Wassermangel in Katalonien: »Die Dürre sticht uns von hinten ab«

Spanien leidet unter der Trockenheit und der Hitze im Frühjahr. Schon jetzt wird das Wasser rationiert

  • Ralf Streck, Amposta
  • Lesedauer: 8 Min.

Die Sonne brennt unbarmherzig vom Himmel. Das Thermometer steigt im bergigen Hinterland der katalanischen Provinz Tarragona schon Ende April auf fast 30 Grad. Der Wind pfeift über das vertrocknete Mittelmeer-Hinterland auf 700 Meter Höhe. Ein Blick auf Stauseen hier, die es in Spanien zuhauf gibt, spricht Bände. »So tief war der Wasserstand im Frühjahr noch nie«, erklärt ein älterer Anwohner. Er schaut vom idyllischen Dorf Siurana hinab auf die traurige Pfütze hinter der Staumauer. Die Umstehenden nicken.

Der größte Teil der Seefläche ist ausgetrocknet. Zuflüsse sind versiegt. Der See ist nur noch zu acht Prozent gefüllt. Sonst regnet es hier im Frühjahr öfter. Doch im März und April regnete es in Katalonien viel zu selten. Es gab nur 14 Prozent der Regenmenge, die eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Vor einem Jahr war der See immerhin noch zu einem Drittel gefüllt. »Seit 30 Monaten haben wir im Oberlauf der Flüsse kaum Niederschläge mehr verzeichnet«, bestätigt Xavier Duran.

Der Sprecher der katalanischen Wasserbehörde ACA redet von einem »Extremszenario«, das noch verheerender ist als die Dürre 2007 und 2008, als es in 18 Monaten kaum regnete. Damals waren die Stauseen in Katalonien zu einem Fünftel gefüllt, jetzt gibt es noch ein Viertel der Wassermenge. Aber der heiße Sommer steht noch bevor. Meerentsalzungsanlagen sorgen zwar für etwas Entspannung, deren Kapazität wurde im Februar 2022 »von 20 auf 85 Prozent gesteigert«, berichtet Duran. Dennoch gibt es für mehr als die Hälfte aller Gemeinden Einschränkungen bei der Wasserentnahme. Wöchentlich kommen neue hinzu, die ein »Dürreplan« festlegt.

Noch werden Golfplätze bewässert, Schwimmbäder gefüllt, und auch Wasser-Vergnügungsparks sind in Betrieb. Das ruft allerdings Unmut hervor, da Landwirten das Wasser stark limitiert wird. Sie dürfen, je nach Alarmzone, eigene Brunnen nicht mehr nutzen. Obstbäume sollen im Umland der Provinzstadt Lleida zum Beispiel nur noch bewässert werden, um sie vor dem Vertrocknen zu retten. Die Ernte ist auf einer Fläche von rund 70 000 Hektar, auf denen auch Getreide angebaut wird, schon jetzt verloren.

Golfplätze sind dagegen Großverbraucher. Die Tageszeitung »El Periódico« rechnet vor, dass sie allein zehn Prozent des Wassers in Katalonien verbrauchen. Damit könnten alle 1,6 Millionen Einwohner Barcelonas anderthalb Monate versorgt werden. Es beruhigt wenig, wenn die ACA darauf verweist, dass es sich bei fast zwei Dritteln des Golfplatz-Wassers um wiederaufbereitetes handele. Auch das könnte die Landwirtschaft gebrauchen. Gut ein Drittel komme aus deren eigenen Brunnen, meint die ACA. Es sorgt trotzdem für Streit, wenn zum Beispiel die Gemeinde Castellterçol in der Provinz Barcelona Trinkwasser per Tankwagen erhält, während der nahe Golfplatz weiter berieselt wird.

Obwohl sich die Wasserknappheit sogar noch zuspitzt, sollen bestimmte Begrenzungen jetzt aufgeweicht werden. Man arbeite daran, »das Füllen von kommunalen und gemeinschaftlich genutzten Schwimmbädern als Zufluchtsorte bei Hitzewellen zu erlauben«, erklärt Duran. Und die Sprecherin der katalanischen Regierung, Patrícia Plaja, kündigt an, dies werde auch für Hotels und Campingplätze gelten. Dabei monieren Kritiker ohnehin schon, dass die Tourismusindustrie von den Einschränkungen weitestgehend unangetastet bleibt. Dabei gibt es Studien, die darauf hinweisen, dass ein Tourist fünfmal mehr Wasser verbraucht als ein Anwohner.

