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Keine Aufträge für Billigheimer

Dass bald Tariflöhne bei Landesausschreibungen gelten, stößt in der Berliner Baubranche auf Kritik

Am 1. Dezember ist es soweit: In Berlin tritt die verpflichtende Tariftreue bei Landesaufträgen in Kraft. Bereits seit Mai 2020 gilt theoretisch das Gesetz, das Unternehmen im Rahmen von Landesaufträgen vorschreibt, Tariflohn zu bezahlen. Sogenannte Ausführungsbestimmungen, die es braucht, damit die Regelung wirksam wird, werden nun laut der Senatsverwaltung für Arbeit erlassen.

Doch das Gesetz, mit dem das Land nicht nur das Lohnniveau bei öffentlichen Aufträgen anheben, sondern auch den privaten Sektor unter Druck setzen will, sorgt in Wirtschaftskreisen für Bauchschmerzen. Kritik kommt von der Fachgemeinschaft Bau (FG Bau) in Berlin und Brandenburg, die Unternehmensinteressen aus der Baubranche vertritt.

»Schon jetzt ist es relativ viel Aufwand, sich in Berlin an einer Ausschreibung zu beteiligen«, sagt deren Hauptgeschäftsführerin, Manja Schreiner, auf einer Informationsveranstaltung der Fachgemeinschaft am Dienstag. Bis zu drei Tage könne es dauern, die seitenlangen Dokumente auszufüllen, in denen Unternehmen einzelne Kostenfaktoren für das ausgeschriebene Projekt kalkulieren und angeben müssen. Hinzu komme nun, dass für einzelne Beschäftigte die zutreffenden Tarifregelungen recherchiert werden müssen.

Bei aller Bürokratie bleibt unklar, ob man den Zuschlag erhält, wie Schreiner betont: »Es ist frustrierend, wenn man so viel Aufwand hat und dann drei, vier, fünf Mal hintereinander ohne einen Sieg nach Hause geht.« Die zusätzlichen Kosten seien immens, die Schlussfolgerung klar: Irgendwann sucht sich das Unternehmen einen neuen Auftraggeber. Schon jetzt beteiligen sich laut Schreiner gerade einmal 19 Prozent der Berliner Unternehmen an Ausschreibungen. In den vergangenen Jahren sei der Wert gesunken, man liege weit unter dem Bundesdurchschnitt von 40 bis 45 Prozent.

Die FG Bau befürchtet außerdem, dass mit der neuen Regelung die Tricksereien in der Branche zunehmen könnten. »Die Lage in Berlin ist leider, dass oftmals der Preis das entscheidende Kriterium ist«, sagt Schreiner. Unternehmen könnten entweder seriös kalkulieren und dabei den Kürzeren ziehen oder aber falsche Kostenangaben machen, um die Konkurrenz auszustechen. Die Stichproben, die das Land zur Kontrolle von Lohnzahlungen vornehme, reichten nicht aus.

Der arbeitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Damiano Valgolio, hält dagegen. »Für Unternehmen, die sowieso nach Tarif zahlen, gibt es keinen zusätzlichen Aufwand«, sagt er zu »nd«. »Alle anderen müssen eben gucken, welche zusätzliche Kosten für ihr Personal anfallen.« Kostenplanung sei bei jedem Projekt notwendig, der bürokratische Mehraufwand halte sich in Grenzen.

Dass sich im Land Berlin weniger Unternehmen als in anderen Bundesländern auf öffentliche Ausschreibungen bewerben, hängt laut Valgolio keineswegs mit einem vermeintlich komplizierten Verfahren zusammen. »Diese Zahlen sind überhaupt nicht aussagekräftig«, sagt der Linke-Politiker. »Berlin hat einfach nur sehr viele Soloselbständige.« Nehme man die entsprechenden Wirtschaftsbereiche einzeln in den Blick, stehe das Land nicht schlechter da als andere.

In erster Linie, so Valgolio, sorge das neue Gesetz dafür, »Billigheimer« aus öffentlichen Verträgen herauszuhalten. Was engmaschigere Überprüfungen angeht, sieht er keinen Dissens: »Wenn man solche Regeln aufstellt, muss man sie auch kontrollieren. Deswegen fordern wir als Linke auch, dass die Kontrollgruppe massiv verstärkt wird.« Im Koalitionsvertrag sei festgeschrieben, dass pro Jahr fünf Prozent der Berliner Unternehmen überprüft werden sollen.

Unterstützung erhofft sich Valgolio von konkurrierenden Unternehmen, genauso wie durch Hinweise von Beschäftigten. Auf der einen Seite weniger Bürokratie, auf der anderen Seite aber strengere Kontrollen zu fordern, hält er allerdings für »ein bisschen widersprüchlich«.

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