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Wer hat’s erfunden?

In Südtirol gab und gibt es viele Kreative – eine Entdeckungstour

  • Stephan Brünjes
  • Lesedauer: 6 Min.
Zutaten für einen ganz natürlichen Lampenschirm
Zutaten für einen ganz natürlichen Lampenschirm

Knödel – na klar! Und Äpfel natürlich. Auch Speck fällt vielen beim Stichwort Südtirol ein. Aber der Elektromotor? Eher nicht. Dabei wurde er von einem Südtiroler Tüftler erfunden: Auf der Pariser Weltausstellung 1867 erhielt Johann Kravogl die Silbermedaille für sein »elektromotorisches Kraftrad« – einen der ersten Apparate, der Strom in – nun ja – ein wenig Rotation verwandelte. Zwei Jahre später die nächste, bahnbrechende Erfindung aus Südtirol: Ein gebrauchsfähiger Urtyp der späteren Schreibmaschine, 1869 zusammengeschraubt vom Zimmermann Peter Mitterhofer. Kein Wunder, dass auch die Vorstufe späterer Raketenantriebe von einem Südtiroler stammt: Max Valier konstruierte 1929 einen per Spiritus angetriebenen Raketenbob, in dem er mit 400 km/h über den zugefrorenen Starnberger See schoss.

Reisetipps
  • Touristische Infos: www.suedtirol.info
    li>Erleben: Besuche bei den drei genannten Südtiroler Tüftlern und Kreativen sind unkompliziert zu vereinbaren unter info@embawo.com, info@miyuca.it und info@58chocolate.com. Alle drei sprechen perfekt Deutsch.
  • Anreise: Entweder im Auto über Innsbruck und den Brennerpass. Vignettenpflicht in Österreich, auf Italiens Autobahnen ist Maut zu zahlen. Oder per Eisenbahn z. B. von München aus in Südtiroler Städte. Der Süd­tirol-Transfer (www.suedtiroltransfer.com) bietet Shuttle-Service von vielen Bahnhöfen in mehr als 9000 Hotels und Pensionen.

    Kravogel, Mitterhofer und Valier – an diese und andere Südtiroler Pioniere erinnern Straßen- und Schulnamen in Bozen, Brixen oder Meran. Drei Orte, in denen Besucher, umgeben von imposanten Bergpanoramen, gern wandern. Warum nicht mal abbiegen in die Werkstätten heutiger Tüftler und Erfinder, um ihnen über die Schultern zu schauen – etwa in der Brixener Schreinerei »EMBAWO«?

    Kaum eingetreten, dringt der Duft frisch geschnittener Hölzer in die Nase, das Sirren von Säge- und Schleifmaschinen in die Ohren. Durchs Kopfkino der Besucher flimmern sogleich Bilder von frisch zugeschnittenen Tischplatten und Schranktüren. Doch nix da, hier entstehen Damenhandtaschen aus Holz. Deren Erfinder und EMBAWO-Chef Norbert Öttl begrüßt mit wachen Augen und strahlendem Lächeln und bittet zuerst in den Ausstellungsraum nebenan.

    Dort warten Laura und Micki, Caren und Ben auf Bewunderer. Vier von vielen Handtaschen, deren Äußeres entweder komplett aus Holz gefertigt ist oder mindestens eine große, hölzerne Applikation enthält. Kaum entdeckt, nehmen die meisten Besucher eine nach der anderen in die Hand, wollen spüren, wie sich Holztaschen anfühlen. Warm, schmeichelnd und erstaunlich leicht liegen sie in der Hand – und bald wieder im Regal. Denn nun zieht der Star dieser Taschengalerie alle Blicke auf sich: Benedetta.

    Eine edle Clutch mit wellenförmig überschlagendem Handgriff. Für Norbert Öttl das ideale Stück, um zu erklären, wie er seine Holztaschen fertigt: »Fünf Furniere, je 0,6 Millimeter stark, zum Beispiel aus Nussbaum, Olive oder Palisander leime ich zusammen, biege sie anschließend und spanne sie in eine Form, sodass das Holz beim Trocknen des Leims den äußeren Körper der späteren Handtasche annimmt.« In der Werkstatt nebenan staffieren Näherinnen sie später mit Stoff- oder Lederinnenleben aus. »Kundinnen, die handwerklich geschickt sind, können bei uns einen Tag lang helfen und ihre persönlichen Taschen mitgestalten«, sagt Öttl.

    Die Erfindung der Holzhandtasche ist das Ergebnis von Öttls zwei Berufswegen: Der gelernte Möbeltischler wurde – mehr zufällig – Model, posierte jahrelang weltweit für Dolce & Gabbana, Armani & Co. Nach der Geburt seiner Tochter wollte Öttl raus aus dem rastlosen Model-Jetset, aber nicht wieder Möbel zusammenbauen. Und beschloss, mehr aus Handtaschen zu machen, die er oft auf Laufstegen gesehen hatte. Nach reichlich geschäftlichen Rückschlägen hat er jetzt vier Taschenläden in Brixen, Bozen und Meran.

    Ein paar Straßen weiter in Brixen die perfekte Tarnung: Eine Volksbank, dahinter ein winziges Fotostudio. Kein Hinweis darauf, dass hier eine der kreativsten Künstlerinnen Südtirols wirkt: Jasmin Castagnaro designt Lampenschirme aus Laub. Und zwar nach einem Geheimrezept, damit möglichst niemand ihre nicht ganz billige Erfindung als Billigprodukt kopiert. Wäre auch zu schade, denn die orange, golden oder tiefbraun changierenden, becherförmigen Lampenschirme sind wirklich einzigartig. Und hängen deswegen in ausgesuchten Restaurants und Hotels wie Finks Knödelküche in München oder dem Schloss Bruneck. Brixens Hotel Haller hat sogar Lampen aus eigenem Laub, zusammengekehrt rund ums Haus.

    »Ja, so kann jeder bei mir seinen Lampenschirm aus selbst gesammeltem Ahorn, Rotbuche oder Kastanie bestellen«, sagt Jasmin Castagnaro, »nach zwei Wochen ist er fertig.« In ihrer für Besucher offenen Miniwerkstatt stapeln sich Kartons mit vielen Blattsorten, alle präzise beschriftet. Etwa 200 Gramm davon braucht sie pro Lampe, verkleinert die knochentrockenen Blätter zunächst in den Händen und sortiert die Stängel raus. Die Blätterbrösel kommen dann in eine Bio-Harz-Mischung, die mit der Geheimformel. Schutzbrille auf, Stabmixer an, alles durchquirlen in Omas altem Kochtopf. Anschließend umfüllen in den von Jasmins Papa selbst gebastelten Vakuumtopf. »Der zieht die Luft aus der Masse, damit später keine Blasen im Lampenschirm sind«, erklärt die studierte Industriedesignerin, die früher Skibrillen und Kaffeemaschinen kreierte. Zuletzt kommt die Blätter-Harz-Mischung in eine becherartige Holzform, darin härtet der Lampenschirm aus. Wenn Jasmin mit großen Säcken durch die Straßen streift und Blätter einsammelt, dann hört sie oft ihren Spitznamen: »Schau, die Laab-Frau«, sagen die Leute – so gedehnt wie sie das Wort Laub aussprechen in Südtirol.

    »Hey, wo geht’s hier denn zu den scharfen Mädels?« Mit dieser verschwörerisch geraunten Frage und anzüglichen Handbewegungen stecken Männer schon mal den Kopf durch die Tür von René Romens kleinem Laden in Merans schmaler Ortnerpassage. Und sind schön reingefallen auf Renés quietschrosa Leuchtreklame. 5ifty8ight – ja, so könnte ein Stundenhotel heißen. Ist aber René Romens Schokoladenmanufaktur, kaum größer als eine kleine Küche. Hier, ein paar Meter abseits vom Rennsteig – Merans Flaniermeile – rührt, mixt und experimentiert der ausgebildete Patissier täglich von 7 bis 13 Uhr. Durch eigens eingebaute Bullaugen kann man ihm dabei zuschauen. Der Unterschied zu manch anderem hinter Glas wirkenden Künstler: René kommt raus zu interessierten Guckern und erklärt gerne, was er gerade produziert und warum seine Schokolade besonders ist.

    »Die Schoko-Tafeln großer Hersteller schmecken alle gleich«, sagt er, »weil Vanillin und Geschmacksverstärker drin sind.« Darauf verzichtet René Romen, nimmt vereinzelte, säuerliche Bohnen im Bouquet in Kauf und legt größten Wert darauf, dass die Rohstoffe für seine Schokoladen fair geerntet und gehandelt wurden. Wie er das über viele Zwischenhändler bis auf die Kakaoplantage in Südamerika garantieren will? Das seien gar nicht so viele, die meisten davon und auch viele Plantagenbesitzer sowie deren Produktionsmethoden kenne er, antwortet Romen.

    Ebenso präzise wie er hier offenbar arbeitet, hat er das Design seiner Tafeln im Stile der 1970er Jahre gestalten lassen. 5ifty8ight heißt die Marke, weil 58 die Hausnummer seines Elternhauses war. Und weil er fünf Jahre in London gearbeitet hat, insgesamt acht Jahre im Ausland. Darauf hatten seine Eltern gedrängt, wofür René ihnen dankbar ist, denn bei seinen Jobs in Berliner Hotels und Londoner Edelrestaurants hat er sich zum Patissier und Schokoladen-Experten entwickelt. Seine limitierten Schoko-Kollektionen verkauft er nur im steril-weißen Laden sowie in einigen Hotels und Geschäften Südtirols, nicht aber via Internet. »Zu unpersönlich«, sagt er und grinst, »ich locke die Leute lieber in mein Meraner Rotlichtviertel.«

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