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Getreideabkommen bis Mitte Juli verlängert

Der Deal zwischen der Ukraine und Russland ist Spiegelbild der Beziehungen beider Staaten zur Türkei

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 3 Min.

Buchstäblich im letzten Augenblick haben sich Russland, die Ukraine, die
Türkei und die Uno auf eine weitere Verlängerung des Getreidedeals geeinigt. Mit Wirkung vom 18. Mai wurde das Abkommen um weitere 120 Tage verlängert, berichten ukrainische Medien, während Maria Sacharowa vom russischen Außenministerium von lediglich 60 Tagen sprach.

Gut für die Ukraine sei auch, so culturemeter.od.ua, die Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, dass türkische Schiffe nun auch in den Häfen von Mykolajiw beladen werden. »Ich freue mich über dieses Abkommen«, sagt die Verkäuferin Switlana aus Odessa »nd« am Telefon. »Dann werden wir in Odessa und Mykolajiw weniger beschossen werden.«

Russlands Forderungen nicht erfüllt

In Russland ist man nicht wirklich zufrieden. Schon im November 2022 hatte Russland auch die Wiederaufnahme der Ammoniak-Pipeline Toljatti–Odessa gefordert. Unzufrieden ist man auch mit dem weiteren Ausschluss der Rosselchosbank vom Swift-System. Gleichzeitig fordert Russland die Wiederaufnahme von Lieferungen von Ersatzteilen für die Landwirtschaft, die Aufhebung von Sanktionsbeschränkungen für den Transport und die Versicherung russischer Agrarexporte sowie eine Aufhebung der Einfrierung von Vermögenswerten russischer Unternehmen im Ausland. Sollten diese Forderungen nicht erfüllt werden, so das russische Außenministerium, werde man einer Verlängerung der »Schwarzmeerinitiative« über den 17. Juli hinaus nicht zustimmen.

Dass Russland der Verlängerung des Abkommens zugestimmt hat, dürfte auch dem Umstand geschuldet sein, dass man in Moskau hofft, Erdoğan weiter als Präsidenten der Türkei zu sehen. Die Stichwahl in der Türkei begünstige die Wahrscheinlichkeit einer Fortsetzung des Getreidedeals über das Schwarze Meer, hatte Alexandra Chartschenko von strana.news bereits Anfang der Woche vermutet. Bei einer Verlängerung des Getreidedeals, so Chartschenko, könnte Erdogan als »Friedensstifter« am Vorabend der entscheidenden Abstimmung punkten.

Ukrainisch-türkische Beziehungen getrübt

Moskau hatte lange argwöhnisch auf die guten Beziehungen zwischen der Ukraine und der Türkei geblickt. Als im Oktober 2017 die Krimtataren Achtem Tschijgos und Ilmi Umerow aus russischer Haft freikamen, waren ukrainische Medien voll des Dankes für Erdoğan, der deren Freilassung ausgehandelt hatte. Und Präsidentschaftskandidat Wolodymyr Selenskyj hatte bereits vor seiner Wahl demonstrativ die Türkei besucht. Als Dank für die gute Zusammenarbeit hatte Kiew einige türkische Oppositionelle an Ankara ausgeliefert.

Doch inzwischen ist in der Ukraine die Begeisterung für die Türkei einer gewissen Ernüchterung gewichen. Man ist enttäuscht, dass Erdoğan nicht bei den Sanktionen gegen Russland mitmacht, er immer wieder mit einer anti-westlichen Rhetorik von sich reden macht, er weiterhin gute Beziehungen zu Putin pflegt, die Türkei ihre wirtschaftlichen Beziehungen und ihre Energie-Partnerschaft mit Russland vertieft hat.

Moskau setzt auf Erdoğan

Der ukrainische Politologe Iliya Kusa vom Ukrainian Institute for the Future geht davon aus, dass die türkische Opposition, sollte sie die Macht erlangen, anti-westliche Rhetorik vermeiden wird und sich noch stärker an Nato, EU und USA orientieren wird.

Genau dies dürfte aber auch erklären, warum Moskau auf den Amtsinhaber setzt und ihm mit der Zustimmung der Verlängerung des Getreidedeals ein Wahlkampfgeschenk gemacht hat. Bezeichnend war ein Besuch des russischen Generalstaatsanwaltes Igor Krasnow in Ankara im November letzten Jahres. Dabei hatte er mit seinem türkischen Kollegen eine Vereinbarung über Zusammenarbeit im Kampf gegen »Extremismus, Terrorismus und Cyberkriminalität« vereinbart. Die Vereinbarung sieht auch eine Zusammenarbeit in der gegenseitigen Auslieferung von Verbrechern vor. »Nun sind viele Gegner des Putin-Regimes, die in die Türkei geflohen sind, nicht mehr sicher«, kommentierte ein nach Deutschland geflohener Tschetschene gegenüber »nd« die Vereinbarung.

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