Man könne nur appellieren, sagt Eduard Gueteras, der Bürgermeister von Castellcir, einer Gemeinde im Hinterland Barcelonas. Er vermisst Handlungsmöglichkeiten bei Verstößen wie dem Befüllen der Schwimmbäder von Ferienhäusern. »Das ist untragbar«, sagte Guiteras der Tageszeitung »El País« im Hinblick auf die 300 000 Euro, die sein Dorf mit 800 Einwohnern schon für Wasserfahrten ausgegeben haben. Urlauber hielten sich an keine Beschränkungen, meinen Bewohner. Sie fürchten nicht nur, dass ihnen das Wasser abgestellt wird, sondern haben auch Angst, dass es zu Waldbränden kommt. Denn trotz eines Verbots werde weiter gegrillt.

Wie sich die Lage zuspitzt, davon zeugen besonders die Pegelstände der Stauseen in der Provinz Barcelona. Der große Sau-Stausee, etwa 50 Kilometer von den Gemeinden Castellterçol und Castellcir entfernt, war im Vorjahr noch zu 61 Prozent gefüllt. Jetzt sind es sieben Prozent. Er ist nahezu leer. Das einst geflutete Dorf Sant Romà de Sau ist längst wieder aufgetaucht, die Kirche liegt vollständig frei. Tonnenweise Fisch musste aus dem Wasser gezogen werden, um zu verhindern, dass Fischkadaver das Wasser kontaminieren und damit die Versorgung von Millionen Menschen noch stärker gefährden. Invasive Arten werden getötet, heimische Fische umgesetzt.

In dem Dorf L’Espluga de Francolí in der Provinz Tarragona bekommen die 3700 Einwohner den Wassermangel drastisch zu spüren. Zwischen 22 Uhr und 7 Uhr wird der Hahn zugedreht, weil die Brunnen die Versorgung nicht mehr sichern können. Aber selbst das reicht inzwischen nicht mehr aus. Seit dem Herbst 2021 beliefern Tankwagen die Ortschaft. Xavier Rosell, der für Umweltfragen zuständige Gemeinderat, meint: »Mit dem Klimawandel wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Der macht sich in den letzten zwei oder drei Jahren ganz besonders bemerkbar.«

Im Süden Spaniens entwickelt sich die Lage noch dramatischer. In Andalusien fallen die Pegelstände der Stauseen schnell. Im Durchschnitt sind sie nur noch zu einem Viertel gefüllt. Die Region ist schon jetzt Temperaturen ausgesetzt, die eigentlich erst im Sommer zu erwarten sind. Ende April wurden fast 40 Grad registriert. In Cordoba stieg das Thermometer auf 38,7 Grad. Damit wurde der bisherige April-Rekord aus dem Jahr 2017 um sogar 4,7 Grad übertroffen. Ähnlich sieht es in weiten Teilen Spaniens aus. Knapp ein Drittel des Landes befindet sich wegen der Wasserknappheit im Alarm- oder Notstand.

Die Lage wird sich wohl kaum entspannen. Es scheint, dass sich im Mai nichts an der Wetterlage ändere, sagt der spanische meteorologische Dienst Aemet. Überall fürchten Bauern um ihre Ernten. Landwirtschaftsverbände erklären, 60 Prozent aller Agrar- und Weideflächen seien schon jetzt vom Wassermangel betroffen. Landwirte trauen sich nicht, die Aussaat vorzunehmen, weil kein Regen in Sicht ist. Selbst die Oliven-Produktion ist von der Dürre betroffen, obwohl die Bäume Trockenheit gewohnt sind. Die Preise für Olivenöl schießen in die Höhe, weil während der Blüte das nötige Wasser fehlt.

