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Mafia greift staatliche Gelder ab

Laut einem Bericht der Antimafiabehörde investieren Clans in Italien im großen Stil in legale Geschäfte und sahnen immer mehr öffentliche Gelder ab

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Italiens Polizei gegen die Mafia zuschlägt, wirkt das immer öfter spektakulär. Die Beschlagnahmung hoher Millionenbeträge ist längst keine Seltenheit mehr. Doch die Dunkelziffer der Erträge ihrer Geschäfte liegt weit höher. Dies ergründet sich auch darin, dass die Clans ihre Strategien in den vergangenen Jahren angepasst haben. Der gerade veröffentlichte Bericht der Anti-Mafia-Behörde DIA (Direzione Investigativa Antimafia) stellt nüchtern fest: Die Mafias sind widerstandsfähig, gut organisiert, mit Hochtechnologie ausgerüstet und verfügen über genug flüssige Geldmittel, um Politiker und Wirtschaftsfunktionäre auf allen Ebenen zu korrumpieren.

Statt auf Mord und Erpressung setzen die Clans zunehmend auf Investitionen in die legale Wirtschaft. Ihre Kinder schicken die Mafiabosse auf die besten Schulen und Hochschulen in Italien und im Ausland. Die im zweiten Halbjahr durch die Behörden beschlagnahmten Werte geben einen kleinen Eindruck von der Finanzkraft der Organisierten Kriminalität: Landesweit summiert sich der Betrag auf 181,4 Millionen Euro. Davon entfielen allein 177,6 Millionen auf die kalabresische ’Ndrangheta. Die Summen von Camorra und Cosa Nostra nehmen sich vergleichsweise bescheiden aus: Nur 1,2 Millionen konnten von den Clans im Gebiet von Neapel und 1,1 Millionen von denen auf Sizilien sichergestellt werden.

Die Zahlen verdeutlichen, dass die ’Ndrangheta die aktivste kriminelle Organisation im Lande ist. Diese bedient sich vor allem des Mittels der Korruption. Ihre Einnahmen aus dem internationalen Drogen- und Waffenhandel dienen zunehmend, um in die legale Wirtschaft einzudringen.

Mit enormen Bestechungssummen versuchen die Clans, öffentliche Aufträge an Land zu ziehen oder Mittel aus dem EU-Konjunkturpaket »Next Generation EU« zu akquirieren. Um diese Gelder, die sich in Italiens Nationalem Aufbau- und Resilienzplan (PNRR) wiederfinden, konkurrieren auch die Machtblöcke des organisierten Verbrechens.

Wie die Ermittlungen der DIA zeigten, haben die jüngsten Krisen – Pandemie, Energiekrise und der Krieg in der Ukraine – ein Aufleben der Kriminalität im großen Stil bewirkt. Dank ihres Kapitals können die Clans vor allem in wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen investieren. Dabei beschränken sich die ’Ndrangheta-Banden (Cosche) längst nicht mehr auf ihr angestammtes Territorium.

Der DIA-Bericht identifiziert 46 lokale Vertretungen der kalabresischen Mafia im Norden des Landes, 25 davon in den Industriezonen der Lombardei. Auch nördlich der Landesgrenzen sind die Clans aktiv, so in der Schweiz, in den Beneluxstaaten, in Deutschland und Frankreich. Überall stellt die DIA die zunehmende Tendenz der Mafia fest, öffentliche Ausschreibungen an Land zu ziehen.

Der Ablauf ist stets ähnlich: Die Clans »installieren« oder kaufen Entscheidungsträger in den öffentlichen Verwaltungen, die dafür sorgen, dass die Aufträge an Firmen gehen, die der Mafia gehören – bei Bauvorhaben, Infrastrukturprojekten, im Transportwesen. Im zweiten Halbjahr 2022 registrierte die der DIA angeschlossene Beobachtungsstelle für öffentliche Aufträge 684 Firmen, die sich zugunsten der Clans öffentliche Aufträge sichern konnten.

Den Kampf gegen die Mafia hat das Kabinett der Postfaschistin Giorgia Meloni zu einer Priorität erklärt. Von ihrer Regierung hätten »Kriminelle und Mafiosi nur Verachtung und Unnachgiebigkeit zu erwarten«, wie Italiens Ministerpräsidentin vor dem Parlament erklärte. Doch gegen die mit Geld und Hightech agierenden Strukturen zeigt sich die römische Administration weitgehend machtlos. Um etwas vorzuzeigen, will Meloni nun bereits Straftäter ab 14 Jahren hinter Gitter bringen. Während sich Mafia-Größen »legal« bereichern, nehmen in Italiens krisenhafter Realität in der jungen Generation traditionelle Gewaltverbrechen wieder zu.

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