Solidarität mit indigener Bevölkerung

Der Widerstand gegen den umstrittenen australischen Nationalfeiertag nimmt zu

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.

Am »Australia Day« feiern die Australier all das, auf das sie stolz sind: das so typische »mateship«, die Kameradschaft und Fairness. Viele gehen an den Strand, besuchen Hafenparaden, Feuerwerke oder grillen mit Familie und Freunden. Der Feiertag könnte eine rundum positive Angelegenheit sein – wäre da nicht das Datum, auf das er fällt. Denn der 26. Januar markiert auch den Tag vor 235 Jahren, an dem die »Erste Flotte«, die britische Sträflinge nach Australien brachte, in der Sydney Cove landete und Kapitän Arthur Phillip den britischen Union Jack hisste.

Vor allem die indigene Bevölkerung nimmt Anstoß an diesem Datum, das in ihren Augen die Invasion der Briten in ihrem Land markiert und damit den Beginn von Tod, Rassismus und Zerstörung. Die Debatte um den Feiertag wird in Australien seit Jahren geführt, doch in diesem Jahr zeigen deutlich mehr Firmen und Institutionen ihre Solidarität mit den sogenannten »First Nations« – also den Menschen, die den Kontinent als erstes bevölkerten.

Die University of Wollongong, etwa eineinhalb Autostunden südlich von Sydney gelegen, gibt ihrem Personal beispielsweise die Möglichkeit, am 26. Januar zu arbeiten, anstatt freizunehmen. »Für unsere First-Nations-Kollegen ist es kein Tag zum Feiern – sie sehen ihn als Invasionstag«, wurde die Vizekanzlerin der Universität, Patricia Davidson, in der australischen Ausgabe des »Guardian« zitiert. Arbeitnehmer, die sich dafür entscheiden zu arbeiten, können stattdessen am 27. oder 30. Januar Urlaub nehmen.

Auch einige große Unternehmen haben ähnliche Richtlinien eingeführt: Das Telekommunikationsunternehmen Telstra und das Öl- und Gasunternehmen Woodside erlauben es ihren Mitarbeitern, entweder den gesetzlichen Feiertag oder den Urlaub an einem anderen Tag ihrer Wahl zu nehmen. Auch die Consulting-Firmen Deloitte, KPMG und Ernst & Young haben bereits ähnliche Richtlinien, ebenso der Bergbaugigant BHP, der Superfonds Australian Ethical und der australische Fernsehsender Channel 10.

Davidson vermutet, dass auch noch andere Universitäten ihrem Modell folgen werden, um damit der indigenen Bevölkerung – den Aboriginal People wie auch den Inselbewohnern der Torres-Strait-Inseln – mehr Anerkennung und Unterstützung zu zeigen. »Für viele markiert der 26. Januar die Invasion, den Beginn der Kolonialisierung und Gräueltaten«, sagte sie. Dies werfe ein Licht auf die Realität der australischen Geschichte.

Wie auch in den Vorjahren wird die Debatte um den Nationalfeiertag auf Twitter emotional geführt. So schrieb Lidia Thorpe, indigene Senatorin der Grünen Partei: »Wer feiert an diesem 26. Januar Invasion, Mord und Diebstahl?« Die Kommentare auf ihre provokante Frage zeigten die Bandbreite der Meinungen, die eine Entscheidung über das Datum des Nationalfeiertags schwierig macht. So argumentierte ein Internetnutzer mit der »langen Tradition«, mit einer »Stärkung des Identitätsgefühls« und »dem Stolz auf die Nation«. Er fürchtete, dass eine Datumsänderung zu noch »größerer Spaltung und kulturellen Spannungen« führen würde: »Indem der Australia Day am selben Tag gefeiert wird, können alle Australier zusammenkommen, um die Geschichte und den Stolz der Nation zu feiern, unabhängig von ihrem kulturellen oder ethnischen Hintergrund.«.

Ein anderer verwies dagegen auf die negativen Ereignisse, die mit dem Datum in Verbindung stehen: »Dieses ›Land‹ ist auf Rassismus und Völkermord aufgebaut – das sind die Werte und Symbole des 26. Januar.« Die Debatten um das Datum des Nationalfeiertags kochen seit Jahren regelmäßig hoch. Zahlreiche, vor allem indigene Menschen nutzen den Tag für Demonstrationen, einige Gemeinden verschoben die Feierlichkeiten sogar auf ein anderes Datum, um Kontroversen zu vermeiden.

Die australische Regierung hat bisher wenig Ambitionen gezeigt, den Feiertag auf ein anderes Datum zu verlegen. Ihr Engagement konzentriert sich auf die Einführung einer sogenannten »indigenen Stimme« im Parlament. Damit sollen die Ureinwohner mehr Mitspracherecht bei Themen erhalten, die sie betreffen. Derzeit ist ein Volksentscheid über das neue Gremium in Vorbereitung. Noch ist kein Termin für den Volksentscheid anberaumt, doch ähnlich wie der Australia Day offenbart auch die indigene Stimme die tiefe Kluft im Land, wenn es um die Belange der Indigenen geht. In den vergangenen Wochen ist darüber eine heftige Debatte im Land entbrannt und hat dem Thema plötzlich eine »negative Note« verliehen. Dabei wollte die Regierung es als einen positiven Fortschritt für die Ureinwohner etablieren.

Grundsätzlich sind die Ureinwohner im Land nach wie vor bei vielen Themen benachteiligt. Der aktuelle Bericht »Closing the Gap«, der die Fortschritte der Ureinwohner im Land analysiert, zeigte erneut auf, dass Indigene bei etlichen Themen hinter dem Rest Australiens hinterherhinken: Nach wie vor sind im Verhältnis mehr indigene Kinder in Fremdbetreuung und auch die hohe Selbstmord- und Haftrate in der indigenen Bevölkerung gibt Grund zur Sorge.

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