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Maskenskandal: Spahn mimt die verfolgte Unschuld
Ex-Gesundheitsminister spielt neue Vorwürfe zu seinem Handeln in der Corona-Pandemie herunter
Die Unionsparteien werden gewusst haben, warum sie die in Regierungsarbeit völlig unerfahrene Bundestagsabgeordnete Nina Warken zur Gesundheitsministerin erwählten. Denn deren Vorgänger Jens Spahn, der das Amt von 2018 bis 2021 innehatte, holen nun seine Maskendeals in der Corona-Pandemie ein. Der derzeitige Unions-Fraktionschef findet aber, dass alles, was aus einem bislang unter Verschluss gehaltenen, jetzt in Teilen an Medien durchgestochenen Bericht der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof (SPD) hervorgeht, ihn nicht nennenswert belastet. Das bekräftigte er am Sonntagabend in der ARD. Er sprach mit Blick auf die zuletzt bekanntgewordenen Auszüge daraus von »subjektiven Wertungen einer einzelnen Person«. Er sei von ihr nicht befragt worden und kenne den Report nicht, sagte er.
»Süddeutsche Zeitung«, NDR und WDR hatten bereits vergangene Woche aus dem Bericht zitiert, den Sudhof im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) erstellt hatte und der dort seit Januar vorliegt. Die Juristin, die in drei Bundesministerien Staatssekretärin war, untersuchte, wie es zur chaotisch verlaufenen Maskenbeschaffung durch die Bundesregierung im Jahr 2020 kam, die die Steuerzahler wohl noch mehr als drei Milliarden Euro kosten wird, und welche Rolle der derzeitige Unionsfraktionschef bei all dem spielte.
Nun liegen dem Rechercheverbund weitere Teile des Berichts vor. Sudhof geht darin hart mit Spahn ins Gericht. Demnach haben bei der Maskenbeschaffung unter dessen Ägide »fehlendes ökonomisches Verständnis« und »politischer Ehrgeiz« dazu geführt, dass nicht als »Team Staat«, sondern als »Team Ich« gehandelt worden sei. Der damalige Gesundheitsminister habe in vielerlei Hinsicht eigenmächtig und »nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen« gehandelt. Diese hätten sich dafür ausgesprochen, den Erwerb vom Innenministerium koordinieren zu lassen, wie es der Corona-Krisenstab am 5. März 2020 beschlossen hatte. Spahn jedoch habe beschlossen, »die Beschaffung allein meistern zu wollen« – und angeordnet, dass das BMG selbst diese übernehmen solle.
Spahn erklärte in der ARD nun erneut, zu Beginn der Pandemie habe niemand gewusst, was genau passiere. In den Krankenhäusern sei Schutzausrüstung knapp gewesen. Deshalb habe man in der Bundesregierung beschlossen, diese »nicht nach Vergaberecht« zu beschaffen. Die Beschaffungsämter des Bundes im Innen- und im Verteidigungsministerium hätten auf dem »herkömmlichen Weg« keine Masken erhalten. Dann habe das Kabinett entschieden, dass das Gesundheitsministerium sie beschaffen solle. Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, sehr zügig eine Enquete-Kommission des Bundestags zur Aufarbeitung der Pandemiezeit einzusetzen, »idealerweise« noch vor der Sommerpause.
Der Hauptvorwurf gegen Spahn lautet, dass er den Auftrag zur Maskenbeschaffung und -verteilung an eine Firma aus seinem westfälischen Wahlkreis, das Unternehmen Fiege, vergeben hatte, und zwar »ohne Teilnahmewettbewerb«. Der Ex-Minister verwies vergangene Woche auf »eine Jahrhundertkrise und Ausnahmesituation«. »Es fehlte an allem. Alles war knapp. Alle haben gesagt: Besorgt es, koste es, was es wolle«, sagte er im Podcast »Table.Today«. Angesichts dessen habe er selbstverständlich »in der Notlage zuerst mit Leuten geredet, die ich kannte, um zu fragen, wer helfen kann«. Ein Ausschreibungsverfahren von drei oder sechs Monaten hätte in der Situation viel zu lange gedauert.
Vergangene Woche hatten Grüne und Linke gefordert, der Bundestag müsse den Sudhof-Bericht vollständig erhalten. Auch die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Tanja Machalet (SPD), verlangte dies. Gesundheitsministerin Warken hatte angekündigt, dem Parlament lediglich »Informationen aus dem Bericht« zugänglich zu machen. »Selbstverständlich werden wir dem Haushaltsausschuss über unsere Erkenntnisse zu den Maskenkäufen berichten«, erklärte sie. Die CDU-Politikerin betonte zugleich, die Erkenntnisse von Sudhof hätten dem Parlament schon unter ihrem Vorgänger Karl Lauterbach zugeleitet werden müssen. Der SPD-Politiker hatte die Sonderermittlerin eingesetzt.
Am Freitag schrieb Lauterbach auf X, er sei dafür, den Bericht in der »ursprünglichen Fassung« zu veröffentlichen. Er räumte ein, das Gutachten »in der heißen Phase des Wahlkampfes oder in meiner kommissarischen Zeit als Minister nicht veröffentlicht« zu haben.
Die Linke hatte den Umgang der Regierung und von Spahn selbst mit dem Bericht scharf kritisiert. Die Vorsitzende der Partei, Ines Schwerdtner, erinnerte am Montag in Berlin zudem daran, dass es nicht nur um das Agieren von Spahn gehe. »Wir alle erinnern uns noch gut: Es geht um ein Netzwerk. Ich will nicht von CDU-Clankriminalität sprechen, aber es geht in diese Richtung. Es geht mindestens um einen CDU-Filz.« Vergangene Woche hatte sie die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses gefordert, der klären müsse, wie es zu den »schmutzigen Deals« gekommen sei.
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