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Dialog unter tauben Maximalisten
Biden und Macron bedingt offen für Gespräche mit Moskau
Bei einem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron hat US-Präsident Joe Biden ganz vorsichtig die Bereitschaft zum Gespräch mit Russland verkündet. »Ich bin bereit, mit Herrn Putin zu sprechen, wenn seinerseits tatsächlich ein Interesse besteht und er nach einer Möglichkeit sucht, den Krieg zu beenden«, sagte er am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Washington. Biden machte aber auch deutlich, dass er derzeit »keine unmittelbaren Pläne habe, Herrn Putin zu kontaktieren«.
Was Biden mit »Krieg beenden« genau meinte, beantwortet die Nachrichtenagentur AFP so: Als Bedingung nannte Biden zunächst einen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow stellte sofort klar, dass ein Truppenrückzug aus den eroberten und annektierten Gebieten nicht infrage komme. Laut Peskow ist Russlands Präsident Wladimir Putin bereit für Gespräche, um sicherzustellen, dass Russlands Interessen respektiert werden. Aber »die USA erkennen die neuen Territorien nicht als Teil der Russischen Föderation an«. Dieser Standpunkt Washingtons »verkompliziert« mögliche Gespräche, so Peskow.
An diesem Punkt scheint jeder Gesprächsversuch sinnlos: Russland will eroberte Gebiete nicht wieder rausrücken, die Ukraine nicht auf diese Gebiete verzichten. So mündet schon der Gesprächsversuch in einen Dialog unter tauben Maximalisten, die die Interessen der Gesprächspartner nicht hören wollen und Vorbedingungen stellen, von denen sie genau wissen, dass die andere Seite diese niemals akzeptieren wird. Also nur heiße Luft, was Biden beim Treffen mit Macron von sich gab?
So einfach ist es wohl doch nicht, denn Frankreichs Staatspräsident Macron hatte sich am Vortag weitaus konzilianter gegeben und in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview mit dem US-Sender ABC angekündigt, »in den kommenden Tagen« mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sprechen zu wollen. Verhandlungen über ein Ende des Kriegs seien »noch möglich«. Seine »Überzeugung und pragmatische Herangehensweise« sei es, dass mit den politischen Verantwortlichen eines Landes gesprochen werden müsse, sagte Macron. Diese Haltung hatte er bereits zu Beginn der russischen Militärinvasion an den Tag gelegt – ganz im Gegensatz zu anderen westlichen Staatschefs – und war dafür kritisiert worden. Sicher war es kein Zufall, dass er diese Position im US-TV-Sender wiederholte, um, so ist anzunehmen, auf die US-amerikanische Öffentlichkeit einzuwirken.
Wenn in die auf Eis gelegten Gespräche zwischen Kiew und Moskau Bewegung kommen soll, müssen die Vorbedingungen fallen. Die Bedingungen für Diplomatie scheinen günstig. In seinem ersten Telefonat mit Wladimir Putin seit Mitte September hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf eine möglichst schnelle diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg gedrängt, forderte aber laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit den Rückzug der russischen Truppen. Wie uneins man sich in Europa über den Ukraine-Krieg ist, zeigte am Freitag auch das Treffen der Außenminister der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE): Eine gemeinsame Resolution kam nicht zustande. Mit Agenturen
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