Der Absturz der Ampelparteien ist logisch

Christoph Ruf über miese Umfragewerte der Ampel

Reisen bildet. Und deshalb hätte ich am Ende dieses Sommers mit vielen belauschten und selbst geführten Gesprächen eine Prognose zur Hand: Die nächsten Wahlen werden scheiße. So scheiße, dass es sich das rot-grüne Milieu gar nicht vorstellen kann: »Ampel« ist mittlerweile von Rügen bis Oberbayern ein allgemein anerkanntes Schimpfwort. Wer es ausspricht, erntet ein sarkastisches Lächeln nebst wegwerfender Handbewegung.

Woran das liegt? Vordergründig sicher an einzelnen Maßnahmen einer Regierung, die auch deshalb so kopflos wirkt, weil ihr Kopf sich auf ein selbstgefälliges Grinsen reduzieren lässt. In der Hauptsache aber an einem Eindruck, den von links bis rechts mehr Leute teilen, als sich das das politische Berlin vorstellen kann. Dem Eindruck nämlich, dass sich Ampel und die ihr wohlgesonnenen Medien mit 90 Prozent ihrer Energie um Themen kümmern, die nicht einmal zehn Prozent der Bevölkerung für relevant halten. Was umso fataler ist, wenn die anderen Themen mit zehn Prozent Energie behandelt werden.

Insofern ist es nur logisch, dass sich die Grünen gerade so viel Ärger einhandeln. Schließlich gibt es wohl kein peinlicheres Eingeständnis für den Leiter eines bedeutsamen Ressorts als das von Robert Habeck, wonach er »die Stimmung in der Bevölkerung falsch eingeschätzt« habe. So etwas passiert, wenn man in einem Umfeld lebt, das Ernährung als Distinktionsmerkmal sieht. Und Geld als etwas, das man sinnvoll oder nicht ausgeben kann. Von dem eines aber klar ist: Dass man es hat.

Das Schlimme an der Ampel ist jedoch, dass sie gleich von drei Milieuparteien gebildet wird. Wenn Klaus Ernst über die »Linke« feststellt, dass es »Leute in der Partei« gibt, »deren Kontakt zur Arbeit sich darauf beschränkt, dass sie mal als Schüler oder Student ein Regal bei Aldi eingeräumt haben«, beschreibt er damit auch das SPD-Establishment. Und weite Teile einer Medienlandschaft, die gerne von Diversität spricht, damit aber stets nur sexuelle Orientierungen oder Hautfarben meint, eines aber partout nicht hinterfragen will: die eigene Sozialisierung als Akademikerkind.

Nun könnten einem die miesen Umfragewerte für die Ampel egal sein, wenn daraus irgendetwas Produktives entstehen könnte. Doch profitieren werden die Rechten. Und daran wird sich auch nichts ändern, wenn die Aiwangers geklärt haben, wer vor 35 Jahren ein lupenreines NSDAP-Weltbild zu Papier gebracht hat. Herbert? Oder doch »Hubsi«, der – Sachen gibt’s – den einzigen Menschen ausgegraben hat, der ebenfalls auf der Schreibmaschine geschrieben haben kann, die den Aiwangers zugeordnet wurde.

Bei der bayrischen Landtagswahl dürfte das zu Verschiebungen führen – weg von den Freien Wählern und hin zur AfD, wie bei den folgenden Landtagswahlen auch. Wie schlimm das ist, liegt auf der Hand. Aus allen bekannten Gründen. Allerdings auch, weil mit ihr (und ihren Stichwortgebern aus FDP und Union) ein Denken salonfähig werden konnte, das man noch vor kurzem für ein Phänomen des Trumpismus halten durfte: Selbst die Leugnung des Klimawandels ist in Deutschland wieder salonfähig. Und das auch, weil die Ampel es nicht geschafft hat, ihre wenigen dezenten Versuche, ökologisch nachhaltige Politik zu betreiben, so zu vermitteln, dass wenigstens der vernunftbegabte Teil der Bevölkerung mitgehen kann.

Womit dann auch benannt wäre, warum längst auch ich zu denen gehöre, die bei der Ampel abwinken: Wer will, dass eine Gesellschaft bereit ist, die Konsequenzen daraus zu ziehen, wie es um die Welt steht, muss erklären und argumentieren. Vor allem aber muss er eine ungefähre Vorstellung von der Gesellschaft haben, für die er angeblich Politik macht. Und die lebt nur zu einem verschwindend kleinen Teil innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings.

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