Brennstoff für die Fackel von Schwedt

Die PCK-Raffinerie kommt angeblich ab Januar auch ohne russisches Öl klar

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Tag X rückt näher. Der 1. Januar 2023. Dann soll wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine kein russisches Rohöl mehr nach Deutschland importiert werden. In den vergangenen Wochen und Monaten ging die Angst um. Angst wegen der 1200 Arbeitsplätze in der PCK-Raffinerie im uckermärkischen Schwedt, die seit den 60er Jahren ihr Öl aus der Erdölleitung »Druschba« (Freundschaft) bezieht, die mittlerweile bis ins westsibirische Gebiet Tjumen verlängert ist. Angst aber auch, dass an den Tankstellen der Sprit extrem teuer werden oder ganz ausgehen könnte.

Die PCK-Raffinerie hat nun gute Nachrichten für ihre Beschäftigten und für die Autofahrer in weiten Teilen Ostdeutschlands und in Westpolen, die Diesel und Benzin aus Schwedt tanken. Es kommt Öl von den Ostseehäfen Rostock und Gdańsk und anscheinend auch aus Kasachstan. »Das Rohöl über Rostock für den Mindestfall ist beschafft, zusätzlich haben wir unsere Bestände maximiert«, erklärte Ralf Schairer, Sprecher der PCK-Geschäftsführung, am Montag nach einer Sitzung der Taskforce Schwedt in der Potsdamer Staatskanzlei. »Unsere Gesellschafter bemühen sich, zusätzliche Mengen aus Kasachstan und aus dem polnischen System zu beschaffen. Ich bin mir sicher, dass wir die Raffinerie betreiben und die Region mit Kraftstoffen und Wärme versorgen können.«

Der Fokus liegt auf dem Rohstoff, den Öltanker zum Hafen Rostock bringen. Von dort wird er durch eine Leitung nach Schwedt gepumpt, die in den 80er Jahren aufgebaut wurde. Damals fürchtete die DDR wegen der Unruhen in Polen – Stichwort: Gewerkschaftsbewegung Solidarność –, Schwedt könnte vom Zufluss sowjetischen Erdöls abgeklemmt werden, und bereitete sich vorsorglich auf einen solchen Ernstfall vor.

»Das kalte Wetter der letzten Tage zeigte uns noch einmal Schwachstellen auf, aber darauf werden wir uns einstellen«, versicherte Schairer. »Für eine langfristige verlässliche Versorgung sehen wir den Bau einer neuen Pipeline nach wie vor als die beste Investition in die Zukunft. Wichtig ist eine zügige Entscheidung im neuen Jahr. Darauf arbeiten wir hin, und wir hoffen dabei auf die Unterstützung der Politik.«

Die Taskforce hatte ihre erste Sitzung am 3. November. Jetzt am Montag traf sich Rolf Schairer mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habecks Staatssekretär Michael Kellner (Grüne), mit Schwedts Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD), Landrätin Karina Dörk (CDU) und anderen.

Durch polnische Zusagen sei eine Auslastung der Raffinerie zu etwa 70 Prozent über den Jahreswechsel hinaus gesichert, hieß es. Öl aus Kasachstan könnte diese Quote noch erhöhen, erklärte Staatssekretär Kellner. In der vergangenen Woche habe er mit einer kasachischen Delegation verhandelt. Es seien hierbei kleinere Mengen schon in Aussicht. »Ich bin optimistisch, dass größere Mengen kommen werden«, beteuerte Kellner.

Er sieht keinen Grund, sich wegen der Benzinpreise Sorgen zu machen. Natürlich erlebe der Ölmarkt zuweilen Preissprünge, musste Kellner einräumen. »Da gibt es nie 100-prozentige Sicherheit.« Im Moment sei Benzin in der Region jedoch im Durchschnitt sogar noch günstiger zu haben als anderswo in Deutschland, will Kellner festgestellt haben. Er rechne nicht mit großen Ausschlägen, wenn die PCK-Raffinerie ab Januar ohne den Zustrom von Öl aus Russland auskommen muss.

Alles könne er nicht verraten. Einiges sei Geschäftsgeheimnis der PCK-Raffinerie. Aber: »Ich kann so viel sagen: Die Tanks sind gut gefüllt.« Es sei nicht vorgesehen, die strategischen Reserven der Bundesrepublik freizugeben. Wenn man Kellner Glauben schenkt, so wäre dies auch nicht erforderlich. »Die zusätzlichen Ölmengen aus Polen können für eine komfortable Auslastung sorgen«, sagte er. »Damit tragen wir unserem Ziel Rechnung, möglichst schnell unabhängig von russischen Energielieferungen zu werden und gleichzeitig die Versorgungssicherheit für unser Land gewährleisten zu können.« Angeblich ist auch das Problem gelöst, dass die Anlagen in Schwedt für die hohe Qualität russischen Erdöls ausgelegt sind. Man habe Vorkehrungen getroffen, um bestmöglich auf die neue Situation vorbereitet zu sein, die Anlagen ertüchtigt und unterschiedliche Rohölsorten aus unterschiedlichen Herkunftstaaten erfolgreich verarbeitet, heißt es.

Eine Art Garantie möchte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) allerdings höchstens für die Versorgung mit Diesel und Benzin abgeben. Ob die Raffinerie auch Nebenprodukte wie Bitumen in gewohnter Menge liefern könne, vermag er nicht zu sagen.

Schwedts Bürgermeisterin Hoppe sagte zu den angekündigten Öllieferungen: »Es ist eine gute und wichtige Nachricht, so kurz vor Weihnachten für die Menschen der Stadt und insbesondere für die Beschäftigten der Raffinerie.«

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