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NRW-Grüne: Fast kein Wort zu Lützerath
NRW-Grüne feiern sich beim kleinen Parteitag selbst
Parteitage sind nicht unbedingt die Veranstaltungen, bei denen Parteien Entscheidungen aus der Vergangenheit aufarbeiten. Nach vorne schauen ist in der Regel angesagt. Der politischen Konkurrenz wird eingeschenkt und die eigenen Vorhaben werden hochgelobt.
Von dieser Regel gibt es aber Ausnahmen. Verdenken kann es den Grünen niemand, dass sie am Sonntagvormittag, elf Stunden nachdem die letzten drei deutschen Atomkraftwerke vom Netz gegangen sind, ihren Erfolg gefeiert haben. Zu Beginn des Parteitags freute sich der Landesgeschäftsführer der nordrhein-westfälischen Grünen, dass er die 100 Delegierten zum ersten Treffen in »einer Republik, die die Risikotechnologie Atomkraft hinter sich gelassen hat« begrüßen durfte. Die Bundestagsfraktionsvorsitzende Katharina Dröge sprach wenig später von einem »historischen« Wochenende. Dass der Ausstieg jetzt Realiät geworden ist, sei ein Erfolg der Grünen, war sich Dröge sicher. Ohne die Partei in der Bundesregierung hätte es im letzten Sommer mit Sicherheit eine Laufzeitverlängerung gegeben, glaubt die Kölnerin. Auch Dröges Co-Vorsitzende Britta Haßelmann sprach von einem »historischen Tag« und vergaß im Gegensatz zu anderen Redner*innen nicht, auch die Rolle von außerparlamentarischen Gruppen und Bürgerinitiativen beim Kampf gegen die Atomkraft zu betonen. In ihrem Redebeitrag kritisierte Haßelmann auch den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Dessen Idee vom Atomkraftwerk Isar 2 in bayerischer Eigenregie erteilte sie eine Abfuhr und erklärte, dass man auch Bayern bei der Endlagersuche einbeziehen müsse.
Von einem anderen Thema hätte man erwarten können, dass es bei der gut zweistündigen Debatte zur aktuellen politischen Lage auch auf den Tisch kommt: Die Räumung von Lützerath im Januar und der damit einhergehende Braunkohleabbau bis 2030. Schließlich gab es vor der Räumung lange Unterschriftenlisten von Grünen-Mitgliedern und mancher unkte, Lützerath und die Kohlepolitik könnten für die Grünen zu einer ähnlichen Krise führen wie Hartz4 für die SPD. Davon kann offensichtlich keine Rede mehr sein. Nur der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak nahm das Wort Lützerath überhaupt in den Mund, aber nur als Negativbeispiel für diejenigen, die wegen dieser Einzelentscheidung die ganze Partei verdammten. Sonst sprach niemand darüber, auch nicht die Vertreter*innen der Grünen Jugend. Hinter verschlossenen Türen soll es freilich anders zugehen, sowohl in der Landtags- als auch in der Bundestagsfraktion soll weiter kontrovers über die Kohlepolitik der Partei diskutiert werden.
Hauptthema des Treffens war die Strategie gegen den Fach- und Arbeitskräftemangel. Es ging um Rezepte der Partei, mehr für die Bildung tun, mehr Möglichkeiten zur beruflichen Qualifikation schaffen und die Potenziale von Migrant*innen zu zu nutzen.
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