Brandenburger CDU geht der AfD auf den Leim

Brandenburgs Innenminister Stübgen spricht sich für Begrenzung der Migration aus

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) hat sich für eine Begrenzung der Zuwanderung ausgesprochen. In der Aktuellen Stunde des Landtags am Mittwoch grenzten sich alle Fraktionen von der AfD ab. Es traten aber beim Thema Flucht und Einwanderung auch Differenzen untereinander zutage.

Unter der Überschrift »Masseneinwanderung nach Brandenburg« hatte die AfD das Thema auf die Tagesordnung des Landtags gesetzt. Angesichts von Klagen der kommunalen Ebene, »am Limit« zu sein, sprach Minister Stübgen von einer Migrationsbremse, die eingeführt werden müsse. Er erwähnte mehr als 10 000 abgelehnte Asylbewerber in Brandenburg, rund die Hälfte
davon sei »objektiv rückführbar«, das heiße, der Rechtsweg gegen die Ablehnung ihres Asylantrags sei bei ihnen ausgeschöpft. Dennoch stehe bei etwa 2500 von ihnen einer Abschiebung entgegen, dass sie entweder krank seien oder aus Ländern stammen, die sich weigern, ihre Bürger wieder bei sich aufzunehmen, oder in denen Zustände herrschen, die eine Abschiebung dorthin nicht gestatten. Zu solchen Ländern zählte Stübgen beispielsweise Russland. Er sprach sich dafür aus, Herkunftsländern zu drohen, die Entwicklungshilfe zu kürzen oder einzustellen, wenn sie ihre Bürger nicht zurücknehmen wollen.

Von den restlichen 2500 objektiv rückführbaren Menschen haben Stübgen zufolge im vergangenen Jahr 480 Brandenburg verlassen, die meisten davon freiwillig. Er bevorzuge die freiwillige Ausreise dieser Menschen als das humanere Mittel, sagte der Minister. Er verwies auf Beschlüsse der EU von 2011 und 2015, an den Außengrenzen der EU Lager einzurichten, in denen Geflüchtete geschützt und würdig leben könnten, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. »Leider ist da überhaupt nichts passiert.« Er werde Zeit, das umzusetzen.

Von einem »Tiefpunkt« im politischen Werdegang von Michael Stübgen sprach Linksfraktionschef Sebastian Walter. »Sie sind der AfD auf den Leim gegangen«, sagte Walter ihm und erkundigte sich, bei welcher Zahl von Menschen Stübgen die Migration zu bremsen gedenke. Für Walter sind nicht die Flüchtlinge das Problem, sondern vielmehr die rot-schwarz-grüne Landesregierung, die die soziale Infrastruktur privatisiert und die es versäumt habe, Sozialwohnungen zu bauen und Kitas und Schulen rechtzeitig mit Personal auszustatten. Die Abgeordnete Andrea Johlige (Linke) warf der Landesregierung vor, die Kommunen zur Schließung von Aufnahmekapazitäten gezwungen zu haben, die nun wieder eingerichtet werden müssten.

AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt schimpfte über eine angeblich gescheiterte Migrationspolitik. Er stellte fest, dass »Christdemokraten und grüne Realos« inzwischen Positionen der AfD übernehmen, aus seiner Sicht jedoch wenig glaubhaft.

»Wir brauchen ein konstruktives Zupacken und nicht das Gemecker von rechts«, erklärte der SPD-Abgeordnete Björn Lüttmann und warnte vor »Panikmache«. 87 Prozent der nach Deutschland Gekommenen seien nicht geflüchtet, sondern Arbeitsmigranten. Unter den rund 13 800 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die im vergangenen Jahr in Brandenburg zusätzlich angemeldet wurden, seien 13 000 ausländische Staatsbürger. Auch Flüchtlinge seien potenziell engagierte Mitglieder der Gesellschaft. »Es liegt an uns, sie dazu zu machen«, meinte Lüttmann. Schon heute gebe es Branchen wie den Bau und das Gastgewerbe, die ohne Mitarbeiter mit Migrationshintergrund kaum mehr funktionieren würden. Rund drei Viertel der rund 40 000 ukrainischen Kriegsflüchtlinge im Bundesland seien privat untergekommen. Doch gelte es abzuwägen, um »das Gefüge nicht zu überfordern«, schränkte Lüttmann ein. Er sprach von einer Konkurrenz um die soziale Infrastruktur, verwies jedoch auch auf die Entscheidung der Landesregierung, den Kommunen zusätzlich 62 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, um Unterkünfte und die Eingliederung finanzieren zu können.

»Es geht nicht so sehr um Geld. Die Mitarbeiter in den Kommunen gehen auf dem Zahnfleisch«, sagte die Abgeordnete Barbara Richstein (CDU). »Die Belastungsgrenze ist erreicht.« Die CDU-Fraktion stehe hinter Minister Stübgen. Es wäre in Richsteins Augen richtig, nur noch Asylbewerber mit Bleibeperspektive auf die Kommunen zu verteilen.

Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge seien »wirklich eine große Herausforderung«, bestätigte die Grünen-Abgeordnete Carla Kniestedt. Die Auswirkungen auf die Kita-Plätze müssten rechtzeitig dargelegt werden. Von einer Masseneinwanderung mochte die Abgeordnete nicht sprechen. Sie sagte außerdem: Wenn junge Männer mit festem Arbeitsplatz und junge Frauen mit Einser-Abitur abgeschoben werden, dann sei das unbegreiflich. Kniestedt zufolge warten zwischen 4000 und 5000 motivierte Geflüchtete mit guten Deutschkenntnissen darauf, einen Job zu bekommen.

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