Serbien gibt sich kampfbereit

Konflikt im überwiegend von Serben bewohnten Norden des Kosovo eskaliert

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Ukraine-Krieg strahlt auf den Balkan aus: Mit Moskaus Rückendeckung heizt Serbien die latenten Spannungen mit dem Kosovo an. Präsident Aleksandar Vučić behauptet, die Regierung in Pristina habe »die Krise provoziert«, um die im Kosovo lebenden Serben »angreifen, verhaften und malträtieren zu können«. Dagegen gehe »unser Volk« auf die Barrikaden. Es könne »den Terror und die Grausamkeiten nicht mehr länger ertragen«, so Vučić, der sich in Sachen Ukraine-Krieg trotz westlichen Drucks nicht gegen Russland in Stellung bringen lässt.

Zuletzt ordnete der serbische Innenminister Bratislav Gašić die »volle Kampfbereitschaft« für die Polizei und andere Sicherheitseinheiten an. Gemäß ihrem »Einsatzplan« seien sie nun der Armee unterstellt. Diese wiederum verlegt bereits seit Wochen starke Truppenverbände an die Grenze zur ehemaligen südserbischen Provinz Kosovo. Man werde »alle Maßnahmen« ergreifen, um »das serbische Volk im Kosovo zu schützen«, hieß es aus Belgrad.

Die Aufgaben, die die serbische Armee erhalten habe, seien »präzise, klar« und würden »vollständig umgesetzt«, erklärte Generalstabschef Milan Mojsilovic, der dieser Tage grenznah aufgestellte Truppen inspizierte. Die »komplizierte und komplexe« Situation dort erfordere »in der kommenden Zeit die Präsenz« serbischer Truppen. In den vergangenen fünf Jahren hatte Vučić die Streitkräfte bereits sechsmal in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen lassen – bislang ohne gravierende Folgen. Daher fragt sich, ob Serbiens Regierungschefin Ana Brnabić übertreibt, wenn sie behauptet: »Wir sind wirklich am Rande bewaffneter Konflikte.«

Berichtet wird aktuell von nächtlichen Attacken auf kosovarische Polizisten, einem Angriff auf Einsatzkräfte der EU-Mission Eulex und von Schüssen, die möglicherweise Soldaten der Sicherungstruppe KFOR galten. Die 3700 von der Nato im Kosovo stationierten KFOR-Soldaten bemühen sich vor allem mit den Mitteln der Diplomatie, den Frieden in der Region aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig jedoch bildet die Nato vor Ort – mit Hilfe der Bundeswehr – die kosovarischen Streitkräfte weiter aus.

Kosovo mit seiner mehrheitlich albanischen Bevölkerung hatte 2008 – nachdem die Nato das Territorium völkerrechtswidrig erobert und Serbien ins Chaos gebombt hatte – seine Unabhängigkeit erklärt, die aber von Belgrad bis heute nicht anerkannt wird.

Gründe für eine Zuspitzung der Lage gibt es indes immer. Bereits im Herbst hatten die Spannungen zugenommen. Damals ging es um die Einführung einheitlicher Kfz-Kennzeichen. Aktuell wird die Verhaftung eines serbischstämmigen Polizisten ausgeschlachtet. Die vor allem in und um die nordkosovarische Stadt Mitrovica lebenden Serben verließen alle Institutionen des Kosovo und gaben als Grund dafür an, von den Behörden schikaniert worden zu sein. Belgrader Politiker bestärken die serbische Minderheit, zu der rund 50 000 Menschen gerechnet werden, immer wieder in ihrem Bestreben, sich der Autorität Pristinas zu widersetzen.

In diesen Tagen sind die Spannungen erneut eskaliert. Serbische Online-Netzwerke berichteten bereits von angeblichen Kämpfen, die sich Serben in und um Mitrovica mit kosovarischen Sicherheitskräften lieferten, als diese versucht hätten, von Serben errichtete Barrikaden zu räumen.

Für zusätzlichen Zündstoff sorgte, dass man dem Patriarchen der serbisch-orthodoxen Kirche, Porfirije Perić, die Einreise in den Kosovo verweigerte. Er habe eine Friedensbotschaft für das serbisch-orthodoxe Weihnachten überbringen wollen, das am 7. Januar gefeiert wird, sagte der mächtige Kirchenführer. Präsident Vučić traf sich nach der Einreiseverweigerung umgehend mit dem Patriarchen und sicherte ihm Unterstützung zu.

Kosovos Premier Albin Kurti kam derweil am Wochenende mit KFOR-Kommandeur Generalmajor Angelo Michele Ristuccia und dem Chef der EU-Mission Eulex, Lars-Gunnar Wigemark, zusammen. Danach interpretierte zumindest Kurtis Büro »die gemeinsame Schlussfolgerung« offenbar etwas einseitig. Man sei übereingekommen, »dass die Bewegungsfreiheit wiederhergestellt werden und dass es auf keiner Straße Barrikaden geben sollte«, hieß es von dort.

Die KFOR dagegen äußerte sich zurückhaltend. »Es ist wichtig, dass alle Beteiligten jegliche Rhetorik oder Handlungen vermeiden, die Spannungen verursachen und die Situation eskalieren können«, hieß es in einer Erklärung. »Wir erwarten von allen Akteuren, dass sie provokative Machtdemonstrationen unterlassen und nach der besten Lösung suchen, um die Sicherheit aller Gemeinschaften zu gewährleisten.«

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