Es werde Licht!

Speziallampen können gegen Herbstblues helfen

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Laune kann sich schon bessern, wenn das Licht nur hereingelassen wird.
Die Laune kann sich schon bessern, wenn das Licht nur hereingelassen wird.

Alles geht dahin. Blätter segeln von den Bäumen, die Eisdielen schließen, der Jahresurlaub ist aufgebraucht. Es wird kühler, die Tage sind kürzer und dunkler. Man wird müde, lustlos und möchte morgens am liebsten gar nicht aufstehen. Wer sich in dieser Beschreibung wiederfindet, steckt wahrscheinlich mitten in einem Herbstblues. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist ein Mangel an natürlichem Tageslicht.

Tipps gegen den Herbstblues

Outdoor-Aktivitäten: Spaziergänge bei Tageslicht bringen den Kreislauf in Schwung und kurbeln die Serotonin-Produktion an. Experten empfehlen mindestens eine halbe Stunde pro Tag.
Soziale Kontakte: Frust und Müdigkeit sind meist schnell vergessen, wenn man sich mit Freunden trifft.
Ernährung: Sich mit Süßigkeiten zu trösten, ist auf Dauer keine gute Idee. Kurzfristig mögen Schokolade und Kuchen zwar die Stimmung heben, langfristig erhöhen sie das Gewicht – und das ist meist deprimierend.
Wärme: Ein warmes Bad ist nicht nur wohltuend, sondern kann dank seiner entspannenden Wirkung die Stimmung heben.
Sport: Bewegung und Sport aller Art haben einen antidepressiven Effekt. Es muss nicht unbedingt Fußball oder Kardio-Fitness sein: Aktivitäten aller Art, auch Gartenarbeit, Fensterputzen oder Tanzen, wirken sich positiv aus. ast

»Licht kann antidepressiv wirken«, schreibt der Psychotherapeut und Schlafforscher Hans-Günter Weeß in seinem Buch »Die schlaflose Gesellschaft«. Das liegt an den Hormonen: »Am Tag wird durch ausreichend helles Licht die Bildung des Glückshormons Serotonin gefördert und die Produktion des stimmungsdämpfenden und schlaffördernden Melatonins gebremst.« Viel Dunkelheit am Tag macht also müde und traurig. Deprimierte Büromenschen, die es bei Helligkeit kaum nach draußen schaffen, können sich mit einer Tageslichtlampe behelfen. Allzu viel falsch machen kann man damit nicht, meinen Experten.

Licht hat eine Wirkung auf den Menschen, die über das rein Visuelle weit hinausgeht. Erst vor rund 20 Jahren entdeckten Wissenschaftler, wie Licht, das über das Auge aufgenommen wird, den Tag-Nacht-Rhythmus steuert: In der Netzhaut des Auges gibt es neben Stäbchen und Zapfen, die das Hell-Dunkel- und Farbensehen ermöglichen, auch Fotorezeptoren in den Ganglienzellen, die nichts mit dem Erkennen von Bildern zu tun haben. »Sie reagieren vor allem auf Licht aus dem blau-grünen Wellenbereich«, sagt der Neurobiologe Henrik Oster von der Universität zu Lübeck.

Die Informationen werden an den Hypothalamus im Gehirn weitergeleitet. Wird das Signal »Licht« gemeldet, stoppt die Produktion des Schlaf- und Grübelhormons Melatonin. »Licht liefert so ein entscheidendes Signal für das zirkadiane System«, erklärt der Experte. Ein verschobener Tag-Wach-Rhythmus spielt oft auch bei Depressionen eine Rolle. Tageslicht, das einen hohen Blaulichtanteil hat, wirkt sich also auf unterschiedlichen Ebenen auf die Psyche aus.

In der Tat ist Lichttherapie ein bewährtes Verfahren, das bei bestimmten Formen von Depressionen eingesetzt wird. Auch an der Forschungsklinik des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie München: »Wir besprechen im Team, bei welchen Patienten das gut klappen könnte«, berichtet Oberärztin Patricia Fonseca. In erster Linie handelt es sich um Menschen, die an einer saisonalen Depression leiden. Typischerweise tritt sie nur in der dunklen Jahreszeit auf, begleitet von einem starken Schlafbedürfnis und Heißhungerattacken. Betroffene haben oft Lust auf Süßes – offenbar versucht der Körper so, den Mangel an Glückshormonen auszugleichen.

