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Der AfD in Seelow den Flügel gestutzt
Parteiloser Kandidat Robert Nitz gewinnt die Bürgermeisterwahl deutlich
Auf den Seelower Höhen gibt es eine bekannte Gedenkstätte für die verlustreiche Schlacht, bei der sowjetische Truppen im Zweiten Weltkrieg im Frontalangriff den Weg nach Berlin freikämpften. Es war ein Durchbruch für die Befreiung vom Faschismus. Ausgerechnet hier glaubte die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestufte Brandenburger AfD ihren ersten Bürgermeister im Bundesland zu bekommen. Doch die Hoffnung erwies sich als trügerisch.
Der AfD-Landesverband verkaufte Brandenburg früher stolz als »Flügelland«, weil hier die Anhänger des offiziell nicht mehr existierenden völkischen Flügels der Partei das Sagen hatten und zum Teil noch haben. Doch in Seelow wurden der AfD die Flügel gestutzt. Die Niederlage bei der Bürgermeisterwahl am Sonntag ist ein Dämpfer im Höhenflug, auf dem sich die AfD befindet, nachdem ihr für die Landtagswahl im kommenden Jahr zuletzt 28 Prozent bescheinigt wurden – womit sie die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke hinter sich lassen würde.
In der Auflistung der Mitarbeiter der Stadt Seelow (Märkisch-Oderland) ist Robert Nitz noch als Leiter des Fachbereichs Innere Verwaltung verzeichnet. An anderer Stelle steht als Bürgermeister noch Jörg Schröder (parteilos), der im April überraschend im Alter von 64 Jahren verstarb. Seitdem machte der 34-jährige Robert Nitz (parteilos) zunächst übergangsweise den Job. Bei der Bürgermeisterwahl am Sonntag wurde Nitz nun von der Bevölkerung als Rathauschef bestätigt. Er erhielt 68,5 Prozent der Stimmen. Damit distanzierte er sich klar von seinem einzigen Konkurrenten, dem AfD-Fraktionschef Falk Janke. Der erhielt nur 31,5 Prozent.
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Nachdem vor wenigen Tagen im thüringischen Sonneberg der erste AfD-Landrat bundesweit vereidigt wurde und im sachsen-anhaltischen Raguhn-Jeßnitz ein AfD-Bürgermeister sein Amt angetreten hat, glaubte die AfD, dass Falk Janke in Seelow gewinnen könnte. Bei der Landratswahl im benachbarten Landkreis Oder-Spree konnte im Mai ein Sieg der AfD nur mit knapper Not verhindert werden – da schien das kein abwegiger Gedanke, zumal die AfD im Osten und Süden Brandenburgs besser abschneidet als im Rest des Bundeslandes, und Seelow liegt im Osten.
Ein Blick auf die Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung zeigt jedoch ein anderes Bild. 19 Sitze gibt es. Davon nimmt die AfD-Fraktion, deren Vorsitzender Falk Janke ist, lediglich drei ein. Die Linke und die SPD haben je fünf Mandate, weitere fünf eine Fraktion, in der sich Stadtverordnete der CDU, der FDP und der Wählergruppe Heimat-Kultur-Sport zusammengeschlossen haben. Sie alle haben auf eigene Kandidaten verzichtet und den parteilosen Robert Nitz unterstützt, der als Bürgermeister ebenfalls eine Stimme in der Stadtverordnetenversammlung hat.
Nitz gewann am Sonntag alle fünf Stimmbezirke, vier davon deutlich. Außerdem erzielte er bei den Briefwählern sogar 80,4 Prozent der Stimmen. Nur im Ortsteil Werbig, wo Falk Janke lebt, wurde es eng. Aber auch dort behielt Robert Nitz mit 51,4 Prozent die Nase vorn. Das war Nitz wichtig: »Ich freue mich ganz besonders, dass ich alle Wahllokale gewonnen habe«, sagte er am Wahlabend.
Strahlend an seiner Seite stand die Landtagsabgeordnete Bettina Fortunato (Linke). »Klar haben wir uns Sorgen gemacht«, gibt Bettina Fortunato zu. Auch wenn die AfD in Seelow nicht mit überzeugendem Personal in Erscheinung trete: Es sei ja im Moment manchmal fast egal, wen sie bei einer Wahl aufstellt. Deshalb habe es das breite Bündnis für Robert Nitz gegen, berichtet die Landtagsabgeordnete.
Bettina Fortunatos Mann, der Seelower Stadtverordnete Armenio Fortunato (Linke), bestätigt mit Blick auf ganz Deutschland: »Es gibt viele Probleme.« Die AfD nutze das für sich aus. »Hier wurde ja im Wahlkampf mehr über die Bundespolitik gesprochen als über alles andere«, erzählt er. Auch für den Erhalt des Krankenhauses – AfD-Kandidat Janke hatte versucht, sich mit diesem Thema in Szene zu setzen – könne die Stadt wenig tun, erinnert Armenio Fortunato. Denn das Krankenhaus gehöre dem Landkreis Märkisch-Oderland und nicht der Stadt Seelow. Aber solche Zusammenhänge seien vielen Menschen nicht bewusst.
Die Wahlbeteiligung war mit 67,8 Prozent recht ordentlich. Nitz möchte nun das Schulbauprogramm angehen – und er schaut nach vorn auf die nächste Gelegenheit zum Feiern: das Stadtfest, das von Freitag bis Sonntag stattfinden wird.
Der unterlegene Janke hatte im Wahlkampf Stimmung gemacht. Seelow trage eine »übergroße Flüchtlingslast«, und »in unsere Schulen gehen inzwischen zu viele nicht deutschsprachige Kinder, weshalb das Lernniveau erkennbar sinkt«, schimpfte der 60-Jährige. Er war früher CDU-Mitglied und auch mal in der kurzlebigen Schill-Partei des wegen seiner harten Urteile »Richter Gnadenlos« getauften Ronald Schill, der von 2001 bis 2003 Innensenator von Hamburg war. Robert Nitz sei nicht unabhängig, wie er vorgebe, sagte Janke. »Ohne die Hilfe der Altparteien würde er für Seelow nur wenig hinbekommen.« Janke selbst bekam im Wahlkampf Hilfe vom AfD-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla, der am Samstag in Seelow auftrat. Auch Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel hat sich für Janke eingesetzt. Es hat alles nichts genutzt.
2017 wurde der AfD-Mann Detlev Frye zum ehrenamtlichen Bürgermeister von Lebus gewählt, aber nicht von der Bevölkerung, sondern von den Stadtverordneten. Wegen eines Formfehlers wurde diese Wahl allerdings für ungültig erklärt, und Frye konnte seinen Erfolg danach nicht wiederholen. Am Zug sind in Brandenburg statt der Wähler die Stadtverordneten, wenn ein ehrenamtlicher Bürgermeister zum Beispiel zurücktritt und gerade keine Kommunalwahlen anstehen.
Alle fünf Jahre sind in Brandenburg Kommunalwahlen, dabei werden nicht nur die Kreistagsabgeordneten, Stadtverordneten, Gemeindevertreter und Ortsbeiräte gewählt, sondern auch die ehrenamtlichen Bürgermeister bestimmt. Hauptamtliche Bürgermeister größerer Städte und Gemeinden, wie in der Kreisstadt Seelow, werden unabhängig vom Kommunalwahltermin und grundsätzlich von den Bürgern gewählt.
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