Baustopp für »The Fizz« in Friedrichshain: Ruhe nach dem Riss

Nach massiven Bauschäden: Luxusbauprojekt »The Fizz« am Markgrafendamm vorübergehend gestoppt

  • Felix Schlosser
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Juni rüttelten die Bagger noch am Fundament der umstehenden Häuser. Nun steht die Baustelle in Friedrichshain-Kreuzberg erstmal still.
Im Juni rüttelten die Bagger noch am Fundament der umstehenden Häuser. Nun steht die Baustelle in Friedrichshain-Kreuzberg erstmal still.

»Wir sind glücklich und froh darüber, dass erst mal Ruhe herrscht und eine weitere Zerstörung unserer Häuser vorerst abgewendet ist.« Die Erleichterung ist Sandra Frey* anzusehen, als sie einen Blick auf die Baustelle hinter sich wirft, neben der sich auch ihr Wohnhaus befindet. Seit knapp drei Monaten können die Bewohner*innen der Wohnhäuser Markgrafendamm 6 und 10 aufatmen. Denn die Baustelle des Studierendenwohnheims »The Fizz« ruht.

Das Bauprojekt des in Leipzig ansässigen Unternehmens Quarterback Immobilien AG verursacht massive Schäden an den angrenzenden Wohnhäusern. Tiefe Risse, verzogene Türen und nicht mehr schließende Fenster sorgten bei den Anwohner*innen für Angst um ihr Zuhause und um ihre Sicherheit.

Im Juni hatten die Bewohner*innen zusammen mit der lokalen Nachbarschaftsinitiative »Wem gehört der Laskerkiez?« auf diese Missstände aufmerksam gemacht. Die Initiative protestiert immer wieder gegen geplante Luxusbauprojekte in ihrem Kiez und setzt sich für den Erhalt von Kiezkultur wie Spätis oder die Kulturbar »Zukunft am Ostkreuz« ein. Auch das Bauprojekt »The Fizz« sorgte für Unmut bei den engagierten Anwohner*innen. Sie befürchten, dass es den Mietspiegel im Kiez indirekt in die Höhe treiben, weitere Aufwertung und damit einhergehend Verdrängung mit sich bringen wird.

»Nachdem die Schäden so massiv waren, dass die Nachbar*innen anfingen, um ihr körperliches Wohl zu fürchten, kamen sie auf uns zu und baten um Hilfe«, berichtet Timo Steinke von »Wem gehört der Laskerkiez?« im Gespräch mit »nd«. Man habe sich zusammengesetzt, Kontakt zu Politiker*innen aufgenommen, die Schäden umfangreich dokumentiert und eine Kundgebung organisiert. Von diesem Zeitpunkt an herrschte auf der Baustelle erst mal Ruhe. Die Bauaufsicht hatte einen Baustopp verhängt. Auf eine aktuelle nd-Anfrage antwortete das Bezirksamt nun: »Nach der Prüfung und Freigabe von statischen Berechnungen durch einen Prüfingenieur für Baustatik konnte der Baustopp teilweise aufgehoben werden, um in Teilen des Grundstückes notwendige Arbeiten durchführen zu können.«

Die Bewohner*innen beklagen ein dreistes Gebaren des Unternehmens Quarterback. So ist die Bauleiterin des Projekts in eine leer stehende Wohnung des Hauses Markgrafendamm 10 eingezogen, das ihr Unternehmen kurzerhand vor Baubeginn selbst erwarb. Bewohner Michael Lentz* berichtet im Gespräch mit »nd«: »Sie wurde von Anfang an von uns auf den Zustand des Hauses und entsprechende Schäden angesprochen.« Doch die Ängste habe die Bauleiterin nicht ernst genommen. »Solange ich hier wohne, brauchen Sie sich keine Sorgen um ihr leibliches Wohl zu machen«, so habe sie die Bedenken der Nachbar*innen abgetan.

Geradezu absurd findet Sandra Frey, die in dem Haus Markgrafendamm 6 wohnt, die Tatsache, dass sie vor Kurzem eine Mieterhöhung zu September bekommen hat. »Vor zwei bis drei Jahren wurde unsere Wohnlage neu bewertet und zu einer mittleren Wohnlage hochgestuft. Angeblich durch eine bessere infrastrukturelle Anbindung – doch seit den ganzen Baustellen hier hat sich alles nur verschlechtert«, sagt Frey. Sie müsse nun bald 40 Euro mehr im Monat zahlen, obwohl feststehe, dass es auch in den nächsten Jahren zu Lärm und Beeinträchtigung durch die angrenzende Baustelle kommen werde.

Trotz der drei Monate Ruhe sorgen sich die Bewohner*innen weiter um ihre Häuser. Nicht zu Unrecht: Auf nd-Anfrage ließ das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mitteilen, es seien zwar Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen geplant. Jedoch könne man den Bewohner*innen nicht garantieren, dass sie in ihren Wohnungen bleiben können. Auch die Firma Quarterback bestätigt gegenüber »nd«, dass das Bauprojekt fortgesetzt wird. Der Baustopp für die Gesamtbaumaßnahme sei bereits bis auf einen Zehn-Meter-Schutzstreifen vor der geschädigten Giebelwand aufgehoben. Instandsetzungsmaßnahmen und Schadensbeseitigung am Haus Markgrafendamm 6 seien für Ende August oder Anfang September geplant. Da das Gebäude durch die Bauarbeiten abgesunken ist, sind zudem Sicherungsmaßnahmen in Form einer Unterfangung des Hauses geplant. Diese sollen voraussichtlich Mitte September starten. Der notwendige Bauantrag beim Bezirksamt sei gestellt worden.

Bevor es weitergehen kann, muss allerdings ein neues Bauunternehmen gefunden werden. Das Bauunternehmen »R + V Hoch- und Tiefbau«, das die Bauarbeiten seit Beginn betreut hatte, hat sich mittlerweile von der Baustelle zurückgezogen. Mehrere online verfügbare Nutzer*innen-Bewertungen aus den vergangenen Monaten weisen darauf hin, dass das Unternehmen offenbar nicht mehr in der Lage ist, beauftragte Subunternehmen und Rechnungen zu bezahlen. Eine nd-Anfrage ließ das Bauunternehmen unbeantwortet. Auftraggeber Quarterback teilte jedoch mit, die »Neuvergabe der Bauleistungen« sei bereits am Laufen, um die Rohbauarbeiten Ende Oktober fortzusetzen.

»Wem gehört der Laskerkiez?« fordert hingegen weiterhin einen Baustopp des geplanten Projekts. »Nie war die Gelegenheit so günstig für den Senat oder den Bezirk, einen Rückkauf des gesamten Geländes ins Auge zu fassen«, sagt Timo Steinke. Das Unternehmen Quarterback habe hinlänglich bewiesen, dass es der Verantwortung für sein Eigentum nicht im Mindesten gerecht werde.

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