Datei »Gewalttäter Sport«: Fehlanzeige beim Datenschutz

Weiterhin keine Reform der Datei »Gewalttäter Sport«

Die Ampel-Koalition hatte sich zu Beginn der Wahlperiode eigentlich darauf geeinigt, die Speicherung von persönlichen Daten in der Datei »Gewalttäter Sport« zumindest zu reformieren. Eine neue Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage aus der Linksfraktion, die dem »nd« vorliegt, zeigt, dass sich auch in diesem Jahr nichts an der viel kritisierten Polizeipraxis geändert hat.

In der Datei »Gewalttäter Sport« werden Daten von Personen festgehalten, gegen die im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Etwa wegen Widerstand gegen Polizisten, Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz oder Beleidigungen. Obwohl ein großer Teil der erfassten Fälle nichts mit körperlicher Verletzung zu tun hat, sind die Konsequenzen eines Eintrages mitunter massiv. Oft folgen etwa Stadionverbote und Fans berichten, aufgrund eines Eintrages in der Datei von der Polizei vor Fußballspielen beschattet worden zu sein. Die Datei wurde 1994 nach einem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und Senatoren eingerichtet und wird von der Zentralen Informationsstelle Sport (ZIS), die beim Landeskriminalamt im Bundesland Nordrhein-Westfalen sitzt, geführt.

Da alle Bestimmungen, wer wie in die Datei »Gewalttäter Sport« kommen kann, sehr schwammig sind, wurde allerdings in den letzten Jahren beispielsweise aus Fanvereinigungen wie dem Dachverband der Fanhilfen die Kritik laut, die Einträge in die Liste seien oft willkürlich und unbegründet. Vor allem die sehr niederschwellige Speicherungspraktik wurde immer wieder beanstandet, weil ein Anfangsverdacht genügt, um darin erfasst zu werden. Dazu kommt, dass Personen, die in die Datei aufgenommen werden, nicht einmal darüber informiert werden müssen.

Sogar während der Zeit der Geisterspiele während der Corona-Pandemie waren in der Datei über 1000 Personen von der Polizei eingetragen worden, wie eine Kleine Anfrage der Grünen an die damalige Bundesregierung ergeben hatte. So wurden Fans auch schon mal wegen einer einfachen Personalienfeststellung dort eingetragen.

André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, hat sich nun erneut in einer Anfrage an die Bundesregierung nach der Datei erkundigt. Aus der Antwort ging allerdings hervor, dass an der Art der Datenspeicherung auch dieses Jahr nichts geändert wurde. Das bedeutet, dass die vielfach kritisierte Datensammlung auch über die Fußball-Europameisterschaft Euro 2024 in Benutzung sein wird. »Das ist inakzeptabel«, so Hahn gegenüber dem »nd«.

Bemerkenswert sei allerdings, dass sich die Zahl der in der Datei erfassten Personen innerhalb der letzten zehn Jahre halbiert hat. »Das ist ein Zeichen dafür, dass durch den öffentlichen Druck wenigstens ein Teil der unrechtmäßig erfassten Personen aus dieser Datei wieder gelöscht wurde«. Ausreichend sei das jedoch nicht, denn an der Notwendigkeit der Überarbeitung habe sich nichts geändert.

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