»Bei einer Winterdepression kann man mit Lichttherapie einiges erreichen«, sagt die Ärztin. Aber auch bei nicht-saisonalen Depressionen, die wesentlich häufiger vorkommen, kann sich die Behandlung positiv auswirken. »Gerade bei Schlafstörungen, unter denen viele dieser Patienten leiden, kann sie unterstützend wirken.« Die Patienten setzen sich morgens vor eine Tageslichtlampe, um den Hormonstoffwechsel zu regulieren. Ergänzend dazu erhalten sie weitere Therapien.

Wissenschaftlich spricht einiges für die Lichttherapie. Vor gut zwei Jahren veröffentlichte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einen Bericht dazu. Die Auswertung von 21 Studien mit insgesamt rund 1400 Teilnehmern führte zu dem Schluss: »Es gibt Hinweise darauf, dass die Lichttherapie mit Lichtlampen im Vergleich zu Placebo-Behandlungen zumindest einen kurzfristigen Nutzen bei der Herbst-Winter-Depression bringen könnte.« Bei dieser Depression gilt die Lichttherapie auch laut ärztlicher Leitlinie als Behandlung der ersten Wahl.

Das Risiko von Nebenwirkungen scheint nach Angaben des IQWiG gering zu sein. Es liege »eher darin, dass Geld für etwas ausgegeben wird, das eventuell keinen Nutzen bringt«. Denn nicht jeder spricht auf Lichttherapie an. Der Schlafforscher Weeß empfiehlt in seinem Buch daher, nur Geräte anzuschaffen, die man nach vier Wochen zurückgeben kann. Hat sich bis dahin keine Wirkung eingestellt, gehöre man zu den Non-Respondern, die nicht auf eine Therapie ansprechen. Das ist etwa ein Drittel der Bevölkerung. Aus medizinischen Gründen spricht wenig gegen eine Selbstbehandlung – solange man nicht versucht, auf eigene Faust handfeste Depressionen zu bekämpfen.

Die Lampe sollte eine Leuchtstärke von mindestens 2500 Lux, besser aber 5000 bis 10 000 Lux haben. »Bei 10 000 Lux reicht es, sich morgens eine halbe Stunde davorzusetzen«, erklärt Chronobiologe Oster. »Man kann dabei ruhig frühstücken oder lesen, aber das Licht sollte ins Auge einfallen.« Bis eine Wirkung bemerkt wird, können einige Tage vergehen. Wichtig ist, dass die Lampe keine UV-Strahlung abgibt, da dies Haut und Augen schaden könnte. Außerdem sollten die Leuchten als Medizinprodukte gekennzeichnet und gemäß Gebrauchsanweisung genutzt werden, rät das Bundesamt für Strahlenschutz.

Blaues Licht ist in künstlichem Tageslicht dagegen grundsätzlich enthalten und trägt entscheidend zur aktivierenden Wirkung bei. Diese Tatsache kann Verbraucher verwirren, da Blaulicht vor ein paar Jahren stark in Verruf geraten war. Unter anderem wurde gemutmaßt, die Strahlung, die von Bildschirmen ausgeht, könne Zellschädigungen in der Netzhaut verursachen und langfristig eine Makuladegeneration nach sich ziehen.

Inzwischen geben Augenärzte aber vorsichtig Entwarnung. Laut einer Stellungnahme des Berufsverbands der Augenärzte (BVA) gibt es zumindest keine Belege dafür, dass Blaulicht von Computerbildschirmen das Risiko für Makuladegeneration erhöht. Dennoch rät BVA-Pressesprecherin Andrea Lietz-Partzsch: »Wer eine Augenkrankheit hat, sollte vorher ärztlich abklären, ob etwas gegen die Anwendung einer Tageslichtlampe spricht.« Gerade bei trockenen, gereizten Augen könnten sich die Symptome verstärken.

Auch in Wohnräumen ist es sinnvoll, auf passende Beleuchtung zu achten. Allzu grelles Licht im Bad kann unter Umständen kontraproduktiv sein: Wer es nachts benutzt, wird vielleicht wieder hellwach. Henrik Oster: »Schon ein, zwei Minuten in sehr hellem Licht führen dazu, dass die Melatoninproduktion gestoppt wird und man schlechter wieder einschlafen kann.«

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