Marc Ibeas von der landwirtschaftlichen Vereinigung Prodelta an der Ebro-Mündung befürchtet, dass die Konflikte ums Wasser noch zunehmen werden. Auch er beklagt einen »wenig verantwortlichen Wasserverbrauch im Tourismus«, während »Nahrungsmittelproduzenten schon Wasser abgestellt wird«. Bei Prodelta haben sich Bewässerungsgemeinschaften und Reis-Kooperativen im Ebro-Delta zusammengeschlossen: »Unserer Meinung nach sind Nahrungsmittel wichtiger als Golfplätze oder Tourismus.« Auch er sieht die Nahrungsmittelversorgung gefährdet und kritisiert, dass bei der Einfuhr von Lebensmitteln höhere Pestizidbelastungen erlaubt werden sollen. Im Februar etwa hat die EU-Kommission vorgeschlagen, den Grenzwert für das Fungizid Tricyclazol von 0,01 Milligramm pro Kilo Reis auf 0,09 zu erhöhen.

Während der Reisanbau im größten spanischen Anbaugebiet um Sevilla herum wegen Wassermangels vermutlich ausfallen wird, gab es im Ebro-Delta bis vor Kurzem Hoffnung. Im drittgrößten Reisanbaugebiet des Landes wurde schon ausgesät. Die Landwirte sind aber inzwischen verärgert über die spanische Wasserbehörde CHE. Die hat nämlich kürzlich beschlossen, die Wassermenge zu halbieren, was Albert Pons von der Landwirtschaftsvereinigung Unió de Pagesos nicht versteht: Er hätte ja durchaus weniger angebaut, um mögliche Verluste zu begrenzen. Aber die CHE habe zuvor versichert, dass es keine Beschränkungen bei der Wasservergabe geben werde. Jetzt also die Kehrtwende.

Der Zeitpunkt war denkbar schlecht gewählt, weil die Böden schon aufwendig nivelliert, Düngemittel eingearbeitet waren, Saatgut gekauft und ausgebracht war. »Viele werden ruiniert, wenn es ab Juli gar kein Wasser mehr gibt«, sagt Pons, der seit Jahrzehnten Reis anbaut. Er beziffert die Kosten auf etwa 1500 Euro pro Hektar. Das große Problem für die Landwirte ist, dass die CHE die Hälfte des Wassers auch nur bis Juli garantiert. »Dann steht der Reis in der Blüte und ist verloren, wenn kein Wasser mehr kommt«, sagt Pons. »Wir hatten bisher Angst, vom Meer gefressen zu werden«, erklärt er mit Blick auf steigende Meeresspiegel, »doch nun sticht uns die Dürre von hinten ab.«

Während die ACA vor allem auf eine aufwendige Verdoppelung der Meerwasserentsalzung und eine verstärkte Wiederaufbereitung des Wassers setzt, um das Problem zu lösen, sieht Pons bei dem anhaltenden Wassermangel auch ein strukturelles Problem. Von der Wissenschaft fühlt er sich dabei bestätigt. Annelies Broekman vom Zentrum für ökologische Forschung und forstwirtschaftliche Anwendungen in Barcelona erklärt, auch in Zeiten normaler Niederschläge werde »mehr Wasser verbraucht, als für unser System vertretbar ist«. Jetzt werde viel auf den Klimawandel abgeschoben. »An einer Debatte über das wahre Problem mangelt es aber«, erklärt sie. »Das ist nämlich die chronische Wassernachfrage, die durch unser nicht nachhaltiges Entwicklungsmodell verursacht wird.«

Mar Catala, Reis-Expertin des katalanischen Forschungsinstituts Irta, forscht seit 35 Jahren, wie man sich an klimatische Veränderungen anpassen kann. Im Ebro-Delta sei der Anbauspielraum begrenzt, erklärt sie, weil der Salzgehalt im Boden hoch ist. »Hier kann man nichts anderes als Reis anbauen.« Aber Wasser brauche man spätestens mit der Blüte, um die Reispflanze durch eine Wasserschicht vom salzigen Boden zu isolieren, erklärt die Forscherin. Niemand habe damit gerechnet, dass das Wasser nun eingeschränkt wird.

Im Ebro-Delta geht es indessen nicht nur um Ökonomie und Nahrungsmittelsicherheit. Auch das Ökosystem, eines der bedeutendsten Feuchtgebiete im Land, ist in Gefahr. Da schon jetzt zu wenig Süßwasser ins Delta fließt, hat es gerade ein Fischsterben gegeben, weil der Salzgehalt im Wasser zu hoch wurde. Auch die Zahl der Vögel im Biosphärenreservat geht zurück. Die Flamingo-Kolonie hat im Winter schon ihre bisherige Brutstätte im Delta verlassen, weil den Lagunen Wasser fehlt, das sonst der Reisanbau liefert.

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