Nahost-Konflikt: Tiefe Gräben in EU-Fraktion The Left

Heftiger Streit in Linksfraktion des EU-Parlament um Haltung zu Hamas-Terror und israelischer Reaktion

EU-Parlament: Nahost-Konflikt: Tiefe Gräben in EU-Fraktion The Left

Die Linksfraktion im Europäischen Parlament ist alles andere als ein Hort der Heimeligkeit. Mit ihren noch nicht einmal 40 Abgeordnete ist sie zwar die kleinste der sieben politischen Gruppen im EU-Parlament – mit Sicherheit aber die bunteste. Ihre Mitglieder kommen aus 19 linken und links-grünen Parteien aus 13 verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten; mitunter sind sogar mehrere konkurrierende Parteien aus ein und demselben Land vertreten.

Entsprechend groß ist die Vielfalt der Meinungen und Positionen, nicht nur zur EU und deren Entwicklung prinzipiell, sondern auch zu den verschiedensten weltweiten Entwicklungen. Solche zentralen politischen Fragen wie der Kampf um soziale Gerechtigkeit, für faire Weltwirtschaftsbeziehungen und die Ablehnung von Krieg und Terror fungieren jedoch als Klammer und halten die Fraktion zusammen.

Das war zumindest bis zur vergangenen Woche so. Seit dem Angriff von Hamas-Terroristen aus dem Gazastreifen auf Israel und den Massakern an der dortigen Zivilgesellschaft brodelt es in The Left. Bereits am vergangenen Montag, als das Thema in Straßburg auf der Agenda der Fraktionssitzung stand, wurden die tiefen Gräben zwischen den Abgeordneten sichtbar. Zu einer klaren Verurteilung des Hamas-Terrors konnte sich The Left nicht durchringen; insbesondere Abgeordnete aus südeuropäischen Staaten hatten dezidiert auf die Vorgeschichte der Angriffe und die israelische Repressionspolitik verwiesen. Und einige Teilnehmende meinten, in der Diskussion durchaus antisemitische Untertöne gehört zu haben.

Die Debatte war eigentlich anberaumt worden, um eine gemeinsame Positionierung zu der drei Tage später im Plenum des EU-Parlaments anstehenden Abstimmung zu einer Nahost-Resolution zu finden. In dem Text werden die »abscheulichen Terrorangriffe« der Hamas gegen Israel verurteilt, zugleich wird jedoch auch Besorgnis über die humanitäre Lage im Gazastreifen zum Ausdruck gebracht. Die Unterstützung für Israel und dessen Bevölkerung wird bekräftigt und betont, »dass die terroristische Vereinigung Hamas zerschlagen werden muss«.

Bereits in der Debatte zum Resolutionsentwurf am Mittwoch hatte der spanische Izquierda-Unida-Abgeordnete Manuel Pineda, der zugleich der Parlamentsdelegation für die Beziehungen zu Palästina vorsteht, für einen Eklat gesorgt. Seine Unterstellung gegenüber Israel, einen Völkermord an den Palästinensern zu betreiben und den Gazastreifen »geradezu in ein Warschauer Ghetto« zu verwandeln, sorgte auch in der Linksfraktion für Empörung – jedoch nicht bei allen Abgeordneten von The Left.

Hart ins Gericht mit ihren Fraktionskolleg*innen ging die deutsche Linke-Abgeordnete Martina Michels, die Mitglied der Parlamentsdelegation zu Israel ist. »Mir ist unbegreiflich, wie man das terroristische Massaker der Hamas relativieren oder rechtfertigen kann«, richtete sich Michels auch an ihre eigene Fraktion: »Ich spreche heute ausdrücklich nicht im Namen meiner Fraktion, sondern als deutsche Linke.« Sie betonte, dass der Terror der Hamas seit Jahren auch der Selbstbestimmung der Palästinenser schade und konstatierte, dass Antisemitismus und ebenso wie eine Dialogverweigerung gegenüber den Palästinensern »mitten in Europa wieder aus allen Löchern kriechen« würden.

Angenommen wurde die Entschließung am Donnerstag mit 500 zu 21 Stimmen bei 24 Enthaltungen. Die drei anwesenden Abgeordneten der deutschen Linkspartei – Cornelia Ernst, Martina Michels und Helmut Scholz – begleiteten ihre Zustimmung mit einer Erklärung. »Wir haben entgegen der Mehrheitsposition unserer Fraktion im Europaparlament der gemeinsamen Entschließung des Europaparlaments zugestimmt«, heißt es darin. »Das terroristische Massaker der Hamas vom 7. Oktober an Menschen in Israel kann man nicht relativieren. Es gibt keine wahrhaftige Erzählung aus der konfliktreichen Geschichte des Nahost-Konfliktes, die das Handeln der Hamas legitimiert. Sie ist eine radikal-islamistische Organisation, die die Auslöschung Israels zum Ziel hat und damit allen friedlichen Perspektiven von Palästinenserinnen und Palästinensern massiv schadet und alle Möglichkeiten einer gewachsenen Dialogbereitschaft und Vertrauensbildung zerstört.« Ausdrücklich fordern die drei Abgeordneten und ihr französischen Fraktionskollege Emmanuel Maurel von der Republikanisch-sozialistischen Linken die Wahrung des humanitären Völkerrechts durch Israel ein. »Mit unserer Abstimmungsentscheidung stellen wir uns der historischen Verantwortung, das Existenzrecht Israels zu garantieren und politisch Brücken zu bauen und Möglichkeiten zu unterstützen, die einen Weg zu einer friedlichen Zweistaaten-Lösung wiedereröffnen.« Elf anwesende Abgeordnete der Fraktion hatten der Resolution zugestimmt, 14 waren dagegen, drei enthielten sich.

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