Westdeutsche suchen und finden Arbeit in Brandenburg

Bilanz der Wirtschaftsförderung Brandenburg weist ein Rekordergebnis aus

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Während jahrzehntelang junge Ostdeutsche auf der Suche nach Arbeit in den Westen ziehen mussten, hat sich die Tendenz inzwischen umgedreht. Das bestätigte am Freitag Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), als die Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) ihre Bilanz für das vergangene Jahr vorstellte.

2022 wurden durch die Ansiedlung von Unternehmen in Brandenburg fast 10 000 Arbeitsplätze geschaffen. Auf die Frage, wer die Stellen angesichts des Fachkräftemangels
eigentlich besetzen solle, verwies Steinbach auf Zuzüge aus den westdeutschen Bundesländern. Die dort angesiedelten großen Automobilhersteller hätten angekündigt, zwischen 10 000 und 15 000 Arbeitsplätze abzubauen, informierte Wirtschaftsminister Steinbach. Für ihn sei zumindest ein Teil der Betroffenen eine Quelle für Arbeitskräfte, die im Land Brandenburg heute oder schon bald gebraucht würden. Der Trend, dass Ostdeutsche wegen der Arbeit nach Westdeutschland zögen, habe sich »längst umgedreht«. Man lebe in anderen Verhältnissen als vor 30 Jahren. Damals verloren laut Steinbach 70 bis 80 Prozent der Menschen ihre Arbeit in der gewerblichen Wirtschaft Ostdeutschlands. Viele waren gezwungen, ihre Heimat in Richtung Westen zu verlassen. Inzwischen bestehe für ostdeutsche Eltern die Sicherheit, dass ihre Kinder auch in der Heimat ein ordentliches Auskommen finden könnten. Allerdings könne durch Zuzüge aus Westdeutschland nur ein Teil der benötigten Fachkräfte gewonnen werden. »Ohne
Zuwanderung aus dem Ausland wird es dennoch nicht gehen«, sagte Steinbach.

Was die Ansiedlungen des vergangenen Jahres betraf, schwelgte der Minister in Rekordzahlen. Alle Befürchtungen, man werde die steigenden Preise mit allen negativen Folgen nicht in den Griff bekommen, »sind so nicht eingetreten«, sagte er. In noch nie dagewesenem Umfang interessierten sich Firmen für Brandenburg. Zum »herausragenden Ergebnis« gehöre auch, dass man umgehend für den insolventen Getränkehersteller Baruther Urstromquelle einen Investor als Ersatz gefunden habe. Kein Mitarbeiter habe entlassen werden müssen. Und das sei keineswegs der einzige Betrieb gewesen, der nach der Pleite eine Zukunft habe. Insgesamt 1,84 Milliarden Euro seien die Investitionen wert, die 2022 in Brandenburg getätigt worden seien – eine in früheren Jahren geradezu unvorstellbar hohe Zahl. »Die Wirtschaftsfördergesellschaft hat all ihr Parameter übererfüllt«, meinte Steinbach.

Von 305 Investitionsprojekten sprach WFBB-Chef Steffen Kammradt. Von der sensationellen Geschwindigkeit, mit der am Tesla-Standort in Grünheide eine Autofabrik mit inzwischen rund 10 000 Beschäftigten errichtet worden sei, einmal abgesehen: »Mit SVolt in Lauchhammer kommt nun ein Spezialist für Batterien hinzu«, so Kammradt. Er nannte außerdem die Holzverarbeiter Renggli in Eberswalde sowie Classen und Binderholz in Baruth/Mark. Brandenburg sei auf dem Weg, sich zu einem neuen Industriezentrum Deutschlands zu entwickeln, erklärte Kammradt selbstbewusst. Trotz Ukraine-Krieg und Krise habe er 135 weitere Anfragen für das laufende Jahr auf dem Tisch. Damit liege die Zahl immer noch um ein Viertel höher als vor der Corona-Pandemie.

Auf die dunklen Wolken über der Raffinerie in Schwedt habe man »als Feuerwehr« reagiert und in der Stadt ein Außenbüro der Wirtschaftsförderung eingerichtet, verkündete WFBB-Geschäftsführer Sebasian Saule. Aktiv werde man so den rund 100 ansässigen Unternehmen
bei der »Transformation nach dem Ölembargo gegen Russland« mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dabei gehe es um die Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen, um die Suche nach neuen Geschäftsfeldern und die Erschließung neuer Märkte.

Die Neuansiedlungen seien zunehmend nicht auf dem inzwischen »gesättigten« Berliner Speckgürtel beschränkt. Mittlerweile rückten auch die Prignitz und die Uckermark ins Blickfeld von Investoren. Gegenüber Berlin sei Brandenburg vor allem dadurch im Vorteil, dass es noch über ausreichend Gewerbeflächen verfüge, ließ Minister Steinbach durchblicken. Laut Kammradt ist ein Prozent der Landesfläche als Gewerbegebiet ausgewiesen.

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