Sorge vor einer neuen Reiskrise

Weltmarktführer Indien stoppt vorläufig Exporte, Thailand will Anbau begrenzen

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
Bauern auf dem Reisfeld in Vietnam. Das Land ist zweitwichtigster Importeur weltweit.
Bauern auf dem Reisfeld in Vietnam. Das Land ist zweitwichtigster Importeur weltweit.

Es ist erst wenige Tage her, seit Indien mit einer Regierungsentscheidung in mehreren US-Bundesstaaten und auch in Kanada Panikkäufe ausgelöst hat. Am 20. Juli war die Order ergangen, alle Reisexporte, außer für Basmatireis, vorerst auszusetzen. Hintergrund ist, dass sich zuletzt die Preise auf dem einheimischen Markt deutlich erhöht hatten. Mit dem vorläufigen Exportstopp, so die Hoffnung der Administration von Premier Narendra Modi, erweitert sich das verfügbare Angebot im Inland, was wiederum einen dämpfenden Effekt auf die Preisspirale hat.

In anderen Weltregionen hingegen wurde der Schritt mit Besorgnis, ja sogar Angst registriert. Vor allem die zahlenmäßig starke indische Minderheit in Nordamerika, die auch dort traditionsgemäß weiterhin hauptsächlich Reis verzehrt, fürchtet Versorgungsengpässe und reagierte somit zum Teil mit Hamsterkäufen in den Supermärkten, wie auch Videos aus US-Staaten von Alabama über Kalifornien, Texas, Michigan und Illinois bis Ohio zeigten. Das hatte zur Folge, dass der Durchschnittspreis von 16 US-Dollar pro Zehn-Kilo-Sack zwischendurch auf das Dreifache stieg.

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Gerade wenn Indiens Politik solcherart regelnd eingreift, hat das gravierende Auswirkungen. Denn das nunmehr bevölkerungsreichste Land der Erde ist auch der mit Abstand größte Reisexporteur – zuletzt mit einem Anteil von rund 40 Prozent. Das ist im Vergleich so viel, wie die vier nächsten Länder auf der globalen Rangliste gemeinsam erreichen.

Im vergangenen Jahr wurden rund 56 Millionen Tonnen gehandelt; Indien lieferte davon allein 22 Millionen Tonnen in 140 Abnehmerländer. Schon in dem einen Jahr seit Mitte 2022 hat sich der globale Reispreis um etwa 14 Prozent verteuert. In Anbetracht der jüngsten Entscheidung aus Delhi und weiteren eher verhaltenen bis düsteren Aussichten befürchten Experten und Hilfsorganisationen in den kommenden Wochen und Monaten nun einen deutlichen weiteren Anstieg und womöglich gar eine echte Reiskrise.

Die neuesten Meldungen, die zur wachsenden Besorgnis beitragen, kommen aus Thailand. Dort sind die wichtigen Monsunregenfälle bisher rund 40 Prozent geringer ausgefallen als im langjährigen Mittel. Die Politik drängt deshalb die Bauernfamilien in den Zentralprovinzen, der Kornkammer des Landes, auf andere Kulturen umzuschwenken, die einen weniger starken Wasserbedarf haben.

Reis braucht vor allem in der Wachstumsphase »nasse Füße«, was in Anbetracht der gegenwärtigen Wetterlage schwieriger zu bewerkstelligen ist. Die zuständige Behörde Office of the National Water Ressources erwägt laut einem aktuellen Bericht der »Bangkok Post« sogar, den Reisanbau in der Region vorläufig ganz zu untersagen. Generalsekretär Surasri Kidtimonton hat zumindest behördenintern eine Sondergruppe eingerichtet, die die sich abzeichnende Wasserkrise genau im Auge behalten und geeignete Maßnahmen vorschlagen soll.

Die vier größten Stauseen sind schon jetzt so leer wie selten um diese Zeit. Die Reservoirs in den Provinzen Tak, Phitsanulok, Lop Buri und Uttaradit bringen es aktuell zusammengenommen noch auf 9,6 Millionen Kubikmeter Wasser – das sind lediglich 39 Prozent des durchschnittlichen Füllstandes. Nur etwas mehr als 2,9 Millionen Kubikmeter davon seien real tatsächlich nutzbar, so die »Bangkok Post«.

Mit weniger Anbau in den Hauptgegenden wäre Thailand – drittwichtigster Exporteur nach Indien und Vietnam – nicht in der Lage, für indische Lieferausfälle auf dem Weltmarkt einzuspringen. Dabei hatte das südostasiatische Königreich erst im Vorjahr einen großen Sprung vollzogen: Die Exporte 2022, so das Handelsministerium in Bangkok in einer Mitteilung Ende Januar, lagen bei 7,69 Millionen Tonnen und somit nicht nur ein ganzes Stück über dem Jahresziel von 7,5 Millionen, sondern gleich bei einem stolzen Plus von 22 Prozent gegenüber 2021.

Allein in den letzten zwei Wochen hat der Reispreis auf den asiatischen Handelsmärkten um 7 Prozentpunkte zugelegt – und ist nach einer gewissen Entspannungsphase wieder auf dem Niveau von April 2020 angelangt. Indiens Exportstopp betrifft rund 2 Millionen Tonnen, die im August verschifft werden sollten. Händler aus Vietnam und Thailand, so die »Business Times« aus Singapur, seien nun dabei, die Preise für Lieferungen von jeweils 500  000 Tonnen nachzuverhandeln.

Wie schon bei der durch den Ukraine-Krieg bedingten Preisspirale beim Weizen trifft die drohende Reiskreise einige der ärmsten Länder am härtesten. Darunter sind etliche Staaten in Afrika ebenso wie Bangladesch. Der in Teilen Pakistans und Indiens besonders heftige Monsun mit massiven Überschwemmungen, die auch Ernteausfälle bei Reis bringen, könnten die globalen Versorgungsengpässe weiter wachsen lassen.

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