Bruch des Staudamms erschwert offenbar ukrainische Gegenoffensive

Laut der UN-Vertreterin in der Ukraine verwehrt Russland den Zutritt zu überschwemmten Gebieten in der Region Cherson

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 4 Min.

Es sind Erfolgsmeldungen von der Front, mit denen dieser Tage die ukrainischen Medien und Telegram-Kanäle aufwarten. In zwei Wochen habe man acht Siedlungen zurückerobert, berichtet die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Anna Malyar auf ihrem Telegram-Kanal. Bis zu sieben Kilometer sei man in feindliches Gebiet vorgedrungen, habe im Süden 113 Quadratkilometer befreit.

Doch es ist auch von einer »schwierigen Lage« die Rede. Während Präsident Wolodymyr Selenskyj mitteilt, die Ukraine habe bisher in ihrer Gegenoffensive keine Geländeverluste hinnehmen müssen, spricht der ukrainische Generalstab von »Teilerfolgen im Gebiet Saporischschja« und Anna Malyar von russischen Versuchen eines Vormarsches. Zwar sei man auf erbitterten Widerstand der Russen gestoßen, zitiert die »Ukrajinska Prawda« den ukrainischen Oberkommandierenden Waleri Saluschni. Insgesamt laufe die Gegenoffensive jedoch »nach Plan«. Um die ukrainischen Einheiten am Vorrücken zu hindern, habe der Feind ein System von Befestigungen mit dichten Minen und einer großen Anzahl von Reserven errichtet, zitiert die »Ukrajinska Prawda« Saluschni: »Unsere Soldaten tun jedoch ihr Bestes, um ukrainisches Territorium zu befreien.«

Die US-amerikanische Nachrichtenagentur AP veröffentlichte ein Foto, das ein mit Sprengstoff beladenes Auto auf dem Gelände des Kachowka-Staudammes wenige Tage vor der Explosion zeigt. Aufgenommen worden sei das Foto von einer Drohne der ukrainischen Armee. Möglicherweise sei dieser Sprengstoff zur Verstärkung der eigentlichen Explosion eingesetzt worden, die sich ukrainischen Angaben zufolge im Maschinenraum des Staudammes ereignet habe, so AP. Dafür spricht auch die Information eines Ukrainers, der in unmittelbarer Nähe des Staudammes wohnte. »Da ist nichts von oben gekommen«, teilte er dem »nd« telefonisch mit.

Tatsächlich habe der Dammbruch die ukrainische Gegenoffensive erschwert, meint der Journalist Stanislaw Kibalnyk vom Charkiwer Portal »assembly.org.ua« gegenüber dem »nd«. »Der Kachowka-Stausee war immer schon sehr schlammig«, so Kibalnyk. »Und dieser Schlamm wird auch bei abgelaufenem Wasser noch Monate in Hüfthöhe bleiben. Und das bedeutet, dass auf dem Gebiet des ausgelaufenen Staudammes keine militärischen Einsätze möglich sind. Ein Umstand, der eindeutig den russischen Truppen zum Vorteil ist.« Zwar seien auch einige russische Verteidigungslinien von den Fluten weggespült worden, doch die wichtigsten befänden sich in der Nähe des nicht von den Fluten getroffenen Melitopol, so Kibalnyk.

Unterdessen werden auch in weiter vom Staudamm entfernten Gebieten die Folgen des Dammbruches erkennbar. Die meisten Süßwassertiere, die wegen des Dammbruchs im Meer gelandet sind, sind dem Tod geweiht. Dies berichtet der Direktor des Zoos von Odessa, Igor Beljakow, gegenüber »Strana.news«. »Wir haben mehrere Dutzend Frösche, Molche und andere Tiere am Ufer von Odessa eingesammelt, aber das ist nur ein sehr kleiner Teil der betroffenen Tiere.« Viele Tiere seien auf schwimmenden Inselchen angekommen, meistens schon tot. Insbesondere Bisamratten, Molche, Frösche und Schildkröten, die salziges Meerwasser nicht vertragen, seien in den Fluten umgekommen. Der Zoo von Odessa, so Beljakow, könne leider nur einen kleinen Teil der Tiere retten. Schwierig ist auch die Lage im Gebiet Kriwij Rih. Zwei Drittel des Gebietes seien ohne eigenes Wasser, berichtet der Chef der städtischen Militäradministration, Olexandr Wilkul. Die Wasservorräte reichten für einen Monat.

Unterdessen beschwert sich die Koordinatorin für Humanitäre Angelegenheiten der Vereinten Nationen in der Ukraine, Denise Brown, über die russische Weigerung, UN-Mitarbeitern zu den von Russland kontrollierten überschwemmten Gebieten in der Region Cherson Zutritt zu gewähren. »Wir fordern die russischen Behörden auf, ihren Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht nachzukommen. Die Hilfe für die Menschen, die sie brauchen, darf nicht verweigert werden. Die Vereinten Nationen werden weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun, um alle Menschen zu unterstützen, auch diejenigen, die von dem jüngsten Dammbruch betroffen sind«, zitiert das Portal »reliefweb.int« Denise Brown.

Auch in Russland gibt es Opfer. So berichtet der oppositionelle
russische Telegram-Kanal Astra von zwei Bewohnern der Region Kursk, die
nach einem Beschuss in ein Krankenhaus eingeliefert wurden. Auch das russische Dorf Glushkowo an der Grenze zur Ukraine sei beschossen worden, zitiert der Kanal den Gouverneur Roman Starowoit. Mehrere Häuser und Geschäfte in der Nähe des örtlichen Marktes seien durch Explosionen zu Schaden gekommen. Einige Bewohner würden im Bezirkskrankenhaus behandelt.

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