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Zurück zu alter Größe

Parteichef Xi Jinping lässt Chinas Muskeln spielen, Regierungschef Li Qiang gibt sich konziliant

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

Als Xi Jinping am Montagmorgen in die Große Halle des Volkes trat, erinnerte er die knapp 3000 Delegierten so deutlich wie selten zuvor an eine historische Vision. Erst mit der Gründung der Kommunistischen Partei konnte das Jahrhundert der landesweiten Erniedrigung überwunden werden, sagte der 69-Jährige in seiner Grundsatzrede. Und nun werde man wieder nach alter Größe streben: »Die große Erneuerung der chinesischen Nation ist unumkehrbar«.

Mit solch patriotischer Rhetorik läutete Xi das Ende des diesjährigen Volkskongresses ein. Besonders ein Ausspruch wird von seinem Auftritt in Erinnerung bleiben: Xi Jinping kündigte an, die Volksbefreiungsarmee zu »einer großen Mauer aus Stahl« zu formen, um Chinas nationale Sicherheit zu gewährleisten. Die dahinter liegende Botschaft war klar: Früher konnten ausländische Kräfte das Reich der Mitte kolonialisieren und in die Knie zwingen, weil es militärisch und technologisch unterlegen war. Nun, da Xi erneut eine »Kampagne der Unterdrückung« aus Washington wittert, müsse man alles dafür tun, dass sich die Geschichte nie mehr wiederhole.

Auch bei der sogenannten Taiwan-Frage machte der Parteivorsitzende deutlich, dass Peking keine »ausländische Einmischung« auf dem Weg zur »Wiedervereinigung« duldet. Doch er scheute diesmal davor zurück, im Gegensatz zu früheren Reden eine direkte militärische Drohung gegenüber dem demokratisch regierten Inselstaat auszusprechen.

Und wirklich neu war keine von Xi Jinpings Kernbotschaften. Dennoch geht mit dem heutigen Montag endgültig eine Reformära zu Ende, die der 1992 verstorbene Deng Xiaoping einleitete, indem er marktwirtschaftliche Reformen zuließ, die Partei und Regierung voneinander trennte und auch die Macht innerhalb der Regierung auf ein mehrköpfiges Führungsgremium verteilte. Nie wieder sollte es einen Alleinherrscher wie Mao Tsetung geben, der das Land ins Chaos stürzte.

Xi Jinping hat sich nun von fast allen dieser Grundsätze verabschiedet; nicht zuletzt hat er sich als erster chinesischer Staatschef seit Mao eine dritte Amtszeit zugesichert. Mehr noch: Er hat sich vom konsensbasierten Führungsmodell verabschiedet und allein enge Verbündete in seine Führungsmannschaft geholt. Auch sein Persönlichkeitskult hat mittlerweile Orwellsche Maße angenommen.

Angesichts dessen war der erste öffentliche Auftritt der neuen Nummer zwei im Land durchaus bemerkenswert. Li Qiang, bis letzten Herbst Parteisekretär von Shanghai, gab am Montagvormittag seinen Einstand als Premier mit einer knapp anderthalbstündigen Pressekonferenz. Und der 63-Jährige ließ keinen Zweifel offen, dass er – obwohl eingeschweißter Xi-Loyalist – in seiner Gesinnung pragmatisch und marktwirtschaftlich orientiert ist. Und seine Rhetorik bediente keine nationalistischen Ängste, sondern sprach vergleichsweise offen und in einigen Punkten selbstkritisch die realen Probleme der Bevölkerung an.

Mehrfach versuchte Li ganz direkt internationale Investoren zu beschwichtigen – wohl um den Eindruck zu vermeiden, dass die ideologisch motivierte Lockdown-Politik der letzten Jahre sich wiederholen könne. Die Regierung solle sich darum bemühen, ein »freundliches Geschäftsumfeld zu schaffen und sich um private Unternehmer kümmern«, sagte er.

Und auch gegenüber den USA stimmte er einen moderaten Tonfall an: Die beiden größten Volkswirtschaften seien wirtschaftlich eng miteinander verbunden und würden von ihrer gegenseitigen Entwicklung profitieren. »China und die USA können und müssen zusammenarbeiten«, sagte Li Qiang. Damit setzte er sich deutlich von Xi Jinpings jüngster Aussage ab, dass die USA und weitere Länder Chinas Aufstieg »eindämmen« wollten.

Tatsächlich führt US-Präsident Joe Biden eine harte Industriepolitik gegen die Volksrepublik, die jüngst in Technologie-Sanktionen gipfelte. Doch gleichzeitig verschweigt Xi Jinping dank seines flächendeckenden Zensurapparats jegliche offene Debatte über die dahinter liegenden Gründe: Noch als Barack Obama eine offene Hand gen Richtung Peking streckte, »dankte« es die Volksrepublik ganz und gar nicht – im Gegenteil: China verstieß gegen internationales Recht und annektierte Teile des Südchinesischen Meers.

Und auch, dass die Vereinigten Staaten die Aufnahme Chinas in die Weltorganisation (WTO) begrüßt und auch maßgeblich beim rasanten wirtschaftlichen Aufstieg des Landes geholfen haben, möchte man in Peking dieser Tage am liebsten vergessen.

Stattdessen weht gegenüber Washington ein ganz anderer Wind. Das hat der neue Außenminister Qin Gang während seiner Presskonferenz beim Volkskongress eindrücklich bewiesen: Wenn die Vereinigten Staaten ihre falsche China-Politik fortführen würden, sagte der ehemalige US-Botschafter, dann wären die Folgen »sicherlich Konflikt und Konfrontation«.

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