anderen illegalen Substanzen.

Diese Zahlen stammen aus der Antwort der Innenverwaltung auf eine schriftliche Anfrage von Elif Eralp und Niklas Schrader, beide Mitglieder der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Schrader und Eralp stellten Fragen zu der Entwicklung von Kriminalität und Polizeipräsenz im Kiez. Denn die Polizei kann im »kbO« Wrangelkiez systematisch und verdachtsunabhängig Personenkontrollen durchführen. Vor zweieinhalb Jahren wurde die Brennpunkt- und Präsenzeinheit (BPE) speziell für Einsätze in diesen Bereichen rund um Warschauer Brücke, Görlitzer Park, Alexanderplatz, Kottbusser Tor und Hermannplatz gegründet. Diese Einheit ist täglich im Wrangelkiez unterwegs. Die Anfrage dient dem Zweck, den Nutzen der BPE zu überprüfen.

Die Antworten deuten auf etwas hin, was Aktivist*innen und Betroffene seit Jahren anprangern: Racial Profiling und die aktive Kriminalisierung von Schwarzen Menschen ohne sicheren Aufenthalt. So werden nach den Drogendelikten am zweithäufigsten »Straftaten gegen das Aufenthaltsgesetz / Asylgesetz / Freizügigkeitsgesetz« verzeichnet, 388 Fälle in sechs Monaten. Kontrolliert werden also insbesondere nicht-deutsche und überwiegend nicht-weiße Personen.

Obwohl es sich um kleine Strafbestände handelt, werden die Kontrollierten schnell mit Platzverweisen sanktioniert, zwischen 140 und 240 Mal pro Monat. Durchschnittlich elf Mal im Monat spricht die Polizei sogar Aufenthaltsverbote aus, die einer Person für mehrere Monate verbieten, ein bestimmtes öffentliches Areal zu betreten.

»Durch anlasslose Kontrollen und Aufenthaltsverbote werden Menschen aus dem Kiez verdrängt«, sagt Schrader gegenüber »nd«. »Die Polizei ist nicht das geeignete Mittel, die vielschichtigen Probleme im Wrangelkiez und Görlitzer Park anzugehen. Die Kontrollen führen eher zu Racial Profiling und Kriminalisierung von Personen of Colour.«

Diese Kritik kommt schon seit Längerem von der Initiative Wrangelkiez United. Sie gründete sich Anfang 2020, als die BPE den Kiez als »kriminalitätsbelasteten Ort« zu kontrollieren begann. »Wir wollen soziale Lösungen für soziale Probleme! Eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Menschen ohne Papiere oder ein Angebot an Drogenkonsumräumen rund um die Uhr würde die Situation hier im Kiez entspannen – anders als die meisten Polizeieinsätze«, heißt es von deren Sprecher David Kiefer.

Die Brennpunkteinheit der Direktion 5 (City) steht seit Anfang des Jahres in der öffentlichen Kritik. So ist bekannt, dass gegen zwei Beamte unter anderem wegen rassistischer Beleidigungen und Volksverhetzung bei Kontrollen ermittelt wurde. Für einen Polizeieinsatz Ende August in der Falckensteinstraße, bei dem der Kontrollierte das Bewusstsein verlor und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, war ebenfalls die BPE verantwortlich. Aus der Antwort auf die Anfrage geht nun hervor, dass im vergangenen Halbjahr in fünf Fällen behördliche Disziplinarverfahren gegen Dienstkräfte der Direktion 5 BPE eingeleitet wurden, von denen keines abgeschlossen sei.

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