Wir haben beim »nd« viel vor – und brauchen dafür Unterstützung

Stellungnahme der nd-Belegschaft zur wirtschaftlichen Lage des Verlags und der Zeitung

  • nd-Belegschaft
  • Lesedauer: 5 Min.
nd.Genossenschaft – Wir haben beim »nd« viel vor – und brauchen dafür Unterstützung

Erst kauften alle beim Backshop, weil der natürlich viel günstiger war. Als dann die kleinen Bäcker pleite waren, weinten alle den guten Bäckerbrötchen hinterher.

Erst fanden es viele nicht wichtig, ein Online-Abo für das »nd« abzuschließen, und als das »nd« dann eingegangen war, vermissten nicht wenige eine tägliche Stimme, die Reichtum nicht als selbstverständlich betrachtet, Aufrüstung für gefährlich hält und die EU-Abschottung als menschenverachtend anklagt. Die mit Journalismus zu einer besseren Welt beiträgt.

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Als wir vor anderthalb Jahren das Wagnis einer Genossenschaft eingingen, war allen klar, dass es nicht leicht werden würde, in diesen Zeiten zu bestehen. Doch dass es nun so schnell so schwer werden würde, hatten wir nicht erwartet. Das »nd« befindet sich in einer existenziellen Krise. Wir haben im letzten Jahr 600 000 Euro Verlust gemacht, acht Prozent unseres Umsatzes. Das haben wir diese Woche Donnerstag bei einer Belegschaftsversammlung erfahren.

Die Umstellung auf die Genossenschaft hat uns viel abverlangt. Wir haben zum Start der Genossenschaft Stellen gestrichen. Wir haben unser Buchhaltungs- und Abo-System umgestellt, uns in ein neues Redaktionssystem eingearbeitet.

Wir werden gelesen. Gedruckt sowieso, aber auch digital und zwar mehr als vor zwei Jahren. Doch das alles reicht nicht. Zu viele, die uns lesen, zahlen nichts, zu wenig oder zu selten. Und wir brauchen mehr Reichweite.

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Was wir einnehmen, kommt zum großen Teil von unseren treuen Abonnent*innen der gedruckten Zeitung, zu einem zu kleinen Teil von Digitalleser*innen. Auch denen haben wir in den vergangenen Jahren viel zugemutet, denn wir haben wie alle anderen Zeitungen die Abo-Preise mehrfach angehoben.

Die Zahl unsere Voll-Abos geht stetig zurück. Das ist seit Jahren so. Im letzten Jahr waren es aber noch einige mehr, die kündigten, denn durch Inflation und Energiekrise haben die Menschen weniger Geld übrig.

Auch die Kosten für die Produktion des »nd« sind gestiegen. Weniger Abos aber machen die Zustellung pro Ausgabe teurer. Der Papierpreis ist in den letzten knapp zwei Jahren explodiert. Die vielen Firmen, die die Zeitung drucken, sie austragen, uns Strom für unsere Computer liefern und unseren Müll entsorgen: Die Preise für diese Dienstleistungen und Lieferungen sind beständig gestiegen. Das hat leider nur wenig mit angehobenen Löhnen für deren Mitarbeiter*innen zu tun. Der Großteil des Geldes landet am Ende doch bei den Unternehmen, die die Situation nutzen, um ihre Gewinne zu steigern. Allein die Zustellung des »nd« per Zeitungsboten ist in den letzten 18 Monaten um rund 25 Prozent teurer geworden.

Wir analysieren in unserer Zeitung laufend die Inflation und ihre Ursachen. Dies schützt uns aber leider nicht vor deren Auswirkungen. Wir haben versucht, die Kostensteigerungen durch Einsparungen zu deckeln, was uns jedoch nicht ausreichend gelungen ist.

Wir haben Arbeit verdichtet, aber auch das hat seine Grenzen und seinen Preis: Bei einer kleinen Redaktion sind schon drei, vier Kolleg*innen, die länger krank sind, ein Problem. Einige Kolleg*innen haben sich einen vielleicht weniger stressigen, auf jeden Fall aber besser bezahlten Job gesucht. Denn auch das ist Realität: Die Gehälter beim »nd« liegen bei 60 Prozent des Tarifs, mehr als sieben Jahre gab es keine Gehaltserhöhung – in diesem Jahr waren es wenigstens 40 Euro monatlich für jeden als Inflationsausgleich.

Trotzdem liegt bei uns das Einstiegsgehalt für 40 Stunden in der Woche bei 2142 Euro brutto. Ja, noch haben wir Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ein Firmenticket und eine zusätzliche Absicherung durch das Presseversorgungswerk. Aber gut über die Runden kommt kaum einer mit diesem Gehalt. Wer beim »nd« arbeitet, tut das in nicht geringem Maß aus politischer Überzeugung und Enthusiasmus.

Und wir planen weitere gravierende Umstellungen. So werden wir zum 1. August mit der Tagesausgabe aus dem Kioskverkauf aussteigen, denn das hat uns jährlich eine sechsstellige Summe gekostet. Stattdessen wird unsere Samstagausgabe »nd.DieWoche« eine ganze Woche am Kiosk zu finden sein. Wir haben Abonnent*innen in Orten angeschrieben, in denen wir nur von wenigen Menschen gelesen werden, mit der Bitte, unter der Woche auf ein Digital-Abo umzusteigen. In einzelnen Regionen werden wir ab Januar 2024 die Zeitung nicht mehr mit Boten zustellen, sondern per Post.

Mit all diesen Maßnahmen werden wir im nächsten Jahr voraussichtlich 700 000 Euro weniger ausgeben. Nächstes Jahr wird die Lage also besser aussehen. Aber wir haben jetzt Probleme. Existenzielle. Und wir müssen jetzt etwas tun, damit wir es bis nächstes Jahr schaffen. Wir müssen also noch viel mehr umstellen, uns neu erfinden. Und zwar ohne dickes Polster an Eigenkapital. Wir haben fast 900 Genoss*innen gewonnen, die uns unterstützen. Das hat uns motiviert. Aber wir brauchen mindestens doppelt so viele.

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Ganz sicher müssen wir uns fragen, was bei uns nicht gut gelaufen ist. Nicht die richtigen Prioritäten gesetzt, nicht schnell genug mit einer Abo-Kampagne begonnen, die Verwaltungsaufgaben fremdvergeben, was zu folgenschweren Fehlern geführt hat. Über den Inhalt der Zeitung sind wir ohnehin in einer ständigen Diskussion; auch die tägliche Arbeit der Redaktion müssen wir kritisch befragen.

Wir arbeiten an der digitalen Entwicklung des »nd«, aber wir sind noch nicht so weit, dass wir ein robustes und zukunftsfähiges multimediales Geschäftsmodell entwickelt hätten, das gute digitale Angebote macht und eine Generation erreicht, die sich vor allem online informiert.

Was wir bislang nicht getan haben: die Redaktion deutlich zu verkleinern. Weil wir kluge und motivierte Redakteur*innen brauchen, um eine gute, kritische Zeitung herauszubringen. Weil sich 16 Seiten täglich und 32 Seiten am Wochenende nicht mit 20 Leuten machen lassen.

An diesem Wochenende ist Genossenschaftsversammlung. (Anmerkung: Dieser Text wurde vor dem Wochenende verfasst.) Dort beraten wir, wie es weitergehen kann. Diese Zeitung wird gebraucht. Wir müssen weitermachen. Eine kritische Stimme in der Bundesrepublik sein. Dafür brauchen wir die Unterstützung all jener Menschen, die eine solche Stimme wichtig finden, die uns weiterhin lesen wollen, die sich eine Medienlandschaft ohne das »nd« nicht vorstellen können und wollen. Wir brauchen dringend ihre Unterstützung als Mitglieder der Genossenschaft, als zahlende Leser*innen, als Leute, die uns weiterempfehlen.

Die Belegschaft des »nd«, 23. Juni 2023

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