• Wissen
  • Erdbeben in der Türkei und Syrien

Kann man sich auf Erdbeben vorbereiten?

Dr. Schmidt erklärt die Welt: Kann man katastrophensichere Häuser bauen?

Kann man sich auf Erdbeben vorbereiten?

Nach dem katastrophalen Erdbeben in der Türkei und in Syrien hört man immer wieder den Vorwurf, die lokalen Behörden und auch die Menschen seien zu schlecht darauf vorbereitet gewesen. Kann man sich auf ein Erdbeben überhaupt vorbereiten?

Dr. Schmidt erklärt die Welt
Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf dasnd.de/schmidt

Jein. Eine brauchbare Erdbebenvorhersage ist bislang nicht zu haben. Wenn man Vorwarnzeiten von mehr als ein paar Sekunden hat, ist das schon selten. Für Mexiko-Stadt waren es 2017 rund 20 Sekunden. Aber man kann so bauen, dass die Häuser weniger leicht einstürzen. Das ist die einzige Weise, sich auf ein Erdbeben vorzubereiten. Die kritische Infrastruktur – Wasserleitungen, Stromnetz und natürlich die Gebäude selbst – so zu bauen, dass sie möglichst den zu erwartenden Erdstößen besser standhalten. So wie in Japan.

Die Häuser sollten dann besonders elastisch sein, oder was?

In gewisser Hinsicht, ja. In Japan oder Taiwan, wo es auch etliche Wolkenkratzer in von Erdbeben gefährdeten Gebieten gibt, fallen bei einem Beben lange nicht so viele Häuser ein wie jetzt in der Türkei und in Syrien oder früher in Pakistan, Afghanistan oder selbst in Italien. Wenn man sich die Bilder anschaut von den eingestürzen Gebäuden in Nordsyrien und in der Türkei, sieht man etwas, was eigentlich ein absolutes No-Go in einem Erdbebengebiet sein müsste.

Nämlich?

Häuser, die ganz offensichtlich aus gemauerten Wänden mit Betonplatten als Decken bestehen. Wenn es bebt, sind es ja in der Regel seitliche Bewegungen. Und wenn dann die gemauerten Wände auseinanderfallen, werden die Leute, wenn sie nicht rechtzeitig draußen sind, zwischen den Betondecken eingequetscht. Das überlebt natürlich kein Mensch. Wenn nicht zufälligerweise etwas sehr Stabiles dazwischen steckenbleibt, sodass man vielleicht noch rauskommt. Vier der Erdbeben der letzten 50 Jahre in der Türkei waren jeweils die tödlichsten des Jahres, obwohl es nicht die stärksten Erdbeben jener Jahre waren. Das liegt daran, dass selbst viele neuere Bauten in der Türkei nicht erdbebensicher konzipiert wurden. Der Standard ist nicht so hoch wie in Japan, was allerdings auch ein reiches Land ist – und die Türkei ein vergleichsweise armes. Wobei man dazusagen muss: Das jetzige Erdbeben war mit einer Stärke von 7,8 schon ziemlich heftig.

Ein Erdbeben dauert nicht lang, vielleicht ein, zwei Minuten.

Eher einige Sekunden. Aber die reichen auch. Und oftmals kommt, wie jetzt in der Türkei, gleich noch ein Erdstoß hinterher, der den angeschlagenen Objekten der ersten Welle den Rest gibt.

Und ich habe gelesen, dass die Spannung, die sich in diesem Erdbeben entladen hat, sich über Hunderte von Jahren aufgebaut hat.

Nehmen wir zum Beispiel mal an, du hättest zwei Holzplatten, die du gegeneinander verschieben willst an der Kante. Dann bewegst sich erst mal lange Zeit gar nichts, weil die Reibung so groß ist. Wenn du aber dann genug Kraft angewendet hast, dann rutscht das alles auf einen Schlag. Das heißt, die aufgestaute Kraft von vorher schlägt auf einmal aus. Und genau so ist es, wenn sich zwei Platten der Erdkruste aneinander vorbeischieben. Da kommt es dann zum Beben.

Und in Deutschland gibt es auch Erdbeben, aber nur ganz kleine, die man gar nicht merkt?

Meistens sind die zu schwach. Aber in den aktiveren Gebieten merkt man schon was. So gab es 1978 auf der Schwäbischen Alb eins, das hatte eine Stärke von 5,7. Und im Vogtland erreichten 1985 Schwarmbeben schon mal 4,6 auf der Richterskala. Und die Fernwirkungen damals waren immerhin so, dass in den 18-Stöckern auf der Berliner Fischerinsel noch ein paar Hängelampen schaukelten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal