Lothar Bisky als Mensch und Politiker

Eine Fotoausstellung in Potsdam zeigt den Vorsitzenden bei der Gründung der Linkspartei und tanzend mit seiner Frau

Kein begnadeter Redner, aber ein Politiker, der auch zuhören konnte: Lothar Bisky beim Wahlkampf 2009 in Leipzig
Kein begnadeter Redner, aber ein Politiker, der auch zuhören konnte: Lothar Bisky beim Wahlkampf 2009 in Leipzig

Lothar Bisky mit nachdenklich gerunzelter Stirn, besorgtem Gesichtsausdruck bei einem PDS-Parteitag 1998 in Rostock, sitzend neben der späteren Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Oder 1996 Seite an Seite mit der Schauspielerin Käthe Reichel vor der russischen Botschaft in Berlin, um gegen das militärische Vorgehen in Tschetschenien zu protestieren. Oder 1999 im Gespräch mit Neumitgliedern, konkret mit einer ganz jungen Frau. So kennt man den 2013 verstorbenen Politiker. Immer wieder dieser Gesichtsausdruck. Bisky macht sich Gedanken – und Sorgen. Grund genug hat er dafür reichlich im Laufe der Jahre. In der Partei kriselt es dauernd, selbst in Phasen, in denen sie von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilt.

Aber tanzend mit seiner Frau Almuth am Abend nach dem Rostocker Parteitag von 1998, mit einem verwegenen Blick wie ein Hollywood-Schauspieler in einer ganz großen Liebesszene, so wurde der einstige Rektor der Babelsberger Filmhochschule »Konrad Wolf« selten abgelichtet. Gerade auch dieses Bild macht die Fotoausstellung »Mensch Bisky«, die am Freitagabend eröffnet werden sollte, zu etwas Besonderem. Sie zeigt Bisky nicht nur in historischen Schlüsselmomenten wie beim Vereinigungsparteitag von PDS und Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) im Juni 2007. Die Ausstellung erlaubt auch einen Blick hinter die Kulissen, wenn etwa Bisky 1996 vor einem Auftritt mit dem verehrten Literaturwissenschaftler Hans Mayer abseits der Bühne hinter dieser Berühmtheit steht, deren Bekanntheit er aber bereits damals schon weit überflügelt.

Ein besserer Ort für die Fotoausstellung zehn Jahre nach dem Tod von Lothar Bisky konnte wohl kaum gefunden werden, heißt die Landeszentrale der brandenburgischen Linken in der Potsdamer Alleestraße 3 doch nicht zufällig Lothar-Bisky-Haus. Hier in Brandenburg war er relativ kurz PDS-Landesvorsitzender und sehr lange PDS-Fraktionschef im Landtag. In der Landesgeschäftsstelle sind die Bisky-Fotos jedoch nur vorab zu sehen, bevor sie ab September im Landtagsschloss am Alten Markt präsentiert werden. Das allerdings ist niemals Biskys Wirkungsstätte gewesen. Als das Parlament 2014 vom Potsdamer Brauhausberg in den Neubau wechselte, hatte sich Bisky bereits aus der Landespolitik verabschiedet, war 2005 in den Bundestag und 2009 ins Europaparlament eingezogen.

Im Plenarsaal des Landtags wird es am 5. September um 18 Uhr eine szenische Lesung geben »über den demokratischen Sozialisten, der mit Herz und menschlichem Antlitz Politik machte«, wie es in der Einladung der Bundestags- und der Landtagsfraktion heißt. Das Motto ist ein typischer Bisky-Spruch: »Ich habe mir Mühe gegeben. Es hat teilweise auch viel Freude gemacht.«

Sich Mühe zu geben, das hatte der Politiker versprochen, als er zum PDS-Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Nach der vergeigten Bundestagswahl von 2002, als die Partei die Fünf-Prozent-Hürde verfehlte, nur zwei Direktmandate gewann und vor dem Aus stand, übernahm Bisky noch einmal Verantwortung und rettete die Sozialisten. In dem Zitat ist alles drin, was den Menschen und Politiker Bisky auszeichnete: Sein Anspruch und seine Bescheidenheit, sein Leiden an den Verhältnissen. Er bezeichnete sich ironisch als den »Integrationsopa der Partei«, der er eigentlich nicht sein wollte, auch als ihren »Mülleimer«, weil er sich stundenlang geduldig alle Beschwerden anhörte und um Versöhnung rang.

Der Mensch Bisky genoss bei Journalisten und zumindest in Brandenburg selbst bei der politischen Konkurrenz große Hochachtung, über ideologische Gräben hinweg. Er wird heute schmerzlich vermisst.

»Wenige Tage vor seinem 72. Geburtstag stürzte Lothar Bisky in seinem Haus in Schildau auf der Treppe und verletzte sich schwer. Am 13. August 2013 verstarb er im Universitätsklinikum Leipzig.« So schreibt Thomas Falkner, einstmals Mitarbeiter der Brandenburger Linksfraktion, auf der vorletzten von 82 Seiten seiner biografischen Studie über den Verstorbenen, der in der gegenwärtigen Existenzkrise die Partei nicht erneut retten kann. Es wäre dem nach heutigen Maßstäben zu früh Gegangenen noch eine Zeit der Besinnung und der uneingeschränkten Lebensfreude zu gönnen gewesen, bemerkt Falkner über den Politiker, der kein begnadeter Redner war, aber über zahlreiche andere Qualitäten verfügte.

Doch Bisky hatte durchaus auch seinen Spaß. Das zeigt die Ausstellung beispielsweise mit einem herzlich lachenden Professor an der Seite seines einstigen Studenten, des preisgekrönten Regisseurs Andreas Dresen, der Lothar Bisky stets in den höchsten Tönen lobt. Diese Aufnahme und andere hat die Fotografin Gabriele Senft beigesteuert, die übrigen Bilder stammen von Ulrich Burchert. Beide sind sehr erfahrene Meister ihres Fachs. Die gezeigte Auswahl beweist das einmal mehr.

Der große öffentliche Auftritt und das persönliche Moment, beides fließt zusammen in einem Bild von einem Schweriner Parteitag im Januar 1997. Bisky wendet sich hier sitzend weg von der Front der Fotografen vor ihm und schaut im Blitzlichtgewitter überaus freundlich in die Kamera von Gabriele Senft, die sich schräg hinter ihm postiert hat. Gleich mit eingefangen ist ein Berufskollege von Gabriele Senft, der langjährige nd-Fotograf Burkhard Lange, auf seiner stets mitgeführten kleinen Trittleiter hoch über den anderen auf der Suche nach einem perfekten Motiv – und ebenfalls ein Meister seines Fachs. Bisky ist eine Zeit lang auch Herausgeber des »nd« gewesen.

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