Klimaanlagen als Luxusgut

Rekord-Temperaturen verwandeln das südliche Asien in einen Backofen

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
In Indien stiegen die Temperaturen schon in diesem Monat auf über 40 Grad.
In Indien stiegen die Temperaturen schon in diesem Monat auf über 40 Grad.

Heiß, heißer, am heißesten. In nahezu allen Ländern Süd- und Südostasiens hatten die Menschen in den letzten Wochen dieser Steigerung gefühlt noch eine vierte Stufe hinzugefügt. Zwar sind April und zum Teil noch Mai in dieser Weltregion die wärmsten Monate des Jahres, in der die Quecksilbersäule des Thermometers, bevor der einsetzende Monsun Erleichterung bringt, weit nach oben steigt. Doch in diesem Jahr kratzten die Mittagstemperaturen nicht mal nur tageweise an der 40-Grad-Marke. 

Gleich über Wochen hinweg hielten sie sich bei extrem hohen Werten, sodass die meteorologischen Karten zwischen dem indischen Subkontinent und dem festländischen Teil Südostasiens nahezu komplett tiefrot eingefärbt waren. Bisherige Temperaturrekorde purzelten zur Monatsmitte gleich reihenweise. Maximiliano Herrero, ein Klimatologe und Wetterhistoriker, sprach von der schlimmsten Hitzewelle, die Asien je getroffen habe.

Gerade Indien hatte bereits im Vorjahr um die gleiche Zeit leidvolle Erfahrungen mit einer Hitzewelle sammeln müssen, die deutlich über das jahreszeittypische heiße Wetter hinausging und nicht nur die Ernte auf vielen Feldern verdorren ließ. 2023 hielt aber nochmals eine Steigerung bereit. Weite Teile des Landes wurden regelrecht in einen Freiland-Backofen verwandelt, auch in benachbarten Gebieten Pakistans und Bangladeschs sieht es nicht anders aus. In Dhaka wurden erstmals seit nahezu sechs Jahrzehnten Messwerte deutlich über 40 Grad registriert. 

Für die mehrheitlich muslimischen Länder Pakistan und Bangladesch fielen die Extremtemperaturen ausgerechnet mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan zusammen, der erst voriges Wochenende mit dem Zuckerfest endete. Die fehlende Nahrungsaufnahme tagsüber belastet den menschlichen Körper selbst bei Geübten ohnehin, hinzu kam nun noch die Monster-Hitze, gegen die die meisten keine nennenswerten Schutzmaßnahmen hatten. Klimaanlagen sind dort ohnehin ein Luxusgut, doch gerade im bitterarmen Bangladesch gab es durch die Überlastung zudem ausgedehnte Stromausfälle, von denen auch aus manchen indischen Gebieten berichtet wurde.

Vor allem der Unionsstaat Westbengalen beließ seine Schüler in der Vorwoche, als sich die Lage nochmals zuspitzte, vorsorglich zu Hause. Auch in einigen anderen Regionen blieben Schulen geschlossen oder wurde zumindest auf den Nachmittagsunterricht verzichtet. Mindestens 13 Menschen sollen allein in Indien durch die Hitzewelle gestorben sein. Im Nordosten haben einsetzende Regenfälle nun seit Sonntag für eine willkommene Abkühlung gesorgt. Auch in den besonders geplagten Teilen Südostasiens sind für die nächsten Tage Niederschläge und ein Absinken der Extremtemperaturen vorausgesagt. Dabei werden wegen des Zusammenpralls der verschiedenen Luftmassen mitunter schwere Unwetter erwartet.

In Myanmars historischer Tempelstadt Bagan wurde mit 45 Grad für dieses Land ein neues Allzeit-Hoch registriert, auch die 44 Grad in Shwebo und einige andere Werte waren lokal die höchsten, die dort je gemessen wurden. Bisherige Rekorde wurden ebenso in Laos eingestellt, wo die neuen Maximalwerte jenseits von 42 Grad lagen. 

Regelrecht auf offener Straße geröstet wurden die Menschen aber insbesondere in Thailand. Statt des für den April üblichen Schnitts von 37 Grad wurden in der im nördlichen Zentrum gelegenen Provinz Tak 45,4 Grad registriert. Auch in der Hauptstadt Bangkok, einem der größten urbanen Ballungsräume der Region, hielten sich die Temperaturen mehrere Tage am Stück jenseits der 40-Grad-Marke. 

Wer konnte, flüchtete zwischendurch in die stark gekühlten Shoppingcenter oder die Filialen der 7Eleven-Ladenkette, wo die Klimaanlagen immer besonders stark aufgedreht sind. Die gefühlten Temperaturen in einem Drittel der 77 thailändischen Provinzen lagen sogar bei bis zu 54 Grad, und die Behörden hatten eine amtliche Warnung ausgesprochen: Wer könne, solle sich gar nicht im Freien aufhalten. Vielen der Ärmeren in ihren Berufsgruppen war es nur schwer möglich, diesem dringenden Rat nachzukommen. Ein neuer Extremwert wurde überdies beim Stromverbrauch registriert.

Asiens Monster-Hitzewelle anno 2023 ist für Abermillionen ein einschneidendes Erlebnis, die letzte ihrer Art wird sie kaum gewesen sein. Und je häufiger es in jüngster Zeit zu solchen Extremwerten kommt, desto schwerer falle es unter anderem Indien, seine Zielmarken bei den nachhaltigen Entwicklungszielen wie beim Kampf gegen den Hunger zu erreichen. Das hat gerade dieser Tage ein Wissenschaftsteam der Cambridge University in einer neuen Studie unterstrichen.

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