Peking zu Besuch in Russland

Chinas führender Außenpolitiker Wang Yi will mit einem Besuch in Moskau ein Zeichen setzen

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Jahr, nachdem Putin seine Panzer nach Kiew schickte, nehmen die zwei führenden Weltmächte entgegengesetzte Flugrouten: Während US-Präsident Joe Biden in der ukrainischen Hauptstadt landet, entsendet China seinen führenden Außenpolitiker Wang Yi nach Moskau. Die Agenda auf dem letztem Stopp seiner Europa-Tournee ist bislang streng geheim. Doch wie der Kreml am Montag andeutete, sei ein direktes Treffen mit Wladimir Putin durchaus möglich.

Erst am Wochenende hat Wang Yi bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine Art Friedensinitiative angekündigt, die wohl im Laufe der Woche bei den Vereinten Nationen vorgestellt wird. Doch in den kommenden Tagen wird sich die internationale Staatengemeinschaft auf eine andere Rhetorik des Chinesen gefasst machen müssen: In Russland nämlich wird Wang Yi wie gewohnt gegen die westliche Weltordnung wettern und die engen Beziehungen mit Moskau preisen. Ob hinter den Kulissen jedoch auch Tacheles geredet wird und China wie angekündigt seinen Einfluss auf Russland für eine mögliche Friedenslösung nutzen wird, bleibt zunächst offen.

Bisher macht China ausschließlich die Vereinigten Staaten als Provokateur und Auslöser für einen Krieg verantwortlich, den es verniedlichend »Ukraine-Konflikt« nennt. Dass dieser von Russland begonnen wurde, erkennt Peking bislang nicht an. Washington hat nun seine Befürchtung öffentlich gemacht, China könnte eine weitere rote Linie übertreten.

US-Außenminister Anthony Blinken sprach in einem Fernsehinterview am Sonntag davon, dass man ausreichend Informationen darüber habe, dass China die Lieferung von Waffen nach Russland in Erwägung ziehen könnte. Im Pekinger Außenministerium holte man am Montag zum rhetorischen Gegenschlag aus: Man dulde keinen »Druck« aus den USA und Washington solle aufhören, »Desinformation zu verbreiten«.

Tatsächlich wäre es nicht im Interesse Chinas, für Waffenlieferungen einen Bruch mit dem Westen zu riskieren. Peking ist bislang gut mit seiner doppelgleisigen Strategie gefahren, die Experten als »prorussische Neutralität« bezeichnen: »Prorussisch« agiert die chinesische Regierung insofern, als sie Putin bislang nicht offen kritisiert, nicht mal als Aggressor in diesem Krieg bezeichnet. »Neutral« stimmt jedoch ebenfalls, da man keine Waffen liefert und keine Sanktionen bricht.

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Auf diesem Wege profitiert China durchaus von diesem Krieg, denn es hat Russland zu einem abhängigen Junior-Verbündeten gemacht, der nicht nur im UN-Sicherheitsrat politische Loyalität an den Tag legt, sondern auch verlässlich Energie und Militärtechnologie zu günstigen Konditionen liefert.

An der recht jungen Freundschaft zu Russland wird China auch langfristig nicht rütteln, und schon gar nicht unter dem amtierenden Staatschef Xi Jinping. Im Laufe des Jahres wird Xi seinen alten Bekannten Putin bereits zum 40. Mal innerhalb der letzten Dekade treffen. Die sino-russischen Beziehungen haben sich gewandelt. Seit Gründung der Volksrepublik China waren sie stets kompliziert: Unter Stalin galt die Sowjetunion als großes Vorbild, eine Verheißung auf die eigene Zukunft. Je älter Chinas Landesvater Mao Tse-tung wurde, desto befremdlicher wurden jedoch seine zunehmend radikalen Ansichten in Moskau wahrgenommen.

Nach Stalins Tod kam es endgültig zum Bruch, kurzzeitig standen die beiden Mächte gar wegen eines Grenzkonflikts kurz vor einem Nuklearkrieg. Peking orientierte sich in den kommenden Jahrzehnten vornehmlich an Washington. Erst unter Xi Jinping hat sich die Stoßrichtung wieder umgekehrt: Das gemeinsame Interesse an einem Sturz der westlich dominierten Weltordnung eint die zwei Staaten, deren Beziehungen sich nun auf einem historischen Rekordhoch befinden – politisch wohlgemerkt; die Bevölkerungen selbst sind sich weiterhin eher suspekt.

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Wladimir Putin genießt bei den Chinesen eine hohe Beliebtheit: Er sei ein starker Führer, der sich für die Interessen seines Volkes einsetze und dem Westen Paroli biete, heißt es oft. Und in Bezug auf den Ukraine-Krieg wiederholen viele Chinesen die offizielle Propaganda, als würden sie ein Schulbuch rezitieren: Die USA hätten mit ihren Provokationen den Konflikt angezettelt, China hingegen sei eine rein friedliebende Nation.

Noch immer kontrollieren die chinesische Zensoren genauestens, zu welchen Informationen die eigene Bevölkerung Zugang erhält und welche Position man nach außen vertritt: In der aktuellen Titel-Geschichte der englischen Ausgabe des chinesischen Wirtschaftsmagazins »Caixins« heißt es beispielsweise, dass Russland eine »vollständige Invasion gegen die Ukraine« gestartet habe. In der chinesischsprachigen Version hingegen schreiben die Autoren lediglich von einem »Konflikt zwischen Russland und der Ukraine«.

Auch Wang Yi spielt dieses Doppelspiel, wenn er sich vor europäischen Staatschefs als Vermittler gibt, während er in Moskau und vor seiner eigenen Bevölkerung die enge Freundschaft mit Russland zelebriert.

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