Der Subventionswettbewerb ist eröffnet

EU-Kommissionspräsidentin kündigt in Davos Reaktion auf US-Förderprogramm für Unternehmen an

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.

Eigentlich dient das Weltwirtschaftsforum in Davos auch der Selbstvergewisserung der transatlantischen Freundschaft. Doch das Verhältnis zwischen den USA und der EU ist erheblich gestört. Die Absage von US-Präsident Joe Biden, nach Davos zu reisen, mag man als Indiz dafür sehen, dass Europa an Bedeutung verliert. Dass er nicht einmal Vizepräsidentin Kamala Harris oder Außenminister Antony Blinken in die Schweizer Berge schickte, fassen einige EU-Vertreter sogar als unfreundlichen Akt auf.

Denn es mangelt nicht an Diskussionsstoff: Ganz oben auf der europäischen Agenda steht derzeit das US-Subventionspaket »Inflation Reduction Act« (IRA), das Beihilfen und Steuererleichterungen von fast 370 Milliarden Dollar für den grünen Umbau der heimischen Wirtschaft vorsieht. Erklärtes Ziel ist es, die Produktion strategisch wichtiger Komponenten wie etwa Batterien in die USA zu holen. In Europa fürchtet man, die eigene Industrie könnte den Verlockungen erliegen und die Herstellung nach Übersee verlagern, zumal die hohen Energiepreise in der EU einen weiteren Anreiz bieten, den Kontinent zu verlassen. Die US-Seite war bislang nur zu geringfügigen Konzessionen an die Freunde in Europa bereit. Und so diskutieren EU-Regierungen und Kommission über die richtige Antwort auf den IRA, ohne sich aber auf ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen.

Deshalb wurde die Davos-Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag mit Spannung erwartet. Die Christdemokratin nutzte die Bühne, um ihre Pläne für eine Antwort auf den IRA zu umreißen. Nach ihrer gut 15-minütigen Rede war Beobachtern klar: Der Subventionswettbewerb zwischen der EU und den USA ist nun offiziell eröffnet. »Um die Attraktivität der europäischen Industrie aufrechtzuerhalten, müssen wir mit Angeboten und Anreizen konkurrieren, die derzeit außerhalb der EU verfügbar sind«, erklärte von der Leyen. Aus diesem Grund werde die Kommission den Mitgliedsländern vorschlagen, »Beihilfevorschriften vorübergehend anzupassen, um sie zu beschleunigen und zu vereinfachen«. Dazu will Brüssel Genehmigungen beschleunigen und auch Steuersparmodelle ermöglichen. Mit »gezielten Beihilfen für Produktionsanlagen in strategischen Wertschöpfungsketten der grünen Technologien«, wolle man den »Verlagerungsrisiken durch ausländische Subventionen entgegenwirken«. Sprich: Konzerne, die in der EU bleiben, dürfen die Hand aufhalten.

Doch der alleinige Einsatz staatlicher Beihilfen könnte zu unlauterem Wettbewerb und einer »Fragmentierung« des EU-Binnenmarktes führen, weiß auch von der Leyen. Das heißt: Bliebe die Subvention den Mitgliedsstaaten selbst überlassen, würde das Länder wie Deutschland begünstigen, die die entsprechenden Mittel haben. Erst vor wenigen Tagen hatte Vize-Kommissionspräsidentin Margrethe Vestager in einem Brief an die EU-Finanzminister die ungleiche Verteilung der Subventionen beklagt. Demnach habe Deutschland mehr als die Hälfte aller genehmigten staatlichen Beihilfen angemeldet, Frankreich sei für 24 Prozent aller Beihilfen verantwortlich. Somit entfalle auf alle anderen Mitglieder nur ein Viertel der in der EU gezahlten Subventionen an die eigene Wirtschaft. Damit nicht nur die Großen ihre Industrien stützen könnten, schwebt von der Leyen die Schaffung eines »Europäischen Souveränitätsfonds« vor. Diesen Vorschlag hatte vor ein paar Wochen Industriekommissar Thierry Breton – wohl mit dem Segen der Regierung Frankreichs – unterbreitet. Die Kommissionspräsidentin selbst blieb am Dienstag weitere Details zu diesem Fonds schuldig.

Dabei gibt es bereits konkrete Pläne, etwa in Frankreich. Am Montag hatte von der Leyen in Paris mit Präsident Emmanuel Macron über dessen Idee eines »Made-in-Europe«-Aktionsplans gesprochen. Dieser beinhaltet auch einen Fonds, um für alle EU-Staaten die nötige Finanzierung bereitzustellen. Dazu könnten Mittel aus bestehenden EU-Programmen wie dem Corona-Hilfspaket umgewidmet werden. Zudem soll ein Finanzierungsinstrument geschaffen werden, das den Weg zu einer gemeinsamen Schuldenaufnahme aller EU-Staaten ebnen könnte.

Doch gemeinsame Schulden sind ein rotes Tuch vor allem für den deutschen Finanzminister Christian Lindner. Der FDP-Politiker bekräftigte seine Position am Dienstag in einem Gastbeitrag für »Die Welt«: »Für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen ist in Europa eine realistische, aber dennoch ambitionierte schrittweise Haushaltskonsolidierung unabdingbar, insbesondere in Ländern mit deutlich erhöhtem Schuldenstand«, schrieb Lindner. Insofern darf man gespannt sein, ob und wie die Pläne der Kommission tatsächlich umgesetzt werden.

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