Hindenburg gegen Gautam Adani

Wegen schwerer Vorwürfe verzeichnet der reichste Inder riesige Vermögensverluste

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Was schon in Indien selbst nicht allen Passagieren bewusst ist und Ausländern noch weniger: Wer auf dem Flughafen Mumbai landet oder startet, nutzt eine Einrichtung, die zum Konzern von Gautam Adani gehört. Genauso verhält es sich mit den Airports in Lucknow, Guwahati, Jaipur und Ahmedabad. Den Betrieb von acht größeren Flughäfen des Landes hatte das Luftfahrtministerium vor zwei Jahren veräußert, sieben davon gingen an ein Tochterunternehmen der Adani Group. Der 60-jährige Geschäftsmann, als Kohle-König bereits bekannt, stieg damit 2021 auch zum größten Airportbetreiber Indiens auf. Der ebenfalls in der Wirtschaftsmetropole gelegene Flughafen Navi Mumbai, der gerade gebaut wird, gehört ihm genauso.

Weit bekannter sind seine Aktivitäten im Bereich Kohlebergbau. 2007 fing eine Tochterfirma in dieser Sparte auf dem heimischen Energiemarkt an. Inzwischen ist Adani Mining nicht nur dort und in Indonesien präsent, sondern auch in Australien. Im Nordosten von Down Under begann die Adani Group 2021 mit der Förderung aus der umstrittenen Carmichael-Mine, gegen deren Inbetriebnahme es jahrelang heftigsten Widerstand von Umweltschutzgruppen gab. Denn die Transportwege vom nächsten Hafen aus führen per Frachtschiff mitten durch das hochsensible Ökosystem des Weltnaturerbes Great Barrier Reef. Jedes kleine Unglück dort könnte katastrophale Folgen haben. Darüber hinaus ist der Konzern in den Bereichen Zement, Gas, Medien, Datenverarbeitung, Kunststoffe sowie Häfen/Logistik aktiv. Auf dem Gipfelpunkt der schlimmsten indischen Coronawelle im Mai 2021 übernahm die Firmengruppe im großen Stil den Transport von Sauerstoff-Lieferungen zur Beatmung landesweit.

150 Milliarden Dollar schwer war Adanis persönliches Vermögen auf dem bisherigen Höhepunkt vorigen September, am 24. Januar immerhin noch 119 Milliarden. Damit galt er kürzlich noch als drittreichster Mann der Welt und Nummer eins in Asien. Binnen lediglich einer Woche halbierten sich allein seine Vermögenswerte nun auf etwa 64 Milliarden, während die Adani Group in ihrer Gesamtbewertung an der Börse im gleichen Zeitraum an die 110 Milliarden Dollar einbüßte, gut ein Viertel ihres vorherigen Wertes und dem Bruttoinlandsprodukt von Kenia oder Äthiopien entsprechend. Von einem finanziellen »Blutbad« schrieb das Wirtschaftsmagazin »Business Today« in einem Artikel.

Adani Enterprises, so etwas wie das Flaggschiff der Unternehmensfamilie, wollte eigentlich gerade neue Aktien im Wert von 2,5 Milliarden Dollar ausgeben – es wäre Indiens größter Börsengang gewesen. Am 1. Februar gab Adani bekannt, dass man von den Plänen vorerst Abstand nehme.

Ausgelöst hat den Kurssturz, der bei den Firmen des Konzerns 10 bis 60 Prozent ausmacht, ein Bericht der US-Investmentfirma Hindenburg Research. Sie wirft der Führung der Adani Group Täuschung, Bilanzbetrug und Marktmanipulation vor. Adani habe über Konten seines Bruders in Steuerparadiesen Geld in eigene Aktien gesteckt und damit deren Kurs künstlich hochgetrieben.

Im Fokus des mutmaßlichen Finanzskandals stehen Kredite in Höhe von umgerechnet 30 Milliarden Dollar. Diese Verbindlichkeiten machten die Adani Group laut Medienberichten zu einem der am höchsten verschuldeten Konzerne Indiens. Zumindest Kerninvestoren wie ein Großfonds aus den Vereinigten Arabischen Emiraten halten bisher aber weiter zu Adani. Die Konzernspitze wies die Anschuldigen scharf zurück. Und Hindenburg spekuliert auf fallende Börsenkurse. Dennoch hat die indische Börsenaufsicht mit Untersuchungen begonnen.

Gautam Adani, der mit 16 vorzeitig von der Schule ging und es später auch in einem Handels-Kurs an der Uni nur zwei Jahre aushielt, hat dennoch von den Eltern, die einen Textilhandel hatten, offenbar geschäftliches Talent geerbt. Erst schliff er Diamanten, dann handelte er mit Edelsteinen, womit er in den 80er Jahren den Grundstock seines heutigen Vermögens legte. Später weitete er seine Aktivitäten auf immer mehr Geschäftsfelder aus. Anders als andere Selfmade-Milliardäre Indiens prahlt Adani aber kaum mit seinem immensen Reichtum und scheut eher das Rampenlicht. Nur selten tritt er öffentlich auf.

Kein Geheimnis sind jedoch seine engen Verbindungen zum hindu-nationalistischen Premier Narendra Modi. Beide stammen aus dem westlichen Unionsstaat Gujarat. In einem aktuellen Interview mit dem Fernsehsender NDTV verteidigte sich Adani mit dem Hinweis, schon 1985 und nach der großen Liberalisierungswelle 1991 seinen Konzern stark vorangebracht zu haben, als noch die heute oppositionelle Kongresspartei regierte. Dennoch nahmen Aktivitäten und Wert der Firmen noch einmal beträchtlich zu, als Modi zunächst zwölf Jahre Chefminister von Gujarat war und seit 2014 ganz Indien regiert. Oppositionsvertreter rufen zudem nach einer Sonderkommission unter dem Vorsitz hochrangiger Richter.

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