Nachdenkseiten verlieren Gemeinnützigkeit

Plattform-Gründer Albrecht Müller kritisiert Entscheidung der Finanzbehörden

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einer etwas ungewöhnlichen Bitte wandte sich die Onlineplattform Nachdenkseiten (NDS) kürzlich an ihre Leser*innen. Diese wurden gebeten, möglichst erst im neuen Jahr für die Plattform zu spenden. Der Hintergrund der Bitte: Am 24. Oktober war dem Trägerverein der NDS vom zuständigen Finanzamt Landau mitgeteilt worden, dass zum Jahresende die Gemeinnützigkeit endet und, dass die am 31. Dezember 2022 noch vorhandenen Mittel nach den Vorstellungen des Finanzamtes nicht mehr für die NDS verwandt werden dürften, sondern nur für andere gemeinnützige Zwecke. Der Gründer und Herausgeber der NDS, der Ökonom Albrecht Müller, spricht gegenüber »nd« von einer aufgezwungenen Zweckentfremdung der Gelder, die schließlich ausdrücklich für die NDS gespendet worden seien.

In dem »nd« vorliegenden Schreiben des Finanzamtes wird zur Begründung des Entzugs der Gemeinnützigkeit erklärt: »Der Verein verfolgt mit dem Betrieb dieser Internetseite weder die Volksbildung noch einen anderen in § 52 AO genannten gemeinnützigen Zweck.« Das weist Müller im Gespräch mit dem »nd« zurück. »Die Nachdenkseiten haben oft im Konflikt mit anderen Medien richtig informiert und gewissenhaft analysiert und damit in wichtigen Bereichen fundamentale Basisarbeit für die Volksbildung geleistet«. Die 2003 gegründeten Plattform hat den Anspruch, Alternativen zum neoliberalen Wirtschaftsdogma aufzuzeigen.

Die NDS sind eng mit den Ökonomen Albrecht Müller verbunden. Der Sozialdemokrat war Planungschef im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt und von 1987 bis 1992 Bundestagsabgeordneter der SPD. Seit mehr als 30 Jahren kritisiert er, dass die SPD den wirtschaftsliberalen Dogmen keinen Widerstand mehr entgegensetze. Die auf den NDS geäußerte Kritik fand auch außerhalb Plattform zunächst viel Beachtung, zum Beispiel im Umfeld des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac und auch bei Politiker*innen der LINKEN.

Es gibt jedoch seit geraumer Zeit auch vielfältige Kritik an den NDS. Linke Kritiker*innen monieren zum Beispiel, dass Müller die sozialdemokratische Politik der 1970er und 1980er Jahre verkläre. Damals sei jedoch auf vielen Feldern die Grundlage für die wirtschaftsliberale Politik gelegt worden. Die Kritik vor allem aus linksliberalen Kreisen wurde dann noch schärfer, weil auf den NDS auch Kritikerinnen der Corona-Politik zu Wort kommen. In den letzten Monaten setzten sich zudem Autor*innen auf den NDS für eine Verständigungspolitik mit Russland ein. Daraufhin behauptete etwa der linksliberale Journalist Matthias Meisner in einem Tweet, die NDS würden Propaganda für den Kreml machen, Coronaleugner zu Wort kommen lassen und gar Propaganda für Rechte verbreiten. Den Vorwurf weißt Albrecht Müller zurück. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht einmal eine irgendwie rechte Position vertreten«, erklärte er.

Im Gespräch mit dem »nd« gibt sich Müller überzeugt, dass die NDS auch ohne die Gemeinnützigkeit überleben, weil es von solidarischen Leser*innen unterstützt werde. Aktuell würden Anwält*innen prüfen, ob der Verein juristisch gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit vorgeht. Man wolle sich aber mit solchen Auseinandersetzungen nicht von der Kernaufgabe, der Kritik des Neoliberalismus ablenken lassen. Müller verweist darauf, dass die globalisierungskritische Organisation Attac bereits seit sieben Jahre juristisch gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit kämpft. Die Sache liegt jetzt beim Bundesverfassungsgericht.

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