- Politik
- Alla Gutnikowa
Philosophin, Model, Exilantin
Die Journalistin Alla Gutnikowa wurde in Abwesenheit verurteilt
Jung, weltoffen, intellektuell – sagen die Einen. Andere verweisen auf einen elitären Charakter, die medienwirksame Selbstinszenierung und die Aktionen, die nur in den eigenen Kreisen und in der westlichen Öffentlichkeit Beachtung finden. Alle diese Beschreibungen treffen auf die 25 Jahre alte Sozialistin und Feministin Alla Gutnikowa zu und reichen dennoch nicht aus.
Schon mit 13 steht Gutnikowa erstmals als Schauspielerin und Model vor der Kamera. 2021 ist sie Tänzerin beim kontroversen Eurovision-Auftritt Manizhas, einer Migrantin aus Tadschikistan. Akademisch wählt Gutnikowa den elitären Weg, erst an der Diplomatenschmiede Moskauer Institut für Internationale Beziehungen, dann an der Higher School of Economics, die als etwas liberaler gilt. Dort wird die angehende Kulturwissenschaftlerin Teil der Redaktion des Studentenjournals »Doxa« und zunehmend vom Staat verfolgt, weil sie Minderjährige zur Teilnahme an nicht genehmigten Protestaktionen aufgerufen haben soll. Auf Hausdurchsuchungen folgen Hausarreste und auf diese Gerichtsverfahren. Im Dezember 2021 heiratet Gutnikowa im Hausarrest mit Fußfessel ihren Freund Daniil.
Beim Verfahren im April 2022 zitiert sie in ihrer achtminütigen Rede unter anderem Rabbi Nachman von Brazlaw, Mahmud Darwisch, Audre Lorde und John Donne. Das Gericht verurteilt sie zu zwei Jahren gemeinnütziger Arbeit. Das halbe Jahr, das Gutnikowa abarbeiten müsste, tritt sie nicht an, sondern flieht ins Ausland. Von dort erhebt sie schwere Vorwürfe gegen den Leiter eines Bildungszentrums. Der in Moskauer Hochschulkreisen angesehene Mann soll sie sexuell belästigt haben. Auch andere Betroffene melden sich. In der Opposition kostet Gutnikowa der Schritt einige Unterstützer. In Moskau hat die Justiz Gutnikowa nicht vergessen und wandelte ihre Strafe in reale Haft um. Ohne Konsequenzen für die junge Frau – sie ist weiterhin in Berlin.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.