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Wo bleibt die internationale Solidarität?

Falsche Diskussionen und Prioritäten in der Klimabewegung

  • Lakshmi Thevasagayam
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit einigen Wochen übt die Türkei eine neue Dimension ihres Angriffskrieges in Nordostsyrien an den Kurd*innen aus. Eine neue Dimension, weil der Krieg und die ethnische Ausrottungstaktik jetzt die direkte Form von Luftangriffen annehmen, sich allerdings in eine lange grausame Tradition von verschiedenster Kriegsführung einreiht.

Eine dieser Kriegsführungen ist die ökologische Zerstörung von Kurdistan: Dämme wurden direkt am Euphrat vor kurdische Gebiete gebaut, um dort die Wasserversorgung so einzuschränken, dass die Felder nicht bewässert werden können und 2,5 Millionen Menschen in Lebensmittelarmut gezwungen sind. Zusätzlich werden schon seit Dutzenden von Jahren mehrere Brunnen in Nordkurdistan gebaut, um die Grundwasserlevel zu senken, was zu einem Waldsterben und noch schwereren Zugang zu Trinkwasser geführt hat. Seit 2000 nutzt die Türkei chemische Waffen, um kurdische Revolutionäre und Zivilisten anzugreifen und umzubringen. Sie bringen jedoch nicht nur Menschen um, sondern vergiften auch die gesamte Umgebung, die Tiere, Pflanzen, Wasser, Böden.

Lakshmi Thevasagayam
Lakshmi Thevasagayam
Lakshmi Thevasagayam ist Ärztin, Klima- und Gesundheitsaktivistin und engagiert sich in der Antikohlebewegung im Rheinland.

Jetzt also ein neuer Angriff auf die kurdischen Regionen, auf eine der am hellsten leuchtenden sozial-ökologischen Projekte in der Region, Rojava. Doch der Aufschrei in Deutschland bleibt aus. Welche Antwort Deutschland auf diesen Krieg hat, zeigte sich zynisch klar in Person von Innenministerin Nancy Faeser: Dass sich die »Sozialdemokratin« direkt nach dem Start des Angriffskriegs mit dem Diktator und Warlord Recep Tayyip Erdogan traf, ist ein Dammbruch. Die Antwort der »Klimabewegung«: nicht existent. Die beschäftigt sich lieber immer noch mit der Diskussion um Konsumkritik und stellt diese immer wieder in den Mittelpunkt ihres Aktionismus. Was dadurch bei den Menschen ankommt, ist, dass immer wieder Arbeiter*innen eingeredet wird, sich mal bitte mal schlecht zu fühlen auf dem Weg zur Arbeit im Auto, dass dem Bildungsbürgertum beigebracht wird, dass man* keine Kunst mehr genießen darf, ohne dabei an die Klimakatastrophe zu denken, während eine »militante Veganerin« auf Tik-Tok Kinder mit Rassismuserfahrung anschreit, dass Fleischkonsum vergleichbar sei mit dem Sklavenhandel von Menschen in der Kolonialzeit.

Diese teils menschenverachtenden Diskussionen feuern nur das an, was der Kapitalismus schon lange von uns will: uns individuell und allein in der Verantwortung für unsere Lebensgrundlagen zu fühlen, uns gegenseitig dafür zu geißeln, wer mehr und wer weniger verbraucht, wer sich leisten kann, vegan zu sein, wer es schafft, sich ein E-Bike oder einen Tesla zu holen. Dabei wird uns das allein garantiert nicht aus der Krise bringen, sondern stattdessen dazu führen, dass der Avocadotoast-Hype jetzt schon zu Wasserknappheit in Mexiko führt und die Lithiumgewinnung im Kongo für die Elektroautos oder Solarpanels zu Kinderarbeit unter lebensbedrohlichen Bedingungen fördert.

Die ökologisch-soziale Revolution in Rojava lehrt uns, wie es anders geht: Wie in der Gemeinschaft, im Kollektiv Klimagerechtigkeit erreicht werden kann, wie ein Leben mit der Natur aussieht und nicht Natur ein Konstrukt ist, welches man* ausbeuten kann. Wie wir als Menschheit lernen können, die wichtigsten Dinge zu priorisieren, für die wir Strom brauchen, statt alles nur weiterzuführen, wie es der Kapitalismus gerade tut, nur in »grün«.

Es gilt als Klimabewegung in Deutschland die internationale Solidarität zu üben, statt nur über sie zu reden. Und sich nicht opportunistisch hinter »Jin, Jiyan, Azadi« (»Frau, Leben, Freiheit«) zu stellen, sondern den Kampf mit allen Mitteln zu unterstützen, wo der Spruch geboren ist.

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