AfD darf unter der Regenbogenfahne reden

Linksfraktionschef Walter protestiert scharf: »unerträglich, falsch und skandalös«

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Brandenburgs Linke sieht die Gefahr, dass sich die Bevölkerung und die Politik an die AfD gewöhnen und dass deren Positionen immer stärker die Mitte der Gesellschaft erreichen. Zu weit geht für für Linksfraktionschef Sebastian Walter die Entscheidung von Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD), die AfD-Abgeordnete Birgit Bessin an diesem Mittwoch beim Hissen der Regenbogenfahne im Innenhof des Parlaments sprechen zu lassen. Bessin sei eine Frau, »die Schwule hasst und Lesben hasst«. Dass diese Politikerin bei dieser Gelegenheit das Wort erhält, ist für Walter unerträglich. Es sei »falsch und skandalös«, kritisiert er und nimmt es Landtagspräsidentin Liedtke persönlich übel. »Ich schätze sie sehr. Sie hat bewiesen, dass sie im Plenarsaal deutlich gegen die AfD Position bezieht«, gesteht Walter der Parlamentspräsidentin zu. »Aber es wäre sinnvoll, darauf zu verzichten, Frau Bessin reden zu lassen.«

Der Landesverband Andersartig, der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg und der Christopher Street Day Cottbus protestieren gegen den vorgesehenen Auftritt von Bessin. In einer gemeinsamen Stellungnahme heißt es, die zu erwartende Rede sei »mehr als nur ein Ärgernis«. Sei es doch Bessin gewesen, »die mit besonderem Eifer viele der queerfeindlichen Anträge der AfD im Landtag in Wort und Tat vertreten hat«. So gehe auf ihr Konto ein Antrag zur Abschaffung der Förderung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. »Immer wieder wurde von der AfD in den vergangenen Jahren die Thematisierung queerer Lebensweisen an Brandenburger Schulen in Frage gestellt und die zuständigen Ministerien wurden mit einer Flut an kleinen Anfragen überschwemmt, die keinen Zweifel daran ließen und lassen, wie ablehnend diese Partei zum queeren Teil der Bevölkerung steht.«

Nach Aussagen der Landtagsverwaltung gilt für den Auftritt von Fraktionsvertretern bei feierlichen Anlässen ein Turnus. Bei der Feierstunde am Mittwoch sei die AfD an der Reihe. Der Verwaltung seien »die Hände gebunden«. Laut Walter ist nun aber beschlossen worden, neben Bessin und Landtagspräsidentin Liedtke auch die CDU-Abgeordnete Kristy Augustin als »Vertreterin der demokratischen Parteien« sprechen zu lassen. Die Regenbogenfahne wird aus Anlass des Welttages gegen Diskriminierung von Minderheiten gehisst.

»Ja, die AfD ist gewählt, aber sie kann niemals für Die Linke reden«, betonte Walter. Er rechne mit »Provokationen und Eskalationen«. Die AfD verfolge genau die gleiche Strategie wie einst die NSDAP, unterstrich er. Es gehe ihr darum, »an die Waffenschränke der Demokratie« zu gelangen, um die Demokratie abzuschaffen.

Die Abgeordnete Marie Schäffer (Grünen) erinnerte daran, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werde und dies unter anderem auch wegen Angriffen auf queere Lebensweisen. Frau Bessin selbst habe in mehreren Landtagsreden die Rechte von queeren Menschen in Frage gestellt.“erinnerte daran, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werde und dies unter anderem auch deshalb,
weil Frau Bessin mehrere Landtagsreden gehalten habe, in denen die Rechte von queeren Menschen in Frage gestellt worden seien. »Ich glaube nicht, dass sie eine geeignete Repräsentantin für unser Land ist«, sagte Schäffer.

Für Linksfraktionschef Walter ist die Debatte über den knappen Sieg von Frank Steffen (SPD) über Rainer Galla (AfD) bei der Landratswahl am Sonntag in Oder-Spree ein »Ausdruck der Hilflosigkeit«. Der CDU warf Walter erneut vor, sich immer stärker die Argumentationen der AfD zu eigen zu machen. »Wenn ich angesichts bedrohlicher Entwicklungen von Verantwortung rede, dann meine ich auch meine eigene Partei«, fügte Walter hinzu. »Auch wir erreichen die Menschen nicht.« Er wehrte sich gegen den Vorwuf, es habe der AfD geholfen, dass die Linkspartei auf einen eigenen Landratskandidaten verzichtet habe. »Wenn wir einen aufgestellt hätten, dann hätte es kein anderes Ergebnis gegeben.« Walter hält es für »vollständig ausgeschlossen«, dass Anhänger der Linken den AfD-Mann gewählt hätten, weil die Linkspartei keinen Kandidaten aufgestellt habe.

CDU-Landes- und Fraktionschef Jan Redmann meinte: »Wir brauchen eine
intensive und sachliche Debatte über die Ursachen der Frustration in der Gesellschaft.« Ein demonstratives Unterhaken der demokratischen Parteien reiche nicht aus, stärke am Ende nur die AfD und bestätige deren Darstellung, gegen ein angebliches Kartell der Altparteien zu kämpfen. Mit Blick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr sagte Redmann: »Ich warne vor der Strategie, alles auf die Formel ›Ministerpräsident gegen AfD‹ zu verengen. Das hat eine Weile funktioniert, aber es wird sehr risikoreich.«

Dass die CDU darauf verzichtet haben soll, den SPD-Kandidaten Steffen in der Stichwahl zu unterstützen, lässt für den SPD-Landtagsabgeordneten Ludwig Scheetz den Schluss zu, dass Redmann in der CDU entweder keine Durchsetzungskraft besitze oder er sich bewusst auf ein »Spiel mit dem Feuer« eingelassen habe.

Auf jeden Fall hat sich die CDU nicht in Gänze vor einer klaren Positionierung gescheut. So rief der ausgeschiedene CDU-Landratskandidat Sascha Gehm einen Tag vor der Stichwahl unmissverständlich dazu auf, teilzunehmen und das Kreuz nicht beim AfD-Mann Galla zu machen.

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