- Gesund leben
- Hygiene im Alltag
Expedition in den Hausstaub
Das Sammelsurium von Partikeln in unseren Wohnungen interessiert die Wissenschaft
Hausstaub ist eine wunderliche Materie. Für die meisten Menschen sind die winzigen Teilchen und Flusen, die sich gern zu stattlichen Mäusen zusammenballen, ein Graus: Der Kampf gegen die fluffigen Ablagerungen, die mit Dreck und mangelnder Hygiene gleichgesetzt werden, lässt sich niemals gewinnen. Denn Staub begleitet den Menschen immer und überall. Selbst bei geschlossenen Fenstern dringen von außen Erd-, Holz- und Rußpartikel in die Räume. Auch die Hausbewohner selbst tragen durch Haare, Hautschuppen und Kleiderfusseln zu den Staubschichten bei. Für Wissenschaftler ist das ein faszinierendes Forschungsfeld. Das Konglomerat verschiedenster Partikel lässt Rückschlüsse auf Umwelt, Bewohner und ihre Gewohnheiten zu.
Alle paar Jahre wertet das Umweltbundesamt (UBA) volle Staubsaugerbeutel aus Hunderten von Haushalten in Deutschland aus. »Darin findet sich ein Sammelsurium von Partikeln, etwa Plastikabrieb, Haare, Hautschuppen, Schimmelsporen, Hausstaubmilben und deren Kot, Pollen, Humus und Mineralien«, berichtet UBA-Forscher Wolfram Birmili. Beim Vergleich der Analysen lassen sich über die Jahre Veränderungen ablesen, die Basis wertvoller Erkenntnisse sind. Zum Beispiel konnten Wissenschaftler sehen, dass die Belastung mit bedenklichen Phthalaten, die als Weichmacher dienen, zurückgegangen ist. Doch schon die Aufzählung all der unterschiedlichen Bestandteile von Hausstaub macht deutlich: Die Substanzen, die sich in der grauen Masse ansammeln, sind alles andere als gesund. So fanden Forscher der George Washington University aus den USA vor ein paar Jahren im Rahmen einer Metaanalyse 45 potenziell gefährliche Schadstoffe in diversen Staubproben.
Problem Nummer eins sind Allergien, denn Hausstaubmilbenkot, Pollen, Schimmel, Tierhaare sowie Proteine von Zimmerpflanzen können starke Allergene sein. »Es gibt keinen Innenraum, der frei von Allergenen ist«, sagt die Umwelthygienikerin Julia Hurraß vom Gesundheitsamt der Stadt Köln. Wahrscheinlich können sich manche Substanzen in ihrer Wirkung verstärken, wenn sie gemeinsam auftreten – in diesem Bereich ist die Forschung jedoch noch am Anfang. Daneben können im Staub Chemikalien vorkommen, die mitunter auch Nicht-Allergikern Probleme, etwa Atembeschwerden, bereiten.
Bevor sich Putzteufel ans Werk machen, sollten sie aber wissen: »Der sichtbare Staub am Boden ist nicht so schlimm«, sagt der Toxikologe Jeroen Buters vom Zentrum Allergie & Umwelt der TU München/Helmholtz-Zentrum München. Dabei handelt es sich nämlich um größere Partikel, die nicht eingeatmet werden. »Viel gefährlicher ist luftgetragener Staub.« Neben verschiedensten Allergenen kann man auf diesem Weg auch winzige Feinstaub-Teilchen einatmen, die allergische Symptome wie Asthma verschlimmern. Je kleiner die Partikel, desto tiefer können sie in den Körper eindringen. »Je nach Größe und Eindringtiefe der Teilchen sind die gesundheitlichen Wirkungen von Feinstaub verschieden«, heißt es beim Umweltbundesamt. Sie reichen von Schleimhautreizungen über lokale Entzündungen in den Atemwegen bis zu verstärkter Plaquebildung in den Blutgefäßen. Langfristig kann Feinstaubbelastung unter anderem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs führen.
Feinstaub kommt häufig von außen. Zum Beispiel entsteht er durch Verbrennungsmotoren und Reifenabrieb – belastet sind daher vor allem Wohnungen in der Nähe vielbefahrener Straßen. Aber auch in den Räumen selbst entsteht Feinstaub: immer dann, wenn hohe Temperaturen erzeugt werden, also durch Gasherde, Kaminöfen, Haushaltsgeräte und natürlich durch das Rauchen. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit entstehen durch brennende Kerzen und Räuchermännchen jede Menge Partikel. »Empfindliche Menschen sollten aufpassen«, sagt Birmili. Wer gesund ist, verträgt zwar gelegentlichen Kerzenqualm. Allerdings sollte man auf jeden Fall nach dem Ausblasen gut lüften.
Für Erwachsene sind in der Regel nur Partikel gefährlich, die eingeatmet werden können – also sehr kleine Teilchen. Anders ist das bei Kleinkindern, die am Boden krabbeln und viel in den Mund stecken. Sie schlucken auf diesem Weg auch gröbere Körnchen, an denen sich bedenkliche Chemikalien befinden können. »Ein Kleinkind nimmt im Schnitt 100 Milligramm Staub pro Tag auf«, sagt Hurraß. Da hilft nur eines: »regelmäßig wischen«.
Beim Putzen kann man aber viel falsch machen. Schlimmstenfalls werden die Partikel, die sich an Boden und Oberflächen befinden, nur aufgewirbelt, sodass Allergiker erst recht gefährdet werden. »Bei einem Vergleich mehrerer Schulen zeigte sich: Dort, wo am meisten geputzt wurde, fanden sich die meisten Partikel in der Luft«, berichtet Buters. Also den Staub einfach liegen lassen? Das kann keine Lösung sein. Beim Reinigen sollte man darauf achten, möglichst viele Partikel zu entfernen. Das schließt Feudeln aus, da der Staub dabei nur in der Luft verteilt wird.
Vor allem für Allergikerhaushalte empfiehlt Buters zuerst zu saugen, und zwar mit einem Gerät, das mit einem zusätzlichen Spezialfilter ausgestattet ist. Danach sei Wischen angesagt. Am besten lasse man parallel dazu einen Luftreiniger laufen, um so viele Partikel wie möglich einzufangen: In einer Studie fanden Buters und Kollegen kürzlich heraus, dass bestimmte Luftreiniger die Allergenbelastung in Innenräumen um etwa 80 Prozent reduzieren können.
Auch der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) hält Luftreiniger in bestimmten Fällen für sinnvoll. Zunächst sollten Hausstaubmilbenallergiker ihre Matratzen aber mit einem allergendichten Bezug umhüllen und Staubfänger entfernen. Teppichböden sollten mehrmals pro Woche mit einem Staubsauger mit speziellem Feinstaub-Filter gesaugt, glatte Böden ein- bis zweimal pro Woche feucht gewischt werden. »Wer dann immer noch Probleme hat, kann sich einen Luftreiniger anschaffen«, sagt DAAB-Pressereferentin Sonja Lämmel. »Dann sollte das Gerät aber auch zur Raumgröße passen.« Ein winziger Filter kann in einem riesigen Zimmer nämlich wenig bewirken.
Noch wichtiger als richtiges Putzen ist richtiges Lüften: Am besten sorgt man mehrmals am Tag für ein paar Minuten Durchzug. »Die Luft draußen ist normalerweise immer besser als drinnen – allein was die Kohlendioxid-Konzentration angeht«, sagt Hurraß. Dadurch sinkt auch die Luftfeuchtigkeit. Das wiederum macht Hausstaubmilben und Schimmelpilzen das Leben schwer.
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