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  • Kulinarische Reise nach Petra

Jordanien lernt man am besten bei einem Kochkurs kennen

Das Land begeistert mit der vielleicht schönsten Wüste der Welt, Felsentempeln, Steinzeit-Graffiti und kompromisslosen Küchenchefinnen

  • Nicole Quint
  • Lesedauer: 6 Min.
Unter der gestrengen Anleitung von Küchenchefin Hiam (r.) erlernen Besucher die jordanische Kochkunst.
Unter der gestrengen Anleitung von Küchenchefin Hiam (r.) erlernen Besucher die jordanische Kochkunst.

Hiam hat ein vollmondiges Gesicht und lässt unter ihrem schwarzgrauen Kopftuch kein einziges Haar hervorblinzeln. Übersetzt bedeutet ihr Name Liebe. Doch Zuneigung erfahren die Gäste, denen sie in der »Petra Kitchen« die Zubereitung jordanischer Speisen beibringt, von Hiam nur, wenn sie Zwiebeln in perfekt dünne Ringe schneiden oder den Teig gleichmäßig auszurollen vermögen. Wehe dem, der die Kichererbsen in die falsche Schale schüttet! Ihm widmet Hiam abwechselnd schneidende Rufe, Murren, Schluchzen oder keckernde Kehlschläge. Wer ihrem strengen Regiment jedoch brav folgt, den belohnt sie mit inbrünstig fröhlichem Trillern. Hiam mag ihren Job, und die Touristen mögen Hiam, weil sie das Kochen von Shourbat Adas (Linsensuppe), Sambousek b’jibn (Käseplätzchen) und Kbsah dijaj (Huhn mit Reis) zu einem echten Ereignis macht und zu einer stimmungsvollen Ouvertüre für den Besuch von Jordaniens bekanntester Sehenswürdigkeit – Petra.

Die Felsenstadt der Nabatäer lag jahrhundertelang hinter Sand und Fels versteckt. Kein Forschungsreisender fand dorthin und nur wenige hatten überhaupt eine Ahnung von ihrer Existenz. Petra war eine Art arabisches Atlantis. Als vorerst letzter abendländischer Besucher gelangte der christliche Pilger Thetmar im Jahr 1217 in die Stadt. Bald darauf begann Europa Petra zu vergessen – ihre Hunderte Höhlen, gewaltigen Hallen, Grabanlagen, Tempel und prunkvollen Fassaden. Als der Schweizer Johann Ludwig Burckhardt, getarnt als arabischer Scheich Ibrahim, Petra 1812 wiederentdeckte, musste er seine Begeisterung vor den begleitenden Beduinen verbergen, die argwöhnten, er wolle doch bloß nach Schätzen der Nabatäer suchen.

Tipps
  • Anreise: Von deutschen Großflughäfen fliegt Royal Jordanian die Hauptstadt Amman direkt an. Von dort geht es mit dem Mietwagen oder dem JETT-Bus in rund dreieinhalb Stunden nach Petra. www.rj.com, www.jett.com.jo
  • Unterkunft: Die Hotels Taybet Zaman, etwa neun Kilometer von Petra entfernt, und Beit Zaman, direkt am Ortseingang von Wadi Musa gelegen, sind beide aus alten Dörfer hervorgegangen, die behutsam renoviert wurden.
    In Wadi Rum übernachtet man wüstenecht in einem der Camps, zum Beispiel Captain’s Desert Camp
    www.jordan-all-hotels.com
    www.captains-jo.com
  • Kochkurs: Wer seine Kenntnisse der jordanischen Küche vertiefen möchten, sollten »The Petra Kitchen« besuchen. Hier werden unter fachkundiger Anleitung lokale Gerichte gekocht und anschließen gemeinsam gegessen. www.petrakitchen.com
  • Allgemeine Infos: Jordan Tourism Board
    www.visitjordan.com

Heute dürfen Besucher ganz unverhohlen und großäugig staunen. Zunächst geht es durch den Siq, eine rund 1,5 Kilometer lange Felsenschlucht, die ins Innere der Stadt führt. Sonnenlicht lässt den Sandstein von perlrosa bis ziegelrot leuchten. Hinter jeder Windung des Weges warten neue Aussichten und neue Farben, blühende Oleanderbüsche, wilde Kapernsträucher und flink kletternde Ziegen. Schließlich formen vorstehende Felssprünge sich am Ausgang des Siq zu einem kolossalen Schlüsselloch, durch das hindurch man auf die rötlichen Säulen des Khazneh al-Firaun, das Schatzhaus des Pharaos, spähen kann. Seine Größe und Pracht sind gemacht für bewundernde Blicke aus der Distanz, um all die Pilaster, Treppen, Tempelfassaden und Totenhallen angemessen würdigen zu können.

Bis Mitte der 1980er Jahre dienten die kühlen Grabbauten den B’doul, Beduinen und Nachfahren der Nabatäer, als Wohnungen und Ziegenställe. Um Petra touristisch besser nutzen zu können, siedelte die jordanische Regierung die B’doul zwangsweise um. Heute leben sie in den umliegenden Dörfern, verdienen am Petra-Tourismus jedoch mit. Sie arbeiten als Fremdenführer und Souvenirverkäufer oder posieren fürs Foto als Nabatäer verkleidet. Die Freude am Beruf ist ihnen nicht gleich anzumerken. Kommt aber Musik ins Spiel, schmilzt das wächserne Profilächeln der Touristenunterhalter dahin. Zurück bleibt eine sanfte Eindringlichkeit, mit der sie die Liebe zu ihrer Heimat aus Sand, Fels und Hitze in Musik verwandeln. Die Touristen stampfen dann im Takt der Darbuka-Trommel eine flotte Sohle in den Sand, lassen sich von quäkend-knödeligen Dudelsäcken den Marsch blasen oder von romantischen Klängen der Oud unter den Sternenhimmel der jordanischen Wüste schicken.

Deren schönster Teil breitet sich knapp zwei Stunden von Petra entfernt vor einem unendlich weiten Horizont aus – Wadi Rum. Das sagenhafte Wüstental gab einem über 700 Quadratkilometer großen Schutzgebiet seinen Namen. Eine gedehnte Landschaft aus schroffen Tafelbergen, elegant geschwungenen Hügeln, gestaffelten Felskuppen, kolossalen Quadern und isolierten Kegeln. In allen Richtungen und so weit das Auge reicht: Wüste. Menschen, die hier leben, halten die Einsamkeit in dieser Extremlandschaft ohne Ablenkung durch Fernsehen oder Internet aus. Sie sind dem eigenen Kopf ausgeliefert, dem, was ihr Geist sie denken, fühlen und glauben lässt. Was nimmt ihnen bloß die Furcht vor der absoluten Verlassenheit in dieser gelbbraunen Grenzenlosigkeit und gibt ihnen stattdessen Sicherheit und Vertrauen? Das GPS-System ihres Jeeps oder Gott oder beides. Wer nicht auf Verstand oder technische Hilfsmittel setzen mag, der fühlt sich in der majestätischen Größe göttlicher Schöpfung geborgen. Eine Erfahrung, die fast alle Wüstenbesucher miteinander teilen, denn Wadi Rums Substanzcocktail aus Hitze und Licht, Fels und Sand ist so perfekt dosiert, dass er zuverlässiger wirken kann als Weihrauch, Predigt und Kerzenwachstränen.

Ziemlich einzigartig: Touristen in der 70 Meter hohen Siq-Felsschlucht
Ziemlich einzigartig: Touristen in der 70 Meter hohen Siq-Felsschlucht

Davon war auch der legendäre britische Offizier und Geheimagent T. E. Lawrence überzeugt. Er hatte Wadi Rum durch seinen Roman »Die sieben Säulen der Weisheit« berühmt gemacht und beschrieben, dass der Mensch »die Leere der Welt und die Fülle Gottes« in der Wüste suche. Lawrence’ Name klebt an Wadi Rum wie Sand auf schweißnasser Haut. Keine Jordanienreise vergeht, ohne dass Lawrence’ abenteuerliche Geschichte und der an Originalschauplätzen gedrehte Hollywoodfilm thematisiert würden. Ganz in der Nähe der nach Lawrence benannten Quelle schuf das Architektenbüro Wind & Wasser den Khaz’ali-Canyon. Das Design der Innenwände dieser schmalen Schlucht ist aber ganz und gar Menschenwerk. Seit Tausenden von Jahren haben nomadische Völker Zeichnungen und Inschriften in den roten Sandstein geritzt, um ihren Gedanken, Ideen und Erfahrungen Dauer zu verleihen. Jagd-, Tanz- und Kampfszenen sind da zu sehen, erotische Bilder und Geburten, Anleitungen für rituelle Praktiken und auch zahlreiche Gebete, vielleicht eingemeißelt von Pilgern, die sich auf ihrer Reise nach Mekka hier ausruhten.

Der Stil der Zeichnungen und Gravuren änderte sich von der Jungsteinzeit bis zum arabischen Mittelalter deutlich, die Themen aber blieben konstant, weil sich auch das Leben der Wüstenbewohner nicht viel veränderte. Längst schränken geschlossene Grenzen den nomadischen Lebensstil jedoch erheblich ein, und es ziehen auch keine großen Karawanen mehr durchs Wadi Rum, um Gewürze und Teppiche zu liefern. Stattdessen haben Technologie und Tourismus Smartphones und Spiegelreflexkameras in die Zelte perfekt Englisch sprechender Beduinen gebracht.

Das höchste Gut wurde allerdings erfolgreich bewahrt – die Gastfreundschaft, und die geht auch in Jordanien am liebsten durch den Magen. Zarb heißt das traditionelle, im Erdofen zubereitete Barbecue der Beduinen. Man lässt ein Metallgestell, dessen verschiedene Ebenen mit Lammfleisch, Hühnchen, Gemüse und Reis bestückt sind, in ein tiefes, mit Holzkohle beheiztes Loch ein, das anschließend mit Lehm versiegelt wird. Nach etwa dreistündiger Backzeit im Boden beweist der Orient, mit welcher Leichtigkeit ihm die kulinarische Verführung des Abendlandes gelingt. Im dürftigen Schein kleiner Gaslaternen spiegelt sich ein tiefer Ausdruck von Entspannung in den Gesichtern der Gäste. Plaudern, die wohltuende Schlaffheit nach einem guten Essen genießen und sich in einem Gestöber aus tausend wimmelnden Sternen am Wüstenhimmel verlieren – so vollkommen kann die jordanische Variante von Tausendundeine Nacht sein. Die Köche der Wüste haben alles richtig gemacht und einen Augenblick lang glaubt man tatsächlich Hiams begeistertes Trillern zu hören.

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