Zu enge Bahnsteige

Flughafenbahnhof des BER geht gerade so als familienfreundlich durch

Sehr sauber ist es auf dem unterirdischen Bahnhof des Hauptstadtflughafens BER im brandenburgischen Schönefeld. Selbst die letzte Ecke ist gut ausgeleuchtet. Hinweisschilder machen die Orientierung leichter und es sind Damen- und Herrentoiletten mit Wickeltischen vorhanden. In der Apotheke am BER können Eltern bei Bedarf schnell noch Fiebersaft oder ein Pflaster kaufen. Das alles sind Pluspunkte. Mehrere Testpersonen haben den Bahnhof im Herbst vergangenen Jahres an verschiedenen Tagen unter die Lupe genommen. Sie bewerteten mit Schulnoten, inwiefern er familienfreundlich ist. Die Tester entdeckten viele positive Seiten, aber auch einige negative.

Unter dem Strich kam eine Durchschnittsnote von 2,3 heraus. Das reichte gerade noch für das Prädikat »Familienfreundlicher Bahnhof«, wie aus dem am Montag veröffentlichten Testbericht hervorgeht. Es sei der deutschlandweit erste Prüfbericht zur Familientauglichkeit eines Bahnhofs, teilte der Fahrgastverband Pro Bahn dazu mit. Er hatte sich für diesen Test mit dem Deutschen Familienverband (DFV) zusammengetan.

Das Modellprojekt sei in der Bundesrepublik einzigartig, hebt der DFV-Landesvorsitzende Wolfgang Haupt hervor. »Sogar europaweit gibt es keine Bewertungsmatrix, die zeigt, ob ein Bahnhof den Bedürfnissen von Familien entspricht.« Hier habe man gemeinsam mit dem Fahrgastverband »Neuland beschritten«.

Mit Kindern im Zug zu reisen, ist eigentlich eine tolle Sache. Man steht nicht mit dem Auto im Stau mit quengelnden Kleinen auf dem Rücksitz, deren Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist. Für eine entspannte Fahrt mit der Bahn ist aber Voraussetzung, dass der Zug pünktlich kommt und beim Umsteigen die Anschlüsse erreicht werden. Auch sollte das Ein-, Um- und Aussteigen mit Kinderwagen nicht zu einem Hindernislauf werden.

»Die Qualität eines Bahnhofs entscheidet darüber mit, ob der eigene Pkw stehengelassen wird und sich Familien für eine Zugfahrt entscheiden«, heißt es in der Vorbemerkung des Testberichts. Etwa 120 000 Reisende täglich passieren den Flughafenbahnhof, an dem innerhalb von 24 Stunden 400 Ankünfte und Abfahrten zu verzeichnen sind. Bei diesem Andrang ist es schon hinderlich, wenn es auf den langen Bahnsteigen sehr enge Abschnitte gibt – besonders auch für Eltern, die mit einem Kinderwagen aus- oder einsteigen. Pro Bahn und DFV nennen diese Engstellen eine »planerische und bauliche Fehlleistung«. Die Bahn wisse selbst, was da verbockt worden sei, und informiere mit einem leider auch noch schlecht sichtbaren Hinweisschild: »Verengter Bahnsteigbereich. Hier kein Aufenthalt!« Als regelrecht gefährlich stuften die Tester diese Situation ein.

Eine glatte 1,0 – besser geht‹s nicht – gab es dafür, dass nirgendwo Gepäckstücke oder Kinderwagen auf geneigten Flächen wegrollen können. Auch waren Wachleute oder Polizisten anzutreffen und die Videoüberwachung – an sich nicht unumstritten – erhöht nach den Kriterien von Pro Bahn das Sicherheitsgefühl und wurde mit einer 1,0 honoriert. Allerdings seien die Notrufsäulen so gut wie unauffindbar, was mit einer 5,4 die Gesamtnote für die Sicherheit wieder verhagelte. Unter dem Strich gab es in der Kategorie Sicherheit die Note 1,9. In jeder Kategorie sei »noch Luft nach oben«, heißt es.

Die Note 3,4 bedeutet im Unterricht ein noch ganz knapp befriedigendes Ergebnis. Doch der Testbericht nennt die 3,4 für die Barrierefreiheit unbefriedigend. »Kein Prüfer konnte nachvollziehen, dass vom Erd- zum Untergeschoss keine Rolltreppen eingeplant worden sind«, heißt es. Leider seien die Fahrstühle keine wirkliche Abhilfe für dieses bauliche Manko. Regelmäßig bildeten sich lange Warteschlangen. Die Zahl der Fahrstühle müsste verdoppelt werden.

»Eltern sind die Bahnkunden von heute und Kinder die Zugreisenden von morgen«, sagt Peter Cornelius, Landeschef von Pro Bahn. Mit der Bewertung wolle man Verbesserungen anstoßen und es so Familien erleichtern, auf die Schiene umzusteigen.

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