Rechtes Überholmanöver in Italien

In Italien konkurriert die Lega mit der Partei von Giorgia Meloni um den härtesten Kurs gegen Migranten

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer ist rechter? Wer überholt die (neo)faschistische Regierungschefin Giorgia Meloni von der Fratelli d’Italia rechts? Ausgetragen wird dieser »Kampf um rechts« vor allem auf dem Rücken der Migranten und der Flüchtlinge, die bei der Überfahrt über das Mittelmeer und auch auf der sogenannten Balkanroute jeden Tag ihr Leben riskieren und oft auch verlieren.

Die Zahlen der Bootsflüchtlinge sind höher als noch vor einem Jahr, also bevor die ultrarechten Kräfte in Italien die Regierung übernahmen. Sie waren mit dem absurden Versprechen angetreten, rund um das Land eine »Seeblockade« zu errichten, keine Migranten mehr hereinzulassen und diejenigen, die sich bereits in Italien aufhalten, sofort auszuweisen.

Das hat nicht geklappt beziehungsweise war es von vornherein schlicht unmöglich. Da man das aber jetzt nicht zugeben kann, sucht man nach einem »Schuldigen«. Da sind auf der einen Seite Menschenrechtsorganisationen, die mit ihren (wenigen) Seenotrettungsschiffen immer wieder Männer, Frauen und Kinder vor dem Ertrinken bewahren. Gleichzeitig bittet man sie aber auch um Hilfe, wenn die Küstenwache es nicht alleine schafft, Flüchtlingsboote, die im wahrsten Sinne des Wortes »dem Untergang geweiht« sind, an Land zu ziehen.

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Auf der anderen Seite ist der »Schuldige« Europa, also die Europäische Union. Der Bürgermeister von Triest, Roberto Dipiazza, der im Laufe seiner politischen Karriere mehr oder weniger alle rechten Parteien angesteuert hat und nun bei Forza Italia gelandet ist, die sich selbst als »moderat« bezeichnet, spricht von einem »europäischen Komplott gegen Italien«: »Da die Regierung von Frau Meloni funktioniert, will man sie in Brüssel sabotieren«, sagte er vor wenigen Tagen.

Eine andere Erklärung findet der Bürgermeister nicht für die über 52 000 Flüchtlinge, die zwischen Januar und Juli dieses Jahres über die italienische Ostgrenze mit Kroatien und Slowenien gekommen sind.

Ministerpräsidentin Meloni hingegen, die sich noch vor wenigen Jahren nichts sehnlicher als den Austritt Italiens aus der EU wünschte, sieht man heute permanent an der Seite von Ursula von der Leyen. Zusammen mit der EU-Kommissionspräsidentin handelt sie dubiose Verträge mit angeblich »sicheren Herkunftsländern« aus. In Brüssel scheinen alle zusammen vergessen zu haben, dass es gerade die Ultrarechte in Italien war, die Ungarn, Polen und andere bei den EU-Institutionen in der Kritik stehende Länder gelobt hat, wenn diese sich rundweg weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen.

Italiens Innenminister Matteo Piantedosi hat ein besonderes Rezept. Er will in jeder der 21 italienischen Regionen ein riesiges Gefängnis errichten lassen, in dem die Migranten zusammengepfercht werden sollen, bevor sie ausgewiesen werden können.

Das ist eine weitere »Lösung«, die tatsächlich nur neue Probleme schafft. Erst einmal sind die Kosten für solche Bauten teuer, und die italienische Regierung hat kein Geld. Zweitens sind die »Rückführungen« genannten Abschiebungen nicht nur sehr aufwendig, sondern schlichtweg unmöglich, solange es keine internationalen Abkommen mit den konkreten Herkunftsländern der Flüchtlinge und Migranten gibt.

Wenn überhaupt, würde man so nur die vielen Migranten »unsichtbar« machen, die heute vor allem am Rande der Städte und in der Nähe der großen Bahnhöfe unter menschenunwürdigen Bedingungen leben.

Und dann ist da noch Matteo Salvini, einst Innen- und heute Transportminister. Mit seiner Lega war er der große Verlierer der letzten Wahlen in Italien. Offensichtlich hat der stellvertretende Ministerpräsident seine ganz eigene Erklärung dafür gefunden, wieso die Italienerinnen und Italiener nicht ihn, sondern die »Brüder Italiens« gewählt haben: Er war noch nicht rechts genug. Dem möchte er nun Abhilfe schaffen – schließlich sind nächstes Jahr Europawahlen, und da will er in der Wählergunst wieder näher an Giorgia Melonis Partei herankommen.

Ein geeignetes Instrument scheint ihm dafür General Roberto Vannacci zu sein. Der 54-Jährige hat in Afghanistan und im Irak gedient und ist mehrfach ausgezeichnet worden. Vor wenigen Wochen veröffentlichte dieser ein Buch, mit dem er seine Sicht der Dinge erklärt: »Die Welt verkehrt herum«. Es reichen wenige Sätze daraus, um zu erkennen, was in seinem Kopf vor sich geht. So spricht er von einer »internationalen Schwulenlobby«, sagt den Homosexuellen, dass sie »nicht normal« sind, und ist davon überzeugt, dass in seinen Adern das Blut von Romulus, Julius Cäsar und Garibaldi fließt – während man die italienische Volleyballspielerin Paola Egonu nur ansehen müsse, um zu verstehen, dass sie Italien nicht vertreten kann (ihre Eltern sind aus Nigeria eingewandert).

Melonis Verteidigungsminister Guido Crosetto hat den General erst einmal freistellen lassen – Matteo Salvini hat ihm eine Kandidatur bei den Europawahlen auf der Liste der Lega angeboten. Das rechte Überholmanöver ist in vollem Gange.

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