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  • UN-Konferenz über Katastrophenvorsorge

Armut macht Natur gefährlich

In Japan tagen in dieser Woche die Katastrophenschützer

  • Uwe Witt
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute beginnt in der japanischen Stadt Kobe eine Weltkonferenz für Katastrophenvorsorge. 4000 Delegierte aus 150 Ländern beraten vier Tage lang darüber, wie sich die Menschen besser vor Naturgewalten wie Erdbeben, Stürmen, Lawinen und Überflutungen schützen können.
Als die UN-Generalversammlung im Februar 2004 beschloss, ein knappes Jahr später eine Weltkonferenz zu Umweltkatastrophen abzuhalten, konnten die Diplomaten nicht ahnen, welche Bedeutung dieses Treffen einmal haben würde. Über der Konferenz schwebt die unermessliche Tragödie des Seebebens vor Indonesien. Aber auch Kobe selbst ist ein heimgesuchter Ort: Vor zehn Jahren kamen hier 6433 Bewohner durch ein Erdbeben der Stärke 7,2 ums Leben. Salvano Briceno ist Direktor des UN-Sekretariats für die »Internationale Strategie zum Katastrophenschutz«. Er wies einen Tag vor Konferenzbeginn darauf hin, dass Asien der von Naturkatastrophen am häufigsten betroffene Kontinent ist. Hier ereignete sich die Hälfte aller Desaster, zu denen es seit 1994 kam. Der UN-Direktor nutzt 1994 als Vergleichsjahr, weil damals für den Katastrophenschutz eine neue Zeitrechnung begann: Auf der ersten Weltkonferenz zur Verminderung von Umweltkatastrophen (WCDR) in Yokohama wurde erstmals eine Strategie und ein Aktionsplan »Für eine sichere Welt« beschlossen. Briceno verwies gestern darauf, dass Japan ein positives Beispiel für deren Umsetzung sei: erdbebenbeständige Baumethoden, effiziente Frühwarnsysteme sowie Initiativen beim Boden- und Küstenschutz. Auch beim nachträglichen Umbau von Brücken zum Schutz gegen seismische Gefahren sei Japan vorbildlich, so der UN-Beamte. Doch ein erdbebensicherer Wolkenkratzer in Tokio dürfte größere Summen verschlingen als der Staatshaushalt so manchen kleinen afrikanischen Staates. Gerade in den ärmsten Ländern sind die Todeszahlen bei Erdbeben, Stürmen und Überflutungen am höchsten. Auch die ökonomischen Schäden sind enorm. Zwischen 1994 und 2003 werden sie global auf 680 Milliarden US-Dollar geschätzt. Damit übersteigen sie immer häufiger die Bruttoinlandsprodukte der betroffenen Entwicklungsstaaten. Der Zusammenhang zwischen Armut, Umweltzerstörung und hoher Verwundbarkeit gegenüber Naturkatastrophen war schon Thema der internationalen UN-Dekade zum Katastrophenschutz von 1990 bis 1999. Mit der Jahrtausendwende wurde dann die International Strategy for Disaster Reduction (ISDR) als feste Nachfolgeorganisation etabliert. Deren Chef Salvano Briceno hat sein Büro in Genf. Das Sekretariat des ISDR führte unter anderem zwei internationale Frühwarnkonferenzen durch. Die letzte tagte 2003 in Bonn. Die jetzige WCDR soll nun zehn Jahre nach der Yokohama-Strategie eine Zäsur setzen. Bis zum Samstag werden die Delegationen versuchen, die Yokohama-Leitlinien den neuesten technischen Möglichkeiten anzupassen und »Best-Practice«-Beispiele herauszuarbeiten. Zudem wollen die Organisatoren den Entwicklungsaspekt besser einbinden und den Klimawandel stärker berücksichtigen. Läuft alles nach Plan, so könnte die Konferenz am Ende »mit konkreten Resultaten und einem starken Aktionsplan für die Katastrophenvorsorge über die nächsten zehn Jahre« schließen, hofft Salvano Briceno. Kurzfristiges Ziel ist der Aufbau eines globalen Tsunami-Frühwarnsytems noch in diesem Jahr. An Plänen und Dokumenten hat es auch in der Vergangenheit nicht gemangelt. Und trotzdem fordern Umweltkatastrophen jedes Jahr Zehntausende von vermeidbaren Opfern. Immerhin kann man heute den Zeitpunkt und den Ort eines tropischen Sturms bereits 48 Stunden vor dessen Auftreten ermitteln. Die Vorwarnzeit für Tornados wurde in zehn Jahren verdoppelt. Und Warnungen vor großräumigen Dürrekatastrophen können inzwischen mehrere Monate im Voraus gegeben werden. In Deutschland wurde inzwischen die Kritik von Experten wenigstens teilweise erhört. Um die eigentlich von den Ländern zu verantwortenden Katastrophenschutzmaßnahmen in Extremfällen zu koordinieren, wurde im Mai vorigen Jahres ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn geschaffen.
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