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In Myanmar feiert nur die Junta

Das Militär beging den Unabhängigkeitstag mit einer großen Parade

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit der Abnahme einer großen Militärparade in der Hauptstadt Naypyidaw hat Myanmars starker Mann Min Aung Hlaing den 75. Jahrestag der Unabhängigkeit des südostasiatischen Landes begangen. Dahinter steckt doppelte Symbolik: Zum einen war es tatsächlich die vom (im Juli 1947 ermordeten) Nationalhelden Aung San angeführte Armee, die damals wesentlichen Anteil am Erreichen der Freiheit von der britischen Kolonialmacht hatte, nachdem die japanischen Besatzer vertrieben waren. Zum anderen übernahm das Militär seit dem ersten Putsch unter Aung Sans früherem Kampfgefährten Ne Win 1962 immer wieder die politische Macht.

Die von Min Aung Hlaing angeführte Junta regiert seit dem 1. Februar 2021, als die zivile Ministerriege unter Staatsrätin Aung San Suu Kyi abgesetzt wurde – kaum drei Monate, nachdem die Nationale Liga für Demokratie (NLD) der Friedensnobelpreisträgerin von 1991 und Tochter Aung Sans einen erneut überragenden Wahlsieg eingefahren hatte. Suu Kyi selbst ist seither wie viele andere in Haft. Am 30. Dezember wurde ein weiterer Schuldspruch mit einer siebenjährigen Haftstrafe gegen sie gefällt, womit sie nun insgesamt 33 Jahre abzusitzen hätte.

Die vom Regime kontrollierte Justiz hat allein in den vergangenen Wochen etliche weitere Urteile gefällt. Zehnmal war dabei die Todesstrafe verhängt worden, darunter gegen sieben Studierende und einen Lehrer, die sich der zivilen Widerstandsbewegung gegen den Putsch angeschlossen hatten. Damit droht inzwischen 139 Menschen die Hinrichtung. Die ersten vier Vollstreckungen am 25. Juli zeigen den Ernst der Lage.

Zu Beginn des neuen Jahres nahm der Juntachef eine ganze Reihe fragwürdiger Ordensverleihungen vor. Zu den Geehrten gehörte nicht nur der erste Militärdiktator Ne Win, sondern auch die Generäle Sein Lwin und Saw Maung. Sein Lwin gilt als »Schlächter von Rangun« wegen des brutalen Vorgehens gegen die vor allem von Studierenden getragene Volkserhebung vom 8. August 1988. Auch Saw Maung als damaliger Armeechef war dafür mitverantwortlich und putschte sich als Anführer einer neuen Militärjunta (SLORC) wenige Wochen später an die Macht. Genauso umstritten wie diese posthumen Ehrungen ist die Auszeichnung von U Wirathu, einem ultranationalistischen Mönch, der wegen seiner Hasstiraden gegen die muslimische Minderheit berüchtigt ist.

Militärparaden und Ordensverleihungen können aber kaum darüber hinwegtäuschen, dass das Land 75 Jahre nach seiner Unabhängigkeit zutiefst zerrissen ist. Die Junta hat nur noch über wenige Gebiete, vor allem im Zentrum rund um Naypyidaw und die größte Metropole Yangon (vormals Rangun), komplette Kontrolle. Der Rest, nach Schätzungen 83 Prozent der Landesfläche, ist mindestens heftig umkämpft, mit Rebellengruppen der diversen ethnischen Minderheiten sowie den PDF-Streitkräften des demokratischen Widerstands. Allein in den Tagen rund um den Jahreswechsel soll das Regime 40 Soldaten verloren haben, wurde vermeldet.

Die zivile Gegenregierung (NUG), das provisorische Parlament (CRPH) und 20 andere Gremien und Gruppen des Widerstands haben in einer gemeinsamen Neujahrserklärung eine weitere Intensivierung des »Volkskriegs« verkündet und zugleich die Vision für einen Ausweg aus der gegenwärtigen Situation unterbreitet, die von Hunderttausenden Inlandsgeflüchteten gekennzeichnet ist. Dazu gehört eine Verhandlungsofferte an die Junta, die sich zuvor aber von Min Aung befreien müsse. Dieser hat derweil zum Unabhängigkeitstag eine Massenamnestie verkündet. Insgesamt gut 7000 Inhaftierte sollen freikommen, hieß es am Mittwoch. Zwar sind darunter einige Journalist*innen sowie mit Ex-Religionsminister Aung Ko, der Autorin Than Myint Aung sowie dem Schriftsteller und früheren NLD-Informationschef Htin Lin Oo ein paar Vertreter der Vorgängerregierung. Die allermeisten politischen Gefangenen bleiben aber in Haft. Seit dem Putsch hat das Militärregime nach Zählung der Gefangenenhilfsorganisation AAPP mehr als 16 800 Personen inhaftiert, von denen bis Dienstag aber erst knapp 3500 wieder freikamen.

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