Der »Fingerabdruck« des Bodens

Forscher wollen anhand von Fettsäuren die Bodengesundheit bestimmen

  • Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein neuer Lipid-Index soll bald mehr über Ackerböden verraten.
Ein neuer Lipid-Index soll bald mehr über Ackerböden verraten.

Der Erhalt fruchtbaren, biodiversen Bodens ist eine der großen Herausforderungen der Menschheit. Eine Handvoll Ackerkrume enthält mehr Organismen, als Menschen auf diesem Planeten leben. Doch jährlich gehen mehr als 24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden weltweit durch Erosion verloren. Laut der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gefährde dies unmittelbar die Ernährung von etwa 1,5 Milliarden Menschen. Zudem ist die Krume eine der wichtigsten Kohlenstoffspeicher unseres Planeten. Nun haben Forscher der Nationalen Universität Quilmes (UNQ) in Argentinien eine neue Methode, den sogenannten Lipid-Index zur ganzheitlichen Bestimmung der Gesundheit von landwirtschaftlich genutzten Böden entwickelt.

Bisher wird die Bodengesundheit oder seine Fruchtbarkeit hauptsächlich durch die chemische Analyse der in ihm vorhandenen Nährstoffe wie Phosphat und Nitrat definiert. Eine andere, das ganze Bodenökosystem reflektierende Methode ist der nun von der wissenschaftlichen Nachrichtenagentur der Universität von Quilmes vorgestellte »Lipid-Index für die Bodengesundheit«.

»Unsere Forschungsgruppe arbeitet seit mehr als 15 Jahren mit Landwirten zusammen, um biologische Indikatoren zur Bodengesundheit zu erforschen«, sagt Luis Wall, Direktor des Labors für Biochemie, Mikrobiologie und biologische Wechselwirkungen im Boden an der Quilmes-Universität. Dabei untersuchten die Wissenschaftler in verschiedenen Regionen Argentiniens insbesondere die in den obersten Erdschichten von Ackerland vorkommenden Lipide als Bio-Indikator.

Diese Gruppe meist wasserunlöslicher, natürlicher Moleküle, zu denen die Fettsäuren gehören, sind allgegenwärtig in Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. In den Wurzelzellen der Pflanzen übernehmen die Lipide strukturelle oder regulatorische Aufgaben und sind wichtig für die Interaktion mit den Mikroorganismen des Bodens.

»Die Herausforderung bestand darin, einen Lipidwert zu definieren, anhand dessen man erkennen kann, ob ein Boden gesund, also gut oder schlecht ist«, so der Forschungsleiter. Wall und seine Mitarbeiter bereisten dabei die Provinzen Santa Fe, Buenos Aires, Córdoba und Entre Ríos, analysierten Bodenproben mit Hilfe eines Gaschromatographen und tauschten Bodenwissen mit den lokalen Landwirten aus.

Das Ergebnis ihrer Forschung zeigt jetzt erstmals, dass der Lipidwert mit gutem Bodenmanagement, Kohlenstoffspeicherung, Anzahl der Regenwürmer und mit der mikrobiellen Struktur des Bodens korreliert. Der Lipid-Index sei damit ein einzigartiger, leicht festzustellender Bodenindikator, so Wall. Die Analyse mit dem Gaschromatograph ergebe ein Muster, das wie ein »Fingerabdruck« des Bodens ist.

Noch in diesem Jahr, 2023, will die Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) deshalb Walls Lipid-Index im Rahmen seiner »Global Soil Partnership« zur biologischen Untersuchung und Bewertung von Böden weltweit testen.

»Die Gesundheit des Bodens bestimmt die Gesundheit der Pflanzen und damit schließlich auch die Gesundheit der Tiere und des Menschen«, erläutert der Forschungsleiter, der davon ausgeht, dass die Böden durchaus regeneriert werden können. »Dies ist möglich. Wir haben es in Santa Fe, Buenos Aires, Córdoba und Entre Ríos gesehen.«

Landwirte sollten vor allem Fruchtfolge betreiben, was die Bodengesundheit erhalte und die Möglichkeit der Entstehung von Krankheiten verringere. Wall: »Wir haben festgestellt, dass je größer die biologische Vielfalt ist, desto besser die physikalische Struktur des Bodens, desto besser ist das für das Pflanzenwachstum.« Zudem gelte, je gesünder ein Boden ist, desto mehr Kohlenstoff könne er speichern. Die Verbesserung der Gesundheit der landwirtschaftlich genutzten Flächen könne deshalb zur Verringerung der globalen Erwärmung beitragen.

Um der Bodenerosion und dem Verlust von Bodenfruchtbarkeit in der Landwirtschaft entgegenzuwirken, schlägt der Wissenschaftler ein System von Strafen und Belohnungen basierend auf seinem Lipid-Index vor. Damit könnten diejenigen Landwirte belohnt werden, die die Bodengesundheit erhielten oder förderten und damit dem Klimawandel entgegenwirkten, während die Bodenfrevler zur Kasse gebeten werden.

Weltweit betrachtet ist es um die Bodengesundheit nicht besonders gut bestellt. 2015 hat die FAO erstmals gemeinsam mit einer zwischenstaatlichen technischen Kommission (Intergovernmental Technical Panel on Soils) einen Bericht zum weltweiten Zustand der Böden herausgegeben. Demzufolge ist ein Drittel der Böden auf der Erde mittel- bis hochgradig degradiert. Ursachen dafür seien Erosion, Versalzung, Verdichtung, Versauerung und die chemische Kontamination der Böden. Ziel der Global Soil Partnership ist es daher, die Gesundheit von mindestens 50 Prozent der Böden bis zum Jahr 2030 zu erhalten und zu verbessern. Zur Überwachung des Zustands von Böden sind diverse Netzwerke geschaffen worden, wie ein Netzwerk von Laboren zur Bodenanalyse oder ein Netzwerk zum Thema Bodenverschmutzung. Sollte sich die Methode der Universität Quilmes bewähren, könnte es in Zukunft zumindest einfacher werden, sich einen Überblick über den Zustand von Böden zu verschaffen.

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