Gekündigte Rider: Schrumpfstreikrecht

Das Urteil im Gorillas-Prozess schreibt die reaktionäre Tradition fort, in der die Beschränkungen des deutschen Streikrechts stehen

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 1 Min.

Die Möglichkeit zu streiken, schützt den Lohnarbeiter davor, seinem Chef machtlos ausgeliefert zu sein. Und das Recht auf Streik ist über Artikel 9 im Grundgesetz verankert, einerseits. Es ist anderseits Richterrecht, also durch Rechtsprechung geformt. Diese steht in ausgesprochen reaktionärer Tradition. Das Verbot von Ausständen etwa, zu denen keine tariffähige Gewerkschaft aufgerufen hat, geht auf den NS-Arbeitsrechtler Nipperdey zurück, der in der frühen BRD Präsident des Bundesarbeitsgerichts war. 

Dass das Landesarbeitsgericht Berlin mit seinem Urteil zuungunsten dreier Ex-Kuriere des Lieferdienstes Gorillas, die wegen eines solchen »wilden« Streiks gefeuert worden waren, diese Tradition fortschreibt, ist bitter. Denn so bleibt einer wachsenden Zahl von Lohnabhängigen ein Grundrecht de facto vorenthalten. In Start-Ups, die nur wenige Monate existieren, in kurzfristigen, an Arbeitsvisa hängenden Ausbeutungsverhältnissen sind langwierige gewerkschaftliche Organisierungsprozesse oder Betriebsratsgründungen oft nicht möglich. Welche Optionen, sich kollektiv zu wehren, haben solche Arbeiter*innen dann noch? Das Gericht hat auf diese Frage mit einem Achselzucken geantwortet. 

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