Krankenhäuser klimatauglich machen

Kliniken produzieren enorme Mengen an Schadstoffemissionen. Das soll sich ändern

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.
Schon vor 20 Jahren klimapolitischer Vorreiter: das Hubertus-Krankenhaus der Diakonie in Steglitz-Zehlendorf. »Damals hat das noch keinen interessiert«, sagt Geschäftsführer Matthias Albrecht.
Schon vor 20 Jahren klimapolitischer Vorreiter: das Hubertus-Krankenhaus der Diakonie in Steglitz-Zehlendorf. »Damals hat das noch keinen interessiert«, sagt Geschäftsführer Matthias Albrecht.

Dehydrierung und Nierenerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Allergien und Lungenkrankheiten, neue Pandemien und mehr Todesfälle: Die Klimakrise und die mit ihr assoziierten Krankheitserscheinungen sind in den Kliniken der Hauptstadt längst angekommen. Oder, wie es der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG), Marc Schreiner, am Mittwoch bei einer Veranstaltung mit dem Titel »Zukunftsbild: Klimaschutz und Energiesicherheit im Krankenhaus« erklärt: »Der Klimawandel ist unser ungebetener Gast.«

Dabei spielen Kliniken nicht nur deshalb eine Rolle, weil sie zu den größten Emissionsverursachern gehören. Ein großes Krankenhaus produziert so viel Kohlendioxid wie eine deutsche Kleinstadt, für fünf Prozent des bundesdeutschen Emissionsaufkommens ist der Gesundheitssektor zuständig.

»107 Millionen Tonnen Kohlendioxid«, diese konkrete Zahl nennt der Vorsitzende der Geschäftsführung des landeseigenen Vivantes-Konzerns. Demgegenüber stehen im aktuellen Koalitionsvertrag der rot-grün-roten Landesregierung 31 Millionen Euro, die im Rahmen eines Green Hospital Programms bis 2024 eingesetzt werden sollen, um die angesichts jahrzehntelang fehlender Investitionen hoffnungslos überalterten Gebäude zu renovieren für die Herausforderungen der Klimakrise. Die Summe dürfte allerdings nicht ausreichen. »Für Klimaschutz notwendige Investitionen müssen fließen, die Zeit rennt«, macht auch Danckert abschließend in seinem Statement bei der BKG-Veranstaltung deutlich.

»Für den Transformationsprozess bleibt wenig Zeit, um den nötigen effektiven Beitrag des Gesundheitsbereichs zum Klimaschutz zu erreichen«, ergänzt BKG-Geschäftsführer Schreiner. Und natürlich sind das für Menschen im stationären und ambulanten Gesundheitsbereich alles keine Neuigkeiten, wie Schreiner sagt. Seit mehreren Sommern schließlich müssen angesichts von Temperaturen über 35 Grad Celsius in den Kliniken Räume gekühlt, muss zusätzliche Trinkwasserversorgung für Patient*innen bereitgestellt und auch gearbeitet werden. Denn nicht nur die zu Pflegenden, auch die Beschäftigten kämpfen mit den Hitzeperioden ebenso wie mit anderen Starkwetterereignissen. Sie müssten im Bereich nötiger energie- und klimatechnischer Neuerungen und Anpassungen unter anderem deshalb dringend einbezogen werden.

An einem Novembertag, für den 15 Grad angekündigt sind, mag sich die Aufheizung der Erdatmosphäre zwar nicht als ausnahmslos unangenehm darstellen. Aber dass ein endlos goldener Herbst mit T-Shirt-Temperaturen kein gutes Zeichen sein kann, selbst wenn er derzeit die Heizkosten schont, weiß auch Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne). Auf Initiative Berlins hin habe die Konferenz der Gesundheitsminister*innen beschlossen, sich des Themas »Klimakrise und Krankenhäuser« ab 2023 schwerpunktmäßig anzunehmen, erklärt Gote am Mittwoch. Im zuständigen Koordinierungsgremium hat Berlin den Vorsitz. Ein Gutachten des Deutschen-Krankenhaus-Institus, in dem die klimarelevanten Daten aller deutschen Kliniken erfasst werden, soll laut Gote die Grundlage für zu diskutierende Maßnahmen bilden. 63 Prozent aller Kliniken brauchen demnach eine klimatechnische Optimierung. Der höchste Bedarf bestehe bei Energie und Strom, denn noch kämen kaum erneuerbare Energien zum Einsatz, so Gote. Nur 24 Prozent der Häuser griffen bei der eigenen Stromproduktion auf Photovoltaik-Anlagen zurück, 54 Prozent auf Blockheizkraftwerke. Jedes zweite Haus benötige Optimierung bei der Wärmeversorgung.

»Vom Dach bis in den Keller« müssten zielgerichtete Maßnahmen erarbeitet und durchgeführt werden, betont die Gesundheitssenatorin: um den Primärenergiebedarf zu reduzieren, Dampf- und Blockheizkraftwerke sowie Wasseraufbereitungsanlagen zu installieren. Überhaupt: »Das Thema Wasser kommt in der Diskussion zu kurz«, sagt Gote, die Diplom-Geoökologin ist. Eigene Brunnen seien eine Möglichkeit, die Wasserversorgung von Krankenhäusern abzusichern. Neben baulichen und technischen Maßnahmen müsse zudem bei der Vermeidung von Abfällen, bei Begrünung, Beschattung, der Einführung von Pfand- und Mehrwegsystemen bis hin zur Entsorgung von Betriebsmitteln wie Narkosegasen vieles neu gedacht werden.

»Narkosegase pusten wir immerhin nicht mehr in die Luft«, erklärt der Geschäftsführer des Hubertus-Krankenhauses, Matthias Albrecht. Er stellt die zwei von ihm geleiteten Einrichtungen als gute Beispiele aus der Berliner Praxis vor. Schon vor 20 Jahren habe das von der Johannesstift-Diakonie betriebene Klinikum vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) das Gütesiegel »Energiesparendes Krankenhaus« erhalten. »Das hat damals noch niemanden interessiert«, sagt Albrecht.

Heute dürfte das anders aussehen. Die BKG hat daher am Mittwoch eine Homepage eröffnet, auf der Kliniken, die bereits klimatechnische Maßnahmen umgesetzt haben, beispielhaft für andere Häuser aufgeführt sind.

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