2. Mai 1933: Der »dunkelste Tag« für die deutschen Gewerkschaften

Vor 90 Jahren zerschlugen die Nationalsozialisten den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Besetzung des Gewerkschaftshauses am Berliner Engelufer am 2. Mai 1933
Besetzung des Gewerkschaftshauses am Berliner Engelufer am 2. Mai 1933

Der 2. Mai 1933 hat sich in das kollektive Gedächtnis der deutschen Gewerkschaftsbewegung eingebrannt. An diesem Tag zerschlug Hitlers NS-Regime den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB). »Der 2. Mai 1933 war der dunkelste Tag in der Geschichte der deutschen Gewerkschaften. Nazis stürmten die Gewerkschaftshäuser und besiegelten damit das Ende der freien Republik. Gewerkschaften stehen für die Verteidigung und den Ausbau der Demokratie«, erinnert IG-Metall-Chef Jörg Hofmann heute.

Mit bis zu acht Millionen Mitgliedern war der ADGB in der Zeit der Weimarer Republik die weltweit größte nationale gewerkschaftliche Dachorganisation und stand der SPD nahe. Anders als die kommunistische Konkurrenzorganisation Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition (RGO), die mit der KPD sympathisierte, konnte sich der ADGB nicht entscheiden, nach der Machtübernahme Adolf Hitlers in den Widerstand zu gehen.

Zwar hatten auch freigewerkschaftliche Funktionäre bereits im Zusammenhang mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 dies erwogen, doch diese Überlegungen wurden wegen der Gefahr gewalttätiger Konflikte und der durch die hohe Erwerbslosigkeit verursachten Schwächung der Arbeiterorganisationen verworfen. Stattdessen rief die ADGB-Führung die Arbeiter*innen auf, »Disziplin« zu wahren. Nachdem der 1. Mai zum arbeitsfreien Tag erklärt wurde, rief die ADGB-Führung Mitte April 1933 sogar zur Teilnahme an den NS-Feiern anlässlich des »Tages der nationalen Arbeit« auf.

Doch die Anpassung ans NS-Regieme rettete den ADGB nicht. »Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt«, schrieb Propagandaminister Joseph Goebbels am am 17. April 1933 in sein Tagebuch. So sollte es dann auch kommen. Am Morgen des 2. Mai 1933 besetzten die Nationalsozialisten die Büros der Einzelorganisationen des ADGB. Zahlreiche Funktionäre kamen in »Schutzhaft«. Nicht wenige wurden gefoltert, einige ermordet. Die Gewalt hielt tagelang an. Das Vermögen wurde eingezogen und in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) überführt, die sich als »Einheitsverband« von Beschäftigtenund Unternehmen inszenierte und sich die »Ausrottung des Marxismus« auf die Fahnen schrieb.

Tarifverhandlungen gab es nun nicht mehr, Selbstgestaltungsmöglichkeiten im Arbeitsverhältnis verschwanden, Streiks waren faktisch unter Androhung von Strafen für illegal erklärt worden. »Die Zerschlagung der Gewerkschaften war ein sehr bedeutender Schritt zur Festigung der nationalsozialistischen Herrschaft. Für demokratische Gewerkschaften und eine echte betriebliche Interessenvertretung war kein Platz in einem undemokratischen System«, erklärt der Historiker Stefan Heinz.

Für Heinz ist der 2. Mai 1933 zugleich der Ausgangspunkt für den gewerkschaftlichen Widerstand gegen den NS-Staat. »Bald entstanden illegale Gruppen, in denen sich vergleichsweise viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter organisierten«, erzählt der Historiker weiter. Mehrere Tausend seien inhaftiert worden, nicht wenige verloren ihr Leben. »Gewerkschaftlicher Widerstand gegen den NS-Staat war wesentlich umfangreicher als gemeinhin angenommen wird«, so Heinz. Gerade unter den Metallarbeitern gab es erhebliche Auflehnung. Sie ist verbunden mit Namen wie Alwin Brandes, Max Urich, Heinrich Schliestedt, Willy Rößler und Richard Teichgräber, die an der Spitze eines illegalen Netzwerkes standen. Sie waren ehemalige Funktionäre des Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV), der bis 1933 größten Gewerkschaft der Welt.

»Gewerkschaften stehen für die Verteidigung und den Ausbau der Demokratie. Als Einheitsgewerkschaften heute haben wir aus den bitteren Erfahrungen von 1933 gelernt«, zieht IG-Metall-Chef Jörg Hofmann Lehren aus der Geschichte. Man sei wachsam und entschieden im Kampf gegen Spaltung, Ausgrenzung, Rassismus und Verschwörungstheorien. »Demokratie in Wirtschaft und Gesellschaft sowie Vielfalt und ein solidarisches Miteinander, das sind unsere Werte. Die Durchsetzung demokratischer, sozialer und ökologischer Werte ist unser Zielbild für die Arbeitsgesellschaft von morgen«, so Hofmann.

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