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Ex-Nato-General auf der Burg

Der konservative Petr Pavel ist neuer Präsident in Tschechien

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 4 Min.

Voller Erfolg für Petr Pavel: Mit 58,32 Prozent erzielte der 61-jährige Ex-Nato-General am Sonnabend das beste Ergebnis seit der Einführung der Direktwahl zum Präsidenten 2013. Auch die über 70 Prozent Wahlbeteiligung zeigen, dass die Tschechen des Populismus müde sind. Das Wahlvolk möchte einen Präsidenten auf der Prager Burg sehen, der das Land mit ruhiger Hand durch die angespannten Zeiten steuert. Petr Pavel scheint dafür die geeignete Persönlichkeit zu sein.

So besonnen und ruhig er seinen Wahlkampf führte, so ruhig nahm er auch seinen Sieg zur Kenntnis. Und schaltete bei der Siegesfeier im Wahlstabzentrum im Prager Bezirk Karlín gleich in den Präsidentenmodus um: Nun sei es Zeit, die gespaltene Gesellschaft zu vereinen, Streitigkeiten zu beenden und den Sieg der Werte dieser Wahl, nämlich Wahrheit, Würde, Respekt und Demut zu feiern. »Das sind die Werte, die die meisten von uns teilen«, erklärte der neu gewählte Präsident.

Werte, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht immer von den politisch Regierenden geachtet wurden. Pavel wurde nicht von einer der Parteien aufgestellt, die derzeit in der vom Bürgerdemokraten Petr Fiala geleiteten Koalition vertreten sind, doch er gilt als deren Vertreter. Somit als Vertreter einer politischen Kaste, deren Korruptions- und Machtskandale das Land über Jahre destabilisierten. Und deren Handeln eine populistische Protestpartei wie ANO2011 unter Andrej Babiš erst ermöglicht hat. Dass auch der Agrar- und Medienmilliardär Babiš nicht etwa das Ende dieses Systems brachte, sondern selbst als Frucht aus ihm hervorging, haben die Tschechen nun lernen müssen. Und hoffen nun auf die ruhige Präsidentschaft Pavels. Dessen Wahlslogan »Ordnung und Ruhe« hat ihm den Vorteil gegenüber der hektischen und häufig irritierenden Politik Babiš verschafft. Das musste auch Vorgänger Miloš Zeman, der Babiš eigentlich schon als seinen Nachfolger angesehen (und gewünscht) hatte, in seinen Glückwünschen konstatieren.

Soldat zweier Bündnisse

Pavel bringt jedenfalls das Rüstzeug für eine moderate und disziplinierte Präsidentschaft mit. Seine Biografie weist eine stetige Karriere als Militär aus, die ihn zunächst bis in die Funktion des ranghöchsten Offiziers der Tschechischen Armee brachte. Unter den Regierungen Petr Nečas, Jiří Rusnoks und Bohuslav Sobotkas diente er nicht nur als Generalstabschef, sondern auch als militärischer Berater der Regierung.

Als erster Offizier des ehemaligen Militärbündnisses Warschauer Vertrag wurde er zum Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses gewählt und damit zum ranghöchsten Offizier des westlichen Bündnisses. Weder seine fünfjährige Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei noch seine Karriere im Militärgeheimdienst der damals noch sozialistischen Tschechoslowakischen Armee haben die in Brüssel und Mons Entscheidenden bei der Berufung gestört.

Dass ausgerechnet Babiš im jetzigen Wahlkampf dies thematisierte, schlug ebenso gegen den ANO-Chef wider, wie die Behauptung, Pavel sei Kriegstreiber. Mit seiner Wahlkampagne »Ich bin Diplomat, kein Soldat« wollte sich Babiš als Friedensbringer stilisieren, erntete jedoch mit seiner stets bekundeten Nähe zum Ungarn Viktor Orbán (und über diesen zu Russland) eher Misstrauen als Erfolg.

Pavel soll gesellschaftliche Spaltung überwinden

Was kann Europa vom neuen Präsidenten erwarten? Pavel, der vierte tschechische Präsident nach Václav Havel, ist der erste, dessen politische Quelle nicht aus dem alten kommunistischen System oder der Samtenen Revolution stammt. Während alle seine Vorgänger – trotz europafreundlicher Bekundungen – eher den östlichen Nachbarn zugewandt waren, tritt nun am kommenden 9. März mit dem Ex-Nato-General erstmals ein überzeugter Anhänger der EU seinen Dienst auf der Prager Burg an. Vor allem von Seiten des westlichen Militärbündnisses wird in diesen Zeiten der Spannungen mit Moskau ein Politiker an der Staatsspitze Tschechiens geschätzt, der bestens in der Nato vernetzt ist und als Fachmann auch die Brisanz der aktuellen Lage versteht.

Innenpolitisch wünschen sich die Tschechen ein Überwinden der gesellschaftlichen Spaltung, ein Fortschreiten der Demokratisierungsbestrebungen, die weder vom stets etwas poltrigen Präsidenten Zeman noch vom aggressiv auftretenden Babiš vorangetrieben wurden.

Setzt Petr Pavel seine Politik weiter so ruhig durch, wie seine bisherigen Auftritte vermuten lassen, könnte er damit Erfolg haben.

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