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Gewobag in Berlin-Schöneberg: Schlimmer wohnen im Oma-Bunker

Maroder Bau und soziales Elend stellt Schöneberger Mieter eines landeseigenen Unternehmens auf harte Probe

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Mehr als zu hoffen bleibt den Mieter der Gewobag-Häuser an der Ecke Bülowstraße und Frobenstraße in Berlin-Schöneberg nicht
Mehr als zu hoffen bleibt den Mieter der Gewobag-Häuser an der Ecke Bülowstraße und Frobenstraße in Berlin-Schöneberg nicht

»Was soll mit uns passieren? Wir können hier ja kein Rudelsterben machen«, sagt Judit Bernhardt. Sie ist Mieterin des Wohnkomplexes Bülowstraße 94/95 und Frobenstraße 4 in Berlin-Schöneberg. Nur mit Galgenhumor lässt sich die Wohnsituation für sie noch ertragen. »Oma-Bunker« nennt die Seniorin dementsprechend auch die Gebäude, weil dort größtenteils Frauen über 60 leben. Doch von einem beschaulichen Lebensabend kann nicht die Rede sein.

»Wir laufen für jedes Problem von Pontius zu Pilatus«, sagt Bernhardt. Und von denen gibt es viele. Zuletzt war es ein Wassereinbruch im Keller des Hauses 94. Ende Juli berichtete sie, dass nach mehreren heftigen Schauern das Wasser auch in den Kellern des Hauses Bülowstraße 95 stehe.

»Trotz mehrfacher Meldung an unsere ehrenwerten Vermieter passiert seit 26. Juni nichts. Inzwischen fangen Holzeinbauten an zu faulen.« Ein Handyvideo zeigt von der Decke plätscherndes Wasser, knöchelhoch steht es auf dem Boden. Ende Juni habe ihr der Hausmeister erklärt, dass das Wasser verdunste.

Am 31. Juli hat ihr Vermieter, die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, schließlich das Wasser abpumpen lassen. Als »umgehend« wird das auf Anfrage von »nd« bezeichnet. »Unser Dienstleister stellte einen Rohrbruch im Erdgeschoss des Gebäudes fest. Das entsprechende Rohr konnte notgesichert werden, der Keller wurde daraufhin abgepumpt. Aktuell befindet sich kein Wasser mehr in dem Keller«, heißt es. Der Schaden sei am 25. Juli gemeldet worden.

Im Übrigen habe es sich laut Gewobag um zwei verschiedene Wasserschäden gehandelt. Am 30. Juni 2023 habe eine Mieterin gemeldet, dass in ihrem Keller Wasser sei, der Dienstleister sei umgehend vor Ort gewesen. »Da es sich in diesem Fall um eine sehr geringe Menge Wasser gehandelt hat und diese versickerte, wurde ein Abpumpen als nicht erforderlich eingeschätzt. Hierfür ursächlich war Starkregen«, so das Landesunternehmen.

Die Wassereinbrüche haben neben dem Fäulnisgestank und den Schäden am Kellergut noch eine weitere Folge: Der ursprünglich für Juli geplante Beginn der Erneuerung des Fahrstuhls im Haus 94 musste verschoben werden. Der Schacht hatte sich mit Wasser gefüllt, das ebenfalls abgepumpt werden musste. Immerhin sei der Aufzug laut Gewobag »aktuell betriebsbereit«.

»Wir sind gerade dabei, einen neuen Termin für die Modernisierung festzusetzen – sobald dieser feststeht, werden unsere Mieter*innen darüber umgehend informiert.« Das war nicht immer so. Fast vier Monate lang konnte sich Ingrid Gärtner, eine auf ihren Rollator angewiesene Nachbarin von Judit Bernhardt, wegen defekter Aufzüge nicht frei bewegen. »nd« berichtete im März bereits über das Haus und die Probleme.

Früher in diesem Sommer, als es noch wärmer war, wurde ein anderes Problem akut. Mal wieder. Die Heizung läuft durch, 41 Grad haben Mieter kürzlich an den Rohren gemessen. Zur Versorgung der angeschlossenen Objekte auch mit Heizwärme für die Warmwasserbereitung sei ein ganzjähriger Betrieb der Heizanlage notwendig, erläutert die Gewobag. Dabei sei die Vorlauftemperatur begrenzt.

»Solange im Objekt jedoch Heizkörper geöffnet beziehungsweise nicht vollständig abgedreht sind, sind auch die Versorgungsleitungen warm. Hier haben ausschließlich die Bewohnenden eine Möglichkeit, zu agieren«, lässt das Landesunternehmen wissen. Die Mieter dürfen für die unzulängliche Technik auch noch zahlen: »Der notwendige Heizungsbetrieb wird demnach in der Heizkostenabrechnung umgelegt«, heißt es ungerührt von der Gewobag.

Doch mit das schwerwiegendste Problem, das die Mieterinnen und Mieter umtreibt, sind die Auswirkungen der sozial prekären Lage der Umgebung. Direkt vor der Haustür liegt der härteste Teil des Straßenstrichs in der Kurfürstenstraße. Viele drogenkranke und obdachlose Menschen finden immer wieder den Weg in die Treppenhäuser und Flure. Alles, was Menschen ausscheiden können, finden die Bewohnerinnen und Bewohner regelmäßig auf dem Weg zu ihren Wohnungen. Einen 24-Stunden-Wachdienst im Haus beendete die Gewobag aus Kostengründen im April 2022.

Nun wird regelmäßig selbst Streife gelaufen und regelmäßig die Polizei gerufen. Ein Obdachloser erinnerte sich einige Tage später an seinen Rausschmiss aus dem Haus und griff einen Mieter am helllichten Tage Ende Mai an. »Das Problem wird immer schlimmer«, sagt Judit Bernhardt.

Die Gewobag listet eine ganze Latte von Umbauten auf, die die Situation verbessern sollten, inklusive der auf vier Stunden täglich reduzierten Bestreifung. »Leider hat bisher keine der bisherigen Investitionen langfristige Verbesserungen herbeiführen können«, heißt es etwas resigniert vom Landesunternehmen.

»Für eine nachhaltige Lösung der Situation vor Ort bedarf es allerdings einer gesamtgesellschaftlichen Lösung, die wir allein als Wohnungsbaugesellschaft nicht generieren können – wir sind hier auf die Zusammenarbeit und Unterstützung anderer Akteure wie der Polizei und des Bezirks angewiesen«, so die Gewobag. Judit Bernhardt lacht trocken. »Der Bezirksbürgermeister antwortet grundsätzlich nicht auf unsere Schreiben«, sagt sie. »Und die meisten unserer Mitbewohner im Haus sind völlig gleichgültig.«

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