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Erling Haaland gegen Statisten aus Leipzig

Der Norweger schießt Manchester City mit fünf Toren ins Viertelfinale

  • Ullrich Kroemer, Manchester
  • Lesedauer: 5 Min.
Nicht zu halten: Manchesters Erling Haaland (l.) entwischte den Leipzigern um Josko Gvardiol ein ums andere Mal.
Nicht zu halten: Manchesters Erling Haaland (l.) entwischte den Leipzigern um Josko Gvardiol ein ums andere Mal.

Mit 1,94 Metern war Erling Haaland ohnehin der größte Spieler auf dem Platz. Doch im Laufe des magischen 7:0 (3:0)-Triumphs im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen RasenBallsport Leipzig bekam der 22-Jährige in der Wahrnehmung noch einmal einen gewaltigen Wachstumsschub. Mit seiner Präsenz füllte der Wunderstürmer anscheinend den ganzen Platz: all eyes on Erling. Mit fünf Toren, darunter ein Hattrick in der ersten Hälfte, stellte der blonde Hüne den Rekord von Lionel Messi mit dem FC Barcelona und Luiz Adriano für Schachtjor Donezk in der Königsklasse ein.

Nach der historischen Haaland-Show erhoben sich die 52 000 Fans im Stadion ungläubig von ihren Sitzen und applaudierten gebannt, als City-Trainer Pep Guardiola ihn nach einer guten Stunde auswechselte. »Ich habe Pep gesagt, als ich vom Platz ging, dass ich gern einen doppelten Hattrick erzielt hätte«, sagte der Norweger lächelnd am TV-Mikro. »Aber was soll ich machen?« Guardiola konterte schlagfertig: »Ich habe ihm die Chance gegeben, in der Zukunft noch Ziele zu haben.«

Den Spielball sicherte sich Erling Haaland nach Abpfiff dennoch, klemmte sich die Kugel unter den Arm und drehte eine kleine Ehrenrunde auf dem Platz, während der Eurodance-Klassiker »No limit« aus den Boxen wummerte. Keine Grenzen – das gilt für Haaland derzeit wie für keinen zweiten Stürmer weltweit. 39 Tore in seinen ersten 36 Partien für die »Cityzens« hat er bislang erzielt, so viel wie keiner vor ihm. Und nie zuvor hatte ein Fußballer in diesem Alter die Marke von 30 Treffern in der Champions League geknackt. Man könnte die Liste fortsetzen, in nahezu jeder Partie erzielt Haaland neue Rekorde.

Der Superstar nahm das Bohei um seine Person nach dem Spiel selbst eher skandinavisch wortkarg zur Kenntnis. »Das war fantastisch, 7:0 zu Hause, fünf Tore zu schießen, ich bin wirklich stolz und glücklich«, sagte er verlegen. »Nach fünf Toren muss ich eigentlich gar nicht viel sagen.« Der junge Mann aus Molde lässt lieber seine Tore sprechen. Und das sehr viel lauter als beim 1:1 im Hinspiel.

Die Diskussion, die britische Medien vor dem Spiel konstruiert hatten, ob Haaland zum Guardiola-Fußball passe und umgekehrt, ist angesichts dieser Zahlen völlig paradox. »Du weißt nicht, spielen sie tief oder kurz? Sie haben mehr Möglichkeiten, sie können Erling als Wandspieler nutzen oder ihn in tiefe Räume schicken. Sie sind jetzt noch kompletter«, sagte Leipzigs Trainer Marco Rose verwundert. »Wenn er noch ein Jahr länger hier ist und genauer weiß, was Pep will, wird es noch besser.« Als ein britischer Reporter noch einmal nachbohrte, ergänzte Rose: »Wenn ihr ihn nicht wollt, schickt ihn zu mir! Nur für die letzten zehn Spiele, dann bekommt ihr ihn zurück. Ich liebe ihn, als Typ und Spieler.«

Haaland zeigte all seine Qualitäten gegen die Leipziger, die sich vor dem Spiel viel ausgerechnet hatten und die er zu schlechten Statisten degradierte. Der ehemalige Dortmunder hatte schon im Trikot der Schwarz-Gelben oft und gern gegen RB getroffen. Bei dem Spektakel im rauen Osten Manchesters netzte er vom Elfmeterpunkt ebenso wie per Kopf, drückte Bälle über die Linie und schaltete bei Standardsituationen im Getümmel am schnellsten – ein kompletter Stürmer eben.

Der ehemalige Leipziger Stürmer Uwe Rösler, der bei Manchester City in den 90ern zur Legende wurde, sagte dem Portal RBlive: »Er adaptiert in kürzester Zeit das nächsthöhere Niveau und meistert das. Er hat kaum Rückschläge. Wie er mental den Erwartungsdruck meistert, sich immer weiter verbessert im Kombinationsspiel, im Kopfballspiel, bei der Boxbesetzung, im Abschluss, immer im richtigen Moment an der richtigen Stelle steht und bei seinen tiefen Läufen kaum ins Abseits läuft, ist phänomenal.«

Für die Leipziger hingegen ist das nicht so einfach mit dem nächsthöheren Level. Zu den besten 16 Teams in Europa gehörte das Team von Rose nun bereits dreimal. Doch das 0:7-Debakel, die höchste Niederlage in 14 Jahren Klubgeschichte, zeigt auch, wie groß der Unterschied zur Weltspitze noch ist. Um sich gegen Citys Wucht zu wehren, fehlte RB schlicht die Klasse. Wenn Verletzungen wie die von Christopher Nkunku, Dani Olmo und Xaver Schlager ins Kontor schlagen und Leipzig nicht ins Pressingspiel kommt, ist das Team den Herausforderungen nicht gewachsen. Im Kader sind zu viele durchschnittliche Spieler wie Amadou Haidara, Kevin Kampl und Lukas Klostermann.

»Wir waren chancenlos, am Ende haben wir unser Gesicht verloren«, bekannte Leipzigs neuer Sportchef Max Eberl nach dem Untergang. Es wird für ihn und Trainer Rose eine immense Herausforderung, die Mannschaft in den nächsten Jahren so umzubauen, dass sie eines Tages bereit für dieses Niveau ist